Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Jesus, "gestorben für unsere Sünden"?
(27-07-2020, 22:18)Herbert schrieb: Nur weil man etwas bisher nicht belegen / nachweisen kann, ist das kein Beweis, das es dasjenige nicht gibt bzw nicht gegeben hat.


Dieses Statement ist logisch richtig.
A kann nicht belegen, dass er zum Tatzeitpunkt nicht am Tatort war, er hat kein Alibi.
Dies ist aber noch lange kein Beweis, dass er der Täter war

Gegenteiliges Beispiel:
Der Staatsanwalt kann nicht nachweisen, dass B der Täter ist.
Dies ist aber noch lange kein Beweis, dass er unschuldig ist. Mangels an Beweisen gilt die Unschuldsvermutung. Eine Vermutung
In Wahrheit gibt es für Vorgänge die vor dem Dreißigjährigen Krieg waren, keine Beweise im strengen Sinne der heutigen Justiz

Abgesehen davon, dass es natürlich keine lebenden Zeugen gibt, sind alte Schriften graphologisch wertlos und es besteht der Generalverdacht der Urkundenfälschung aus dynastischen Gründen. Siehe etwa das Dilemma der Pippinschen Schenkung

Beweisen kann man etwas, wenn es zumindest einen lebenden Zeugen gibt und/oder aussagekräftige Photos und Filme. Wenn beides nicht vorhanden ist, dann bleibt ein flaues Gefühl

Es bestehen Zweifel. Urteile unter Zweifel sind juristisch inakzeptabel

Wer will heute ermitteln und dann gar eine (haltbare) Beweisführung machen wie der österreichische Thronfolger Rudolf 1889 im Schloß Mayerling ums Leben kam? Völlig aussichtslos.
War es tatsächlich Freitod? War es Mord? Für beides gibt es reichhaltige Motive


Ich denke Herbert, dass Du recht hast wenn Du sagst:
(27-07-2020, 22:18)Herbert schrieb: Nur weil man etwas bisher nicht belegen / nachweisen kann, ist das kein Beweis, das es dasjenige nicht gibt bzw nicht gegeben hat.

Dies muß man aus Gründen der Vorsicht sagen - hier eine Beweislastumkehr zu versuchen, ist allzu billig und auch völlig wertlos

Man kann sagen, dass es "unwahrscheinlich" sei, dass es so war - aber beweisen kann man dies nicht

Wir müssen uns klar sein, dass es wie gesagt schwierig ist, uralte Sachverhalte zu beweisen oder zu widerlegen

Und vor einer gewissen Zeit ist es unmöglich

Richter und Gerichtsmediziner etc. sind da wertlos. Sorry!
@Herbert: Danke. Der Kanon Muratori ist mir gelaeufig. Da er bestenfalls nicht frueher als Irenaeus ist, faellt auch dieser Text in die Zeit, in der zum ersten Mal ein Interesse an der NT-Textgeschichte aufkam. Irenaeus wird deshalb als erster angesehen, der etwas von den vier kanonischen Evangelien erzaehlt, weil zumindest sein Wirkungszeitraum bekannt ist, waehrend die Datierung des Kanon Muratori an einer Erwaehnung zum Hirten des Hermas haengt, einem Buch, das es auch noch in eine unser beiden fruehesten erhaltenen Bibeln (4. Jhdt.) geschafft hatte.

Wie auch immer, das Johannes-Evangelium zeigt durchaus Zeichen von spaeterer Bearbeitung. Auch fuer einen Laien ist das ohne weiteres erkennbar, wenn er einfach mal Kapitel 20 und 21 in Folge liest. Genaueres laesst sich mangels aelterer Textzeugen leider nicht mit Sicherheit feststellen. Auch wenn eine Bemerkung von Tertullian nahelegt, dass sein Johannesevangelium mit Kapitel 20 endete, wurde nie ein Manuskript gefunden, wo das definitiv der Fall war. Es gibt halt nur drei Manuskripte und Manuskriptfragmente aus diesem Textbereich vom 4. Jhdt. und davor.

Dass Schriften Aposteln zugeschrieben wurden, war uebrigens auch ausserhalb unseres Kanons durchaus ueblich. Dass allein sagt erst mal nichts, und die heutige Neutestamentik gibt ja deshalb generell nichts auf die traditionellen Autorennamen - was den Autor des Johannesevangeliums einschliesst - mit der einzigen Ausnahme des Paulus.

Das wichtigste Beispiel, was diese Tendenz zum Schreiben von Briefen im Namen der Apostel angeht und dabei ihr Vermaechtnis zu sein vorgibt, waere die Epistula Apostolorum (die englische Version des Artikels gibt ein paar Hinweise zum Inhalt), ein Text, der vorgibt, auf Lehren Jesu an die Apostel nach seiner Auferstehung und vor seiner Himmelfahrt zurueckzugehen, also versucht, mit der direkten Authoritaet der Apostel und Jesu selbst zu arbeiten. Gegner sind diverse gnostische und doketische Lehren, also Auseinandersetzungen des 2. Jhdts., was auch den Gebrauch des Johannesevangeliums, der Apokalypse des Petrus, des Barnabas-Briefs und des Hirten des Hermas erklaert. Da der Text auch die Wiederkunft Christi exakt datiert mit 150 Jahren nach seinem ersten Wirken, was also um 180 gewesen waere, muss er davor geschrieben sein. Allerdings erklaert das auch, warum er irgendwann an Beliebtheit verloren hat.

Fuer die Beurteilung von Behauptungen in Texten wie dem Kanon Muratori oder den Buechern des Irenaeus muss man also den historischen Kontext beachten und die Vielzahl anderer Schriften im christlichen Umkreis, die damals Teil der Auseinandersetzungen waren. Und da wurden dann halt die "schweren Geschuetze", also angebliche Aussagen aller Apostel gemeinsam und von Jesus selbst herausgekramt, was keinerlei Anspruch auf Historizitaet hat.
Davut schrieb:

"ääähh, dann behaupte ich mal, dass der Teufel, der Jesus nach Mt auf die Zinnen des Tempels führte, ihn auch noch mit 30 Silberlingen bestechen wollte, damit  er herabsprang. Der nahm sie, tat es, wurde aber von den anwesenden Engeln im Sprungtuch aufgefangen.

Das stimmt, Beweise habe ich aber nicht".

...... ... ........ . .

Lol!
Ich bin überrascht, dass du dir nicht zu schade bist, den Teufel, die alte Schlange, noch toppen zu wollen. Aber "jedem Tierchen sein Pläsierchen".

Viele Grüße
Herbert
Vorsicht: Lesen, was verständlich geschrieben ist, gefährdet die Dummheit.
Textversionen, wo Jesus von einer Zinne fliegt, gab's durchaus. Ephräm der Syrer zitierte aus so einem Text. Schade, dass die Byzantiner die meisten Schriften der Zeit verbrannt haben.
Das war zwar eine Version, die von Ephräm abgelehnt wurde, aber man muss immer im Hinterkopf behalten, dass die Leute, die in der Kirche des 2. Jahrhunderts die Weichen stellten, viele dieser heute nicht als katholisch geltenden Texte kannten, und das Lesen dieser Texte wurde sogar oft genug ermuntert. Einige Behauptungen der kirchlichen Schriftsteller beruhen auf heute nichtkanonischen Schriften.
@Ulan

Danke für deinen Hinweis.

Ich finde es schade, dass wohl zu "150%" Gläubige sich nicht scheuen, derartige offensichtliche Unwahrheiten dem Jesus anzudichten. So etwas ist meines Erachtens nur geeignet, die ganze Lehre von Jesus ins Lächerliche zu ziehen.

Viele Grüße
Herbert
.
Vorsicht: Lesen, was verständlich geschrieben ist, gefährdet die Dummheit.
(28-07-2020, 07:29)Herbert schrieb: Davut schrieb:

"ääähh, dann behaupte ich mal, dass der Teufel, der Jesus nach Mt auf die Zinnen des Tempels führte, ihn auch noch mit 30 Silberlingen bestechen wollte, damit  er herabsprang. Der nahm sie, tat es, wurde aber von den anwesenden Engeln im Sprungtuch aufgefangen.

Das stimmt, Beweise habe ich aber nicht".

...... ... ........ . .

Lol!
Ich bin überrascht, dass du dir nicht zu schade bist, den Teufel, die alte Schlange, noch toppen zu wollen. Aber "jedem Tierchen sein Pläsierchen".

Viele Grüße
Herbert

Nun bin ich aber bei deiner sonst gern zur Schau gestellten Bibelfestigkeit überrascht. Hast Du meinen Hinweis auf Mt (ich ergänze hier: Mt 4, 5) denn wirklich nicht verstanden?

Da ist doch die berühmte Stelle mit der Einladung des Teufels an Jesus,  in die Tiefe zu springen und sich von den anwesenden  Engeln auffangen zu lassen. Ich habe lediglich das Sprungtuch dazu erfunden. Ganz bewußt als Antithese.

Das ist doch kein Desavouieren des Mannes aus Nazareth. Jesus soll entgegen Deinem Beitrag #246 gar nichts "angedichtet" oder "lächerlich gemacht" werden. Es ist nur die Replik auf Deine gewagte Auffassung, dass man etwas (im Hinblick auf das JohEv) munter  drauflos behaupten kann, obwohl man es nicht beweisen/belegen kann. Dein gefundener Conon Muratori ist ein Fragment aus dem 8. Jh (!) nach einem griechischen Original aus der 2. Hälfte des 2.Jh., scheidet also als Beweisstück aus.

Da war Johannes schon mehr als 100 Jahre als Märtyrer gestorben (und nicht als Tattergreis auf Patmos). Außerdem sind nicht die drei Synoptiker die Exoten unter den Schriftstellern. Sie haben sogar überwiegend voneinander abgeschrieben, und das auch noch schlecht. Sonst hätten Mk, Mt und Lk nicht die vielen Widersprüche in ihren Perikopen. Gleichwohl werden sie weiter unbekümmert von den Kanzeln vorgetragen, Sonntag für Sonntag.

Johannes dagegen bildet nach 100 n.Chr. einen völlig eigenen Erzählstrang ab, indem er Jesus endgültig vergottet.

Nein, mit den vier Evangelien ist kein (historischer) Staat zu machen. Dieser Johannes, wohl ein gleichnamiger Presbyter aus Ephesus und nicht der Apostel,  ist das beste Beispiel.

MfG

MfG
(28-07-2020, 12:24)Herbert schrieb: Ich finde es schade, dass wohl zu "150%" Gläubige sich nicht scheuen, derartige offensichtliche Unwahrheiten dem Jesus anzudichten. So etwas ist meines Erachtens nur geeignet, die ganze Lehre von Jesus ins Lächerliche zu ziehen.

Du tust dich unglaublich schwer in die Denkweise anderer Menschen hinein zu versetzten.

Die unglaublichsten Legenden in vielen unterschiedlichen Variationen entstehen deswegen, weil Geschichten und Erzählungen immer vom jeweiligen Zuhörers  in seinem eigenen Kopfkino so uminterpretiert werden müssen, dass sie mit seiner eigenen Erfahrungs- und Erlebniswelt übereinstimmen. Wenn die Erfahrungs- und Erlebniswelt des Zuhörers nicht allzu groß ist.. wie das z.B. auch bei Kindern der Fall ist, dann erzeugt das Gehirn dieser Zuhörers immer an jenen Stellen der Geschichte welche sich  mit seiner eigenen Erlebniswelt nicht in Übereinstimmung bringen lassen, eine wundersame Vereinfachung, die dann, wenn er die Geschichte selbst weitererzählt, Teil der Geschichte werden. Dass das Gehirn dann auch noch Erinnerungslücken auf die selbe Art und Weise ausfüllt, kommt noch erschwerend hinzu.

Das alles ist das Allernatürlichste und Normalste jener Welt, die unsere Gehirne aus den kleinen elektrischen Reizen erzeugt, welche es von seinen Empfangsantennen zugespielt kriegt.. und die wir auch als Wahrnehmungssinne bezeichnen.

Und jetzt versetz dich mal in die einfache Erfahrungs- und Erlebniswelt jener frühen Christen, die solche vom Gehirn selbst generierten "Eingebungen" als vom Geist Gottes eingegeben hielten.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
(27-07-2020, 20:35)Herbert schrieb: Mt 5,48: 
"Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist".

Ja, totaler Nonsens die Aussage, weil ein Mensch gar nicht vollkommen sein kann, dagegen spricht seine Sündhaftigkeit und Bedingtheit. Eine deutsche Übersetzung eben und ein Grundproblem christlicher Rezeptionen der hebräischen Bibel. Da werden Wörter in die Schrift gelegt, die im jüdischen Denken überhaupt nicht existieren.
Die Uminterpretationen ist nicht nur ein Problem der nachchristlichen Religionen, es ist in der Tat auch ein Problem des Christentums gegenüber dem Judentum.
Laut Bibel war beispielsweise der Mensch Jesus vollkommen, blieb also ohne Sünde. Entsprechendes gilt wohl auch gemäß AT für Henoch, der mit Gott wandelte und für Abraham

Viele Grüße
Herbert
.
Vorsicht: Lesen, was verständlich geschrieben ist, gefährdet die Dummheit.
(28-07-2020, 17:29)Geobacter schrieb:
(28-07-2020, 12:24)Herbert schrieb: Ich finde es schade, dass wohl zu "150%" Gläubige sich nicht scheuen, derartige offensichtliche Unwahrheiten dem Jesus anzudichten. So etwas ist meines Erachtens nur geeignet, die ganze Lehre von Jesus ins Lächerliche zu ziehen.

Du tust dich unglaublich schwer in die Denkweise anderer Menschen hinein zu versetzten.

Ich halte mir meinen Kopf nur für dasjenige frei, was ich für wirklich wichtig und relevant halte. Daher  muss ich mich nicht mit jedem Scherz oder jeder Fantasie anderer Menschen auseinandersetzen.

Schließlich heißt es ja in der Bibel: "Prüft aber alles, das Gute haltet fest.

Mir gegenüber haben schon andere Menschen in einem anderen Forum allen Ernstes behauptet, sie seien per Geisteskraft auf einen Teppich durch die Gegend geflogen. 

Es mag ja durchaus sein, dass diese Menschen ihre Halluzination für Wahrheit hielten. Deshalb muss ich das aber nicht akzeptieren und mich in diese ("bedauernswerten") Menschen hineinversetzen.

Viele Grüße 
Herbert
Vorsicht: Lesen, was verständlich geschrieben ist, gefährdet die Dummheit.
(30-07-2020, 21:41)Herbert schrieb: Laut Bibel war beispielsweise der Mensch Jesus vollkommen, blieb also ohne Sünde. Entsprechendes gilt wohl auch gemäß AT für Henoch, der mit Gott wandelte und für Abraham
 

Jesus hat laut Bibel oft und gerne Wein getrunken.. Sogar im Paradies wollte er nicht aufs Weintrinken verzichten. Außerdem hat er einfach mal so einen armen unschuldigen Feigenbaum absterben lassen, welcher gerade in der falschen Jahreszeit war, als  Jesus Hunger hatte... Voll war Jesus also sehr wahrscheinlich öfters..

Aber jetzt mal nur eine wirklich ernst gemeinte Frage:
Würde ein vollkommener Mensch wirklich einen Feigenbaum zum absterben bringen, um was immer damit zu sagen?
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
Zu deiner ernst gemeinten Frage: Ja! 

Dir scheint es unglaublich schwer zu fallen, dich in die Psyche oder das Sendungsbewusstsein von Jesus hineinzuversetzen.

Und was den Wein betrifft, den Jesus getrunken hat, solltest du berücksichtigen, dass in damaliger Zeit auch der Saft von den Weintrauben als Wein bezeichnet wurde, ohne dass er Alkohol enthielt.
Der Alkohol enthaltende Wein wurde auch als Rauschwein bezeichnet.

Viele Grüße 
Herbert
Vorsicht: Lesen, was verständlich geschrieben ist, gefährdet die Dummheit.
Davut schrieb:

"Johannes dagegen bildet nach 100 n.Chr. einen völlig eigenen Erzählstrang ab, indem er Jesus endgültig vergottet".  
----------------------------

Auf welche Textstelle im Johannesevangelium beziehst du dich da, wo Jesus endgültig "vergottet" wurde?

Viele Grüße 
Herbert 
.
Vorsicht: Lesen, was verständlich geschrieben ist, gefährdet die Dummheit.
(30-07-2020, 22:22)Herbert schrieb: Und was den Wein betrifft, den Jesus getrunken hat, solltest du berücksichtigen, dass in damaliger Zeit auch der Saft von den Weintrauben als Wein bezeichnet wurde, ohne dass er Alkohol enthielt.
Der Alkohol enthaltende Wein wurde auch als Rauschwein bezeichnet.

Das ist so eine neumodische Erklaerung, die wirklich erst in einer Zeit aufkommen konnte, wo die Trauben aus dem Supermarkt kommen und nicht vom Weinberg um die Ecke. Noch vor 50 Jahren haetten die Leute wohl ueber so eine Idee lauthals gelacht.

Dieses Beispiel zeigt aber schoen, wie der Zeitgeist die Interpretation der religioesen Texte formt.

Was wiederum den Olivenbaum angeht, der angeblich verdorrte, so muss man nicht mit seiner Kritik in die Schiene der Literalisten fallen. Hier geht's nur um ein alttestamentarisches Zitat.


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Wäre Jesus einer der vier apokalyptischen Reiter ? Sinai 79 26016 19-08-2023, 09:02
Letzter Beitrag: Bion
  Evangelikalen ist Jesus zu "links" Flattervogel 5 848 12-08-2023, 00:36
Letzter Beitrag: Sinai
  "Ich aber sage Euch..." Jesus und sein (Miss)Verhältnis zu NT- Bibeltexten Davut 213 57980 22-07-2023, 16:59
Letzter Beitrag: Ulan

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste