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Gott, Realität oder Fiktion?
#31
Mir stellt sich die Ursprungsfrage, auf die nicht ganz eingegangen wurde, immer wieder. Kann ein Schöpfergott, so wie er in den Weltreligionen beschrieben wird, überhaupt existieren? Kann dieser mit Logischen Mitteln überhaupt noch am Leben gehalten werden? Mir ist kein bekanntes Modell der Schöpfung bekannt, bei der Materie plötzlich aus dem "Nichts" entsteht. Keine Wissenschaftliche Theorie geht davon aus, das Zeit und Raum plötzlich entstanden sind, da Materie nicht zerstört werden kann, sondern nur Umgewandelt. Das wäre für mich eine Überlegung und würde gerne von Ekkard oder anderen Wissenschaftlern hören, wie dies in einem Konsens unterzubringen ist. Und falls es weitere Argumente gegen einen Schöpfergott gibt, wäre es auch interessant diese zu hören.
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#32
(17-10-2016, 15:38)Holmes schrieb: Mir ist kein bekanntes Modell der Schöpfung bekannt, bei der Materie plötzlich aus dem "Nichts" entsteht. Keine Wissenschaftliche Theorie geht davon aus, dass Zeit und Raum plötzlich entstanden sind, da Materie nicht zerstört werden kann, sondern nur umgewandelt.
Wissenschaftliche Theorien sind weder die Wahrheit noch die Wirklichkeit. Der feine Unterschied liegt im Wort „Beschreibung“. (Wissenschaftliche) Physik oder Kosmologie liefert allein Beschreibungen, welche mathematisch so modelliert worden sind, dass sie Messergebnisse (und andere Beobachtungen) so präzise wie möglich wiedergeben. Die wissenschaftlichen Methoden verzichten bewusst darauf, eine Theorie weltanschaulich zu deuten. Das ist Sache der Gesellschaft, wie sie mit der jeweiligen Theorie umgehen möchte.
Für „Mittelerde“ (das ist der von uns überschaubare Raum, unsere Zeitvorstellungen, unsere Gewichte und Kräfte ohne „ganz groß“, „ganz klein“, „ganz früh“ oder „ganz spät“) gibt es keine Modelle, nach denen etwas anderes stattfindet, als Umwandlung. Doch diese Eigenschaft unserer Welt muss an ihren Grenzen („ganz früh“, Urknall; eventuell „ganz spät“) nicht korrekt sein. Unsere Theorien beschreiben im Wesentlichen nur unsere Erfahrungen von nach dem Urknall bis jetzt. Man kann sich vorstellen, dass der Urknall ein singuläres Ereignis darstellt, durch welches Raum, Zeit und (zunächst extrem harte) Strahlung entstanden sind. Harte Strahlung wandelt sich in Massenteilchen um, wenn der ursprüngliche Druck nachlässt – die Singularität also Raum gewinnt.

(17-10-2016, 15:38)Holmes schrieb: Kann ein Schöpfergott, so wie er in den Weltreligionen beschrieben wird, überhaupt existieren? Kann dieser mit Logischen Mitteln überhaupt noch am Leben gehalten werden?
Das ist leider eine weltanschauliche Frage, für die es keine objektive Antwort gibt. Es hängt davon ab, ob man mit „ich weiß es nicht“ leben kann, oder ob man einen Sinngeber möchte. Zweifellos gibt Gott/Allah für viele Menschen den Sinn ihres Daseins vor – leider bis hin zu zerstörerischen Sinngebungen. Ich persönlich kann diesem Hecheln nach Sinn nichts abgewinnen.

Deshalb existiert für mich diese lächerliche Vorstellung nicht mehr, einem Menschenbeherrscher nachzueifern. Diese Vorstellung ist bei weitem zu mickrig, um Urheber von Raum, Zeit, Strahlung und deren spätere System-Eigenschaften zu sein. So kann man Gott heute nicht mehr denken, hauptsächlich weil wir die Tore von Mittelerde aufgestoßen haben.

Da gibt es auch keinen Konsens mehr!


(17-10-2016, 15:38)Holmes schrieb: Und falls es weitere Argumente gegen einen Schöpfergott gibt, wäre es auch interessant diese zu hören.
Da müsste man mir zuerst einmal erklären, welche Aufgabe diese Gottesvorstellung haben soll. M. E. kann der Gottesmythos nur eine Aufgabe haben, nämlich das Zusammenleben zu erleichtern, also das zu gewährleisten, was man im allgemeinen als Wertegemeinschaft bezeichnet. Nur ist Gott dann kein Schöpfer der Welt, sondern nur der Schöpfer jener Wertegemeinschaft, Urheber des Gemeinsinns – oder etwas in dieser Richtung. Auf jeden Fall ist jede Art der Überfrömmigkeit, die nur dem persönlichen Wohlbefinden dient, absolut fehl am Platze, gewissermaßen gottlos!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#33
Eine andere Frage hätte ich auch noch, wie soll man heute noch seinen Abrahamitischen rechtfertigen? Seinen Glauben mit der Wissenschaft, in einen Konsens zu bringen, ist ja nicht möglich. 
Des öfteren berufen sich Gläubige auch darauf, dass sie Gott gespürt haben und sie deswegen an ihn glauben. Gibt es aber irgendwelche Beweiße oder logische Konstrukte, die einen solchen Gott als Theorie beschreiben können. Ich finde es ja schon schwer, einen Allgemeinen Schöpfergott zu verteidigen, aber einen Abrahamitischen, der noch viel mehr Eigenschaften besitzt, ist wohl sehr schwer zu Modellieren. Gibt es irgendwelche Fakten, die es einem Gläubigen erleichtern würden, an so einen Gott zu glauben, also irgendwelche Indizien oder auch andere Ansätze. Mit den oberen Aussagen stehe ich im völligen Konsens und sie haben meine Frage sehr gut beantwortet.
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#34
(22-10-2016, 09:55)Holmes schrieb: ... wie soll man heute noch seinen Abrahamitischen (Glauben) rechtfertigen?
Glaube ist, etwas allgemeiner betrachtet, ein Konglomerat (Zusammenballung, Sammlung) gesellschaftlicher Konventionen aus alter Zeit (Tradition). Glaube, tiefe Überzeugungen, sind gerechtfertigt, wenn damit eine Gesellschaft friedlich kooperiert und in geistiger Entwicklung fortbesteht. Die abrahamitischen Religionen gehen von einem Gesellschaftsvertrag aus, den s. Z. die Israeliten unter Mose mit Gott geschlossen haben. Im Christentum sprechen wir vom Neuen Testament, einem  neuen Gesellschaftsvertrag, auch mit Gott, vermittelt durch Christus.

Leider ist es so, dass Letzterer denselben Webfehler aufweist, nämlich sich auf eine Entität jenseits des Lebens und dessen Natur zu beziehen. Damit ist auch diesem Vertrag die Intoleranz in die Wiege gelegt, trotz aller beschönigenden Predigten. Die Extremisten machen vor, wie Gott zu "verteidigen" ist Icon_exclaim Dabei kann der im Zweifel für sich selbst sorgen.

(22-10-2016, 09:55)Holmes schrieb: Seinen Glauben mit der Wissenschaft, in einen Konsens zu bringen, ist ja nicht möglich.
Du meinst das Richtige. Aber Glaube und Wissenschaft haben nichts miteinander zu tun. Es ist nur so, dass die abrahamitischen Religionen ihre Mythologie mit Bildern und Situationen garnieren, die dem heutigen Wissen widersprechen. Eine Methodenlehre, nichts anderes ist Wissenschaft, führt nicht zu gesellschaftlichem Konsens, bleibt immer Werkzeug oder Hilfsmittel. Sie kann keine Grundvorstellungen vermitteln. Diese sind Sache der Gesellschaft!
Aber du hast insofern Recht, dass die Mythologie durch ihre falschen Bilder gar nicht mehr vermittelt, um was es bei Religion geht, nämlich um ein gedeihliches Miteinander in einer vernetzten Welt.

(22-10-2016, 09:55)Holmes schrieb: Des öfteren berufen sich Gläubige auch darauf, dass sie Gott gespürt haben und sie deswegen an ihn glauben.
Das kann ich mangels eigener Erfahrung nicht beurteilen. Aber ich hege den Verdacht, dass dabei ein falsches - und gefährliches - Gottesbild vorliegt. Nämlich ein privates zur Befriedigung schwärmerischer Wohlfühlideologie. Wie alle Ideologien vermittelt diese Beziehung, einer von den Guten zu sein in einer "feindlichen" Welt.
Es wäre an den Priestern und Pastoren mit diesen gefährlichen Gottesbildern aufzuräumen! (Ein Privatgott gestattet mir letzlich jede Grausamkeit meinen Mitmenschen gegenüber. So war es ja Jahrhunderte lang üblich, Nicht-Christen gar nicht als Menschen anzuerkennen! Folge des europäischen Privatgottes.)

(22-10-2016, 09:55)Holmes schrieb: Gibt es aber irgendwelche Beweiße oder logische Konstrukte, die einen solchen Gott als Theorie beschreiben können. Ich finde es ja schon schwer, einen Allgemeinen Schöpfergott zu verteidigen, aber einen Abrahamitischen, der noch viel mehr Eigenschaften besitzt, ist wohl sehr schwer zu Modellieren. Gibt es irgendwelche Fakten, die es einem Gläubigen erleichtern würden, an so einen Gott zu glauben, also irgendwelche Indizien oder auch andere Ansätze.
Theologische Werke sind voll davon. Indes kranken sie alle daran, dass die mythologischen, im Übrigen absoluten, Figuren im Vordergrund stehen und nicht der gesellschaftliche Konsens hinsichtlich guter und friedlicher Kooperation, weltumspannender Kommunikation, Begegnung auf Augenhöhe etc..

Die Mythologie der vielen Religionen ist doch eine völlig nebensächliche Frage von historisch gewachsenen Ansichten, die zu teilen bestenfalls volkloristische Züge aufweist. Wichtig ist, dass die Menschheit ihre Probleme in den Griff bekommt, ohne sich auszulöschen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#35
(22-10-2016, 09:55)Holmes schrieb: Seinen Glauben mit der Wissenschaft, in einen Konsens zu bringen, ist ja nicht möglich. 

Es ist sehr einfach möglich, Glauben und Wissenschaft in einen Konsens zu bringen, nämlich indem dem die Themenbereiche trennt.


Da hat Ekkard Recht: 'Glaube und Wissenschaft haben nichts miteinander zu tun. '

Philosophisch gesehen ist das ein alter Hut.
Kant hat es trefflich auf den Punkt gebracht:

"Der Ausdruck des Glaubens ist in solchen Fällen ein Ausdruck der Bescheidenheit in objektiver Absicht, aber doch zugleich der Festigkeit des Zutrauens in subjektiver. Wenn ich das bloß theoretische Fürwahrhalten hier auch nur Hypothese nennen wollte, die ich anzunehmen berechtigt wäre, so würde ich mich dadurch schon anheischig machen, mehr, von der Beschaffenheit einer Weltursache und einer andern Welt, Begriff zu haben, als ich wirklich aufzeigen kann; denn was ich auch nur als Hypothese annehme, davon muß ich wenigstens seinen Eigenschaften nach so viel kennen, daß ich nicht seinen Begriff, sondern nur sein Dasein erdichten darf. Das Wort Glauben aber geht nur auf die Leitung, die mir eine Idee gibt, und den subjektiven Einfluß auf die Beförderung meiner Vernunfthandlungen, die mich an derselben festhält, ob ich gleich von ihr nicht im Stande bin, in spekulativer Absicht Rechenschaft zu geben."
(Kritik der reinen Vernunft)
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#36
Zitat:Mustafa schrieb:


Da hat Ekkard Recht: 'Glaube und Wissenschaft haben nichts miteinander zu tun. '

Naja da Wissenschaft nichts absolutes darstellt, hat Wissenschaft sehr wohl, was mit Glauben zu tun. Egal wie viele Fakten, Belege, Indizen etc ich habe, werde ich trotzdem nicht die Absolute Wahrheit kennen. Deswegen muss man auch, in einer Art, an die Wissenschaft glauben. Der einzige Unterschied ist, dass wir hier, zwischen Wahrscheinlichkeiten unterscheiden, denn wenn etwas eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, kommt es uns ja "Wahrer vor", also es kommt näher an das Absolute. Deswegen stimme ich der Aussage nicht zu.
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#37
(Verstehe ich nicht!) Wissenschaft ist eine Sammlung von Methoden, nicht um Wahrheiten zu finden, sondern um Ergebnisse und ihre Zusammenhänge zu beschreiben. Dahinter steckt keine Wahrheit, sondern bestenfalls eine Wahrnehmung (z. B. die Wahrnehmung Vieler im Zusammenhang mit dem Namen Donald Trump).
Vielleicht muss man den Interviewern und Berichterstattern "glauben", was sie zusammen getragen haben. Und man muss ihnen "glauben", dass sie die Zahlen nicht geschönt haben, in welcher Richtung auch immer. Dieses Glauben hat aber nichts mit der Methodenlehre zu tun, sondern ist Ergebnis von Kontrolluntersuchungen. Wo Letztere unterbleiben, darf man die Beschreibungen auch ruhig als vorläufig, ja als irrelevant beurteilen!
Also, wo ist da Glaube im Sinne von moralischen Grundsätzen oder gesellschaftlichen Normen?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#38
Habe die Naturwissenschaft gemeint. Die versucht eine Beschreibung der Wirklichkeit zu verfassen, die näher an die wirkliche Welt kommt, wenn es überhaupt eine gibt. 
Es gibt ja keine Absoluten Ergebnisse, denn es existieren ja nichts absolutes ? Wenn die Naturwissenschaften nichts absolutes darstellen, muss man ihnen auch auf einer bestimmten Ebene "Glauben".
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#39
Und ich denke, dass wir aneinander vorbei argumentieren. Den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Methoden braucht man nichts zu glauben. Denn man soll ja alles nachprüfen können, was vor allem die Fachleute auch ausgiebig tun. Für die naturwissenschaftliche Methode gibt es ein paar einfache Maximen, die - konsequent angewandt - keine Ausflüchte und (dauerhafte) Irrtümer erlauben - Auflistung z. B. hier im Forum.
Nur als Laie hat man das Problem, dass man auf die ehrliche Arbeit zur Erlangung der Ergebnisse vertrauen muss, in der Tat, das ist ein Glaube. Wichtig ist allerdings fest zu halten, dass alle diese Ergebnisse vorläufigen Charakter haben und von anderen Fachleuten ergänzt, korrigiert, erweitert oder umgestoßen werden können.

Im Gegensatz zum (weltanschaulichen) Glauben gibt es in der Wissenschaft keine Gewissheiten. Z. B. wird angesichts der Komplexität und Ästhetik der Natur überhaupt nicht spekuliert (oder geglaubt), dass dahinter eine (göttliche) Schöpferkraft steckt. Das ist keine naturwissenschaftliche Fragestellung!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#40
Zitat:Ekkard schrieb:

Wichtig ist allerdings fest zu halten, dass alle diese Ergebnisse vorläufigen Charakter haben und von anderen Fachleuten ergänzt, korrigiert, erweitert oder umgestoßen werden können.


Und da sehe ich für mich keinen Unterschied zu einem Glauben, nur das dieser glauben Zeitlich ist und nicht Absolut ist. Das Gott keine Naturwissenschaftliche Frage ist, beruht doch nur auf dem Fakt, dass über Gott keine Naturwissenschaftlichetheorie aufgestellt werden kann. Gäbe es Indizien oder irgendetwas für einen Gott, könnte man eine Naturwissenschaftliche-Theorie anhand von diesen Indizien/Beweißen etc. formulieren, aber das geht genau wegen dieser Forderung nicht, deswegen gibt es auch keine Weihnachtsmann oder Zahnfeentheorie, auf Naturwissenschaftlicher Basis.

Und nun nochmal zum Punkt. Wenn ich nicht weiß ob etwas in der Zukunft verändert werden kann, also wenn es nicht Absolut ist, dann muss ich daran Glauben. Das trifft auf die Wissenschaft und auf zu und allen anderen Dingen auf der Welt, denn unser Zeitpfeil geht nun mal nur in eine Richtung.


Zitat:Ekkard schrieb:

Im Gegensatz zum (weltanschaulichen) Glauben gibt es in der Wissenschaft keine Gewissheiten. Z. B. wird angesichts der Komplexität und Ästhetik der Natur überhaupt nicht spekuliert (oder geglaubt), dass dahinter eine (göttliche) Schöpferkraft steckt.
 
Im Weltanschaulichen Glauben, gibt es doch auch keine Gewissheiten, sonst würde es ja nicht Glaube heißen. Die Leute sind nur Überzeugt davon, aber eine Gewissheit haben sie nicht. Warum wir nicht über Phantasiewesen wie eine Schöpferkraft spekulieren, hab ich ja oben beschrieben. Wieso formulierst du das Wort so um, das verstehe ich nicht? Wenn es in der Wissenschaft keine Gewissheiten gibt, dann ist das doch auf einer eben ein Glaube, oder habe ich da etwas falsch verstanden? Ich definiere Glauben nicht als etwas was keine Fakten und Beweiße hat, sondern Glauben ist für mich etwas was keine 100% Wahrscheinlichkeit hat, also alle Dinge. Ich kann nicht sagen ob ich in einer Matrix Lebe oder in einer Paralellwelt, daher kann ich nie mit Absoluter Wahrheit Argumentieren, denn diese gibt es nicht. Wir könnten eine Unterscheidung zwischen Wissenschaftlichem Glauben machen, der auf Fakten und Beweißen beruht und dem Glauben der Religionen der nicht auf diesen beruht.
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#41
Ich stimme dem zu, was du meinst bzw. nun nochmal verdeutlicht hast.
Da ich im ersten Anlauf nicht verstanden habe, was du meinst, hier nochmal Begriffsbildungen, wie ich sie aus der Literatur kenne:

(27-10-2016, 14:57)Holmes schrieb: Wenn ich nicht weiß ob etwas in der Zukunft verändert werden kann, also wenn es nicht Absolut ist, dann muss ich daran Glauben. ... Wieso formulierst du das Wort so um, das verstehe ich nicht?
Dummerweise ist das Verb "glauben" im Deutschen zweideutig. Hier handelt es sich darum, etwas ohne eigene Nachprüfung für zutreffend zu halten (für-wahr-Halten).

(27-10-2016, 14:57)Holmes schrieb: Im Weltanschaulichen Glauben, gibt es doch auch keine Gewissheiten, sonst würde es ja nicht Glaube heißen. Die Leute sind nur Überzeugt davon, aber eine Gewissheit haben sie nicht.
Glaube auf der weltanschaulichen Ebene ist die Haltung, die der Mensch seiner Umwelt und seinen Mitmenschen gegenüber aus innerer Überzeugung einnimmt. Sie wird zwar verinnerlicht, ist aber durch die Gesellschaft erzeugt. Mithin weiß man sehr genau, worin sie besteht, zumindest wenn man danach fragt. Was die Menschheit (oder ihre Teilgesellschaften) als Maxime setzt, ist von vorneherein gewiss. Das hat die Theologie mit den Axiomen der Mathematik gemeinsam: Wie man beispielsweise zählt, wurde vom Menschen (vor langer langer Zeit bereits) festgelegt. Deshalb (und nur deshalb) ist 2 + 2 = 4.

(27-10-2016, 14:57)Holmes schrieb: Wenn es in der Wissenschaft keine Gewissheiten gibt, dann ist das doch auf einer eben ein Glaube, oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Ja, hast du. Denn im Prinzip könntest du nachprüfen, ob die Beschreibung zutrifft oder nicht (Beweis). Dass du es (als Laie) nicht tust, hat mit dem Aufwand zu tun, den man bei manchen Prüfungen naturwissenschaftlicher Beschreibungen brauchte. Beispielsweise kann ich nicht nachprüfen, ob der Nachweis von Gravitationswellen bei LIGO wirklich geglückt ist oder nicht. Aber ich kann Augen und Ohren offen halten für begründetet Kritik. U n d  ich mache daraus keine neue Haltung meinen Mitmenschen gegenüber (Menschen- oder Weltbild).

(27-10-2016, 14:57)Holmes schrieb: Wir könnten eine Unterscheidung zwischen Wissenschaftlichem Glauben machen, der auf Fakten und Beweißen beruht und dem Glauben der Religionen der nicht auf diesen beruht.
Lieber nicht! Weil es bereits in diesen Sätzen zum inneren Widerspruch kommt. Eine Beschreibung, die auf beweisbaren (bzw. widerlegbaren) Fakten beruht, nennt man gemeinhin: 'Wissen'.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#42
Dann befinde ich mich in einem Sprachlichen Grenzfall, denn das was ich mit Wissen meine, kann man nicht mit dieser Definition, als Äquivalent sehen. Für mich ist  absolutes Wissen die 100% Wahrscheinlichkeit und diese wurde und wird nicht gefunden oder?
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#43
Ich merke grade, dass wir in einer Begriffsanalyse enden werden, da ich mich nicht an die Definitionen, der Begriffe, halte. Ich müsste erst Axiomatisch festlegen, wie ich alles Definiere, also ein System schaffen, indem meine Aussagen überhaupt gültig wären, und deswegen lassen wir das lieber. Mit den Allgemeingültigen Definitionen und den von dir gedeuteten Aussagen bin ich auch im Konsens, nur wenn ich die Begriffe umdefinieren würde, dann nicht mehr.
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#44
Einverstanden! Wir müssen wohl immer mal wieder nachfragen, was genau gemeint ist. Ansonsten liegen wir nicht weit auseinander.

Eins zurück zur Wahrscheinlichkeit: Wissen ist nicht davon abhängig, wie wahrscheinlich mehrere mögliche Aussagen über (irgendein) System sind. Man kann dann aber wissen, dass die Aussagen teilweise zutreffen beispielsweise die Haarfarbe von in Mitteleuropa lebenden Menschen.

Und wenn du Gott meinst, dann handelt es sich um einen Konsens im Glauben. Insofern kann Theologie nichts beweisen, was man nicht bereits weiß. Es ist nur die Frage, ob ich mich dem Konsens anschließe oder nicht.

Nur, Sachaussagen über Gott sind unangemessen, sofern jemand sie ehrlich für solche hält. "Eigenschaften" Gottes sind samt und sonders im besten Falle eine Übereinkunft unter Gläubigen, wie von Gott zu reden und zu denken sei. Das kann man wissen, mehr nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#45
Falls das zu meiner Diskussion zur objektiven Moral hilft, dem würde ich hier Geobacters Beiträge empfehlen, denn diese Position, dass bestimmte "Ideen" eben nicht nur Ideen sind, sondern ein menschliches Bedürfniss darstellen, teile ich.

Ein kleines Gedankenexperiment wäre auch dieses:
Man stelle sich vor alle Daten zu naturwissenschaftlichen Untersuchungen gehen auf magische Weise verloren, also Physik, Biologie, Chemie etc. müssen neu entdeckt werden, bzw die naturwissenschaftliche Methode an sich. Es braucht also einen neuen Galileo, Newton, Lavoisier, Lamarck, Darwin und weitere. Nun drücken wir den Knopf der uns in die Zukunft sehen lässt. Wird es nun eine neue Physik geben oder eine neue Chemie oder Biologie? Nein wird es nicht, denn die objektiven Erkenntnise, die wir bis zu diesem Punkt gesammelt haben, werden auch, wenn jedes menschliche Wissen verloren geht, wieder ihre alte Form erreichen, weil diese zusammenhänge eben empirisch hergeleitet wurde. Diese Zusammenhänge sind von keiner Kultur, Weltanschauung oder einer Religion abhängig, deswegen sind sie ja objektiv.

Nun spielen wir das gleiche Spiel, mit der menschlichen Moral oder mit der Menschenwürde. Unsere gesellschaftlichen Verträge und unsere Vereinbarungen gehen auch auf magische Weise verloren und jede Moralphilosophie, die jemals durchdacht wurde exisitiert nicht mehr. Die Menschen vergessen natürlich auch jede Moralvorstellung die sie jemals hatten, damit das Experiment auch funktioniert. Jetzt drücken wir wieder unseren Knopf, der uns in die Zukunft sehen lässt, aber diesmal beobachten wir, dass wir keine Menschenwürde entdecken und jegliche moderne Moral ist natürlich verloren gegangen, denn ein neuer Hitler ist an der Macht und der hat es geschafft die Gesellschaft zu unterdrücken und die Gesellschaft hat sich dem Willen dieses Tyrannen gebeugt. Wir drücken den Knopf noch einmal weiter, denn etwas kann nicht stimmen. Nun entdecken wir wieder die Menschenwürde, denn die Menschen haben nach etlichen Kriegen und etlichen Tyrannen verstanden, dass sie nur mit diesem Konzept eine friedliche Zukunft schaffen können.

Ich würde euch bitten dieses Gedankenexperiment in eurer Weise durchzuspielen und mir sagen auf welches Ergebnis ihr kommen würdet. Würdet ihr auf ein Ergebnis kommen bei dem es eine komplett neue Moral gibt, also die Subjektivität der Moral eindeutig die Oberhand ergriffen hat, oder könnte es sein, dass das menschliche Bedürfnis ein solches Szenario verhindert.

Für mich ist die Sache klar. Selbst Zivilisationen, die abgetrennt von unseren Wertevorstellungen leben, werden, wenn sie sich weit genug entwickeln, eine ähnliche Moralvorstellung entwickeln und deswegen sehe ich hier eindeutig ein weiteres Argument für die Behauptung von Sam Harris und in diesem Fall auch Geobacter.
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