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Wer ist Schuld?
#1
Die folgende Frage ergab sich aus dem Thread im kulturhistorischen Forum auf die Frage: Wer ist Schuld am Tod Jesu? Ging es dort um den kulturhistorischen Zusammenhang, so kann hier über das Thema Schuld auch allgemeiner diskutiert werden./Ekkard


Ich frag mal kürzer, wo setzt die Schuld ein ?
Bei Einflussnehmenden, beim Entscheider, beim Ausführenden,
bei denen die vorgenannte geprägt haben, beim Weltbild ?
In der historischen Situation oder entscheiden wir aus heutiger Sicht ?
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#2
Keine Schuld,...
Was geschieht, geschieht,..Schuld ist nur ein Denkkonstrukt
Aut viam inveniam aut faciam
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#3
(22-02-2013, 17:09)Harpya schrieb: Ich frag mal kürzer, wo setzt die Schuld ein ?

beim handeln

die gedanken sind frei
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#4
(23-02-2013, 07:49)d.n. schrieb: Was geschieht, geschieht,..Schuld ist nur ein Denkkonstrukt

Dann könnte ja jeder machen, was er will und jede Verantwortung sofort von sich abwälzen.
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#5
ich würde auch sagen, durch ein handeln.
allerdings ergänzt um bewusstes handeln.
jemand, der nur handelt, ohne zu wissen, was er damit anstellt, hat eigtl. auch keine schuld.
in der rechtswissenschaft teilt man das verschulden in fahrlässigkeit und vorsatz ein, wobei es noch weitere feinere abstufungen gibt.
aber generell setzt es voraus, dass jemandem seine handlung bewusst ist und was diese handlung für auswirkungen hat.

wenn ein mafia-boss jemanden beauftragt, eine person solle liquidiert werden,
so liegt wohl die hauptschuld am mafia-boss.
der auftragskiller trägt zwar auch schuld für diese tat, aber er hat es je im grunde nicht geplant.

diese schuldfrage war auch gegenstand in den ddr-grenzfall-tötungen durch ddr soldaten. diese erschossen über den zaun kletternde personen und beriefen sich dann vor gericht nach eingliederung mit westdeutschland, dass sie quasi auf befehlsnotstand gehandelt hätten und sie somit eigtl. keine schuld hätten.
das gericht sah das aber anders.
with great power comes great responsibility

Entscheidungen machen uns zu denen, die wir sind. Und wir haben immer die Wahl, das Richtige zu tun.
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#6
Die Schuldfrage wird doch wohl dann gerne aufgeworfen, wenn eine Verhaltensweise zu Verletzungsempfindungen bei Menschen führt und der Wunsch entsteht, darauf - meist sanktionierend (Strafe, Rache) - zu reagieren. Verletzungen befördern den Primitiv-Wunsch nach Gegenverletzung. Und die Schuld des anderen erlaubt mir, ruckzuck mit Gegenverletzung zu reagieren. Und das wiederum tut so richtig gut und sie verhindert eigene Schuldgefühle angesichts der eigenen reaktiven Übergriffe.
Das Schuldkonstrukt schafft über den entstandenen Schaden hinaus, zusätzlich starke Belastungen im der Wertschätzung und damit auch im Selbstwertgefühl seitens der Person, der diese Schuld zugeschrieben wird. Jetzt haben wir schon zwei Beschädigungen, den zunächst durch eine Fehlhandlung eingetretenen Schaden und jetzt auch noch eine Schuldenlast auf Seiten des "Täters".

Ich bevorzuge es, Schuld deshalb zunächst auch mal mehr als ein mögliches aber keineswegs optimales Denkkonstrukt zu betrachten und stets abzuwägen, ob nicht andere Konstrukte hier viel zweckmäßiger wären.

Beispielsweise das Fehlerkonstrukt. Ein Fehler unterläuft. Die Frage nach der Schuld wird hier ausgeklammert. Das Fehlerkonstrukt leitet den Blick mehr die nüchternen Fragen nach möglichst gemeinsamer Fehlerbehebung, nach zukünftiger Fehlervermeidung. Natürlich ist der, dem der Fehler unterläuft desgleichen verantwortlich für den Schaden. Aber die Umgebung ist eher geneigt, ihm dabei zur Seite zu stehen. Alle Aufmerksamkeit kann auf die Behebung des vorhandenen Schadens und auf die Vermeidung neuer Schäden gerichtet werden.
Die Schuldfrage käme nur dann wieder ins Spiel, wenn derjenige, dem der Fehler unterlaufen ist, sich seiner Verantwortung entziehen will.

Schuldkonstrukte halte ich für archaisch, Fehlerkonstrukte für effektiver.

Gruß

dalberg
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#7
Schuld ist doch eigentlich der herrschenden Gesellschaft unterworfen.
Andere umzubringen ist doch nicht grundsätzlich geächtet, sonst gäbe es
wohl keine Revolutionen.
Offensichtlich besonders in den alten Kolonialzeiten, wo die jeweiligen
Okkupanten der zahlenmäßig weit überlegenen ansässigen Bevölkerung,
ihr Rechtsempfindungssystem aufdrücken wollten.
Auch mehrmals wechselnd je nach Kolonialmacht.
Wie man so schön sagt:
Bringt man einen um ist man ein Mörder,
bringt man viele um ist man Terrorist,
überrennt man Völker mit einer Armee ist jeder ein Held.
Schuld im praktischen Fall beruht also auf der besseren Bewaffnung
zu Durchsetzung der Interessen der Gewinner, welche das Rechtssystem definiert.

AUch heute wird die gleiche Tat in verschiedenen Weltregionen anders betrachtet.
Könnte man glatt sagen Schuld auf sich zu laden beruht auf einer
bestimmten Koordinate zu einer bestimmten Zeit.
Ich kann mich natürlich auch am gleichen Ort aufhalten und im Ablauf der Zeit für die gleiche Handlungsweise mal gut, mal schlecht sein oder auch nicht beachtet werden.

So gesehen ist Schuld zu haben mehr ein geometrisches Problem auf einer Zeitachse.
Es gibt wohl keine Tat die im Urbewusstsein aller Menschen grundsätzlich als "böse"
empfunden wird.
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#8
(23-02-2013, 17:31)Harpya schrieb: Schuld ist doch eigentlich der herrschenden Gesellschaft unterworfen.
Andere umzubringen ist doch nicht grundsätzlich geächtet, sonst gäbe es
wohl keine Revolutionen.
Offensichtlich besonders in den alten Kolonialzeiten, wo die jeweiligen
Okkupanten der zahlenmäßig weit überlegenen ansässigen Bevölkerung,
ihr Rechtsempfindungssystem aufdrücken wollten.
Auch mehrmals wechselnd je nach Kolonialmacht.
Wie man so schön sagt:
Bringt man einen um ist man ein Mörder,
bringt man viele um ist man Terrorist,
überrennt man Völker mit einer Armee ist jeder ein Held.
Schuld im praktischen Fall beruht also auf der besseren Bewaffnung
zu Durchsetzung der Interessen der Gewinner, welche das Rechtssystem definiert.

Aber im Nachhinein erkennen wir ja mittlerweile die Schuld der Kolonialherren.
Nur weil diese die Gewalthoheit haben, bedeutet es nicht, dass sie keine Schuld hätten. Die Schuldfrage hängt nicht unbedingt davon ab, ob ein Herrscherregime sich zu Taten legitimiert, die bei objektiver Betrachtung doch Schuld begründen.
siehe auch die Nazis. Während der Naziherrschaft hat man sich selbst legitimiert und die Schuld gab es nicht. Aber es gibt keinen Zweifel, dass Menschen im Nachhinein aber auch während der Nazi-Herrschaft die Schuld erkennen können.


Zitat:Könnte man glatt sagen Schuld auf sich zu laden beruht auf einer
bestimmten Koordinate zu einer bestimmten Zeit.
Ich kann mich natürlich auch am gleichen Ort aufhalten und im Ablauf der Zeit für die gleiche Handlungsweise mal gut, mal schlecht sein oder auch nicht beachtet werden.

Jein. Es heißt ja, Gechichte wird von den Siegern geschrieben. Und manche die in ihrer Zeit Helden waren, werden später die größten Verbrecher der Zeit.
Das zeigt, dass die Schuldfrage jedenfalls nicht von einer Bewertung in nur einer Zeitperiode abhängt.
Andererseits gibt es so simple Dinge unter Gleichgestellten, wo sofort eine Schuldzuweisung erfolgt.

Zitat:So gesehen ist Schuld zu haben mehr ein geometrisches Problem auf einer Zeitachse.
Es gibt wohl keine Tat die im Urbewusstsein aller Menschen grundsätzlich als "böse"
empfunden wird.

Nun, das würde ich so pauschal nicht sagen. Es gibt bestimmte Verhaltensweisen, die mittlerweile schon als "böse" gelten. Und daran hat sich seit Jahrhunderten wenig geändert. Aber es stimmt schon, das bedeutet nicht, dass in Zukunft solche Verhaltensweisen vll. nicht mehr als "böse" gelten. Das kann man wohl schlecht prognostizieren.
Entscheidend ist es offenbar, wer letztlich zu einer Zeitperiode die Herrschaft innehat und bestimmt, was denn als Schuld gilt. So ist es ja bspw auch innerhalb einer Familie.
Ich denke aber, dass es auch eines vernunftbegabten Wesens bedarf, der überhaupt das Bewusstsein entwickeln kann, Schuld zu empfinden, sowohl als Schuldzuweisung als auch als eigene Handlung.
with great power comes great responsibility

Entscheidungen machen uns zu denen, die wir sind. Und wir haben immer die Wahl, das Richtige zu tun.
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#9
Das hiesige Schuldbewusstsein ist ja wohl wesentlich im Überstülpen der Religionen
zu betrachten, die lange die Maßstäbe gesetzt haben und nicht immer die gleichen.
Manchmal geht da auch der praktische Nutzen verloren.
Hab da gerade eine Doku über die Deutsche Kolonie in Neuguinea gesehen, der
dortige König besuchte den Kaiser und beharrte auf dem Brauch seine Feinde aufzufuttern.
Warum wertvolles Eiweiss verschwenden ?
Kannibalismus ist doch , religionsfrei betrachtet, per se nix Unvernünftiges.
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#10
Ist "Schuld" nicht einfach das bewusste Setzen eines Schadens durch den Verursacher?

Beispiel Verkehrsunfall: Ich bremse scharf, weil ich nachts einen Schatten auf der Straße als Wild miss-interpretiere. Der Nachfolger fährt in den Straßengraben. Ich bin zweifelsfrei der Verursacher aber nicht schuld.

Wenn ich dasselbe Manöver betreibe, weil mich der Hintermann ärgert, bin ich schuld.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#11
Nö, der Hintermann hat keinen verkehrgerechten Abstand gehalten.
Moralisch vielleicht, bis zu einem Urteil ist erstmal keiner
rechtsmäßig Schuld.
Moralische Schuld ist so eine Sache.
Mafia-Logik: Hättest du nicht etwas Begehrenswertes aufgehäuft, hätten wir dich nicht überfallen, selbst schuld, hättest ja freiwillig teilen können...
Der gute alte Brecht sinngemäß : " was ist verwerflicher, eine Bank zu überfallen, oder eine zu betreiben ?"
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#12
Ist scharfes Bremsen, wenn der Hintermann auf der Straße mich ärgert, nicht eher eine erzieherische Maßnahme unter hohem persönlichem Einsatz?

fragt sich

dalberg
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#13
Wie wär's, ein Beispiel ein Solches bleiben zu lassen?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#14
Schuld hat ja mehrere Aspekte,
strafrechtlich in der jeweiligen Gesellschaftsordnung ist wohl
einigermassen klar definiert.
Schuld ist andererseits ein Gefühl bewusst/unbewusst etwas
Falsches getan zu haben, nur persönlichkeitsabhängig.

Religiös ist Schuld anscheinend grundsätzlich die Vorstellung
nicht entsprechen der Vorgaben meines Obermeisters zu leben,
seine Vorschriften nicht zu beachten etc.
Da diese sovielfältig sind und jeweil wüst interpretiert werden, komme ich aus
der Schuldnummer nie raus.

Wenn dann noch sowas wie Erbsünde, Kollektivschuld bis ins 3.te Glied,
wie z.B. in der Bibel noch dazukommen wird die Lage noch hoffnungsloser.
Das muss dann wohl jeder mit sich ausmachen, inwieweit er sich betroffen
fühlt.
Also persönlich muss ich schon sagen, das ich auf die Schweden alllgemein
nicht sauer bin, weil das Entsatzheer im 30-jährigen Krieg nicht flott genug marschiert ist
um Magdeburg vor Tilly zu schützen, auch wenn sie damals Schuld
zugewiesen bekamen. Icon_lol
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