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Kann die Wissenschaft moralische Werte festlegen?
#16
(05-01-2019, 14:09)Ulan schrieb: Ich sehe hier eigentlich eher eine Bestaetigung fuer Humes Gesetz. Ich kann naemlich nicht erkennen, wie Du hier von A nach B gekommen bist; oder Du benutzt eine mir unbekannte Definition von "Moral".

Ich leite eine Sollensaussage aus Biologie, Psychologie etc. ab, etwa, dass Menschen das innere bestreben haben zu überleben. Du sollst überleben stellt also sozusagen ein Grundaxiom dar. Jetzt habe ich kein Ist- aus einem sollen, sondern ein sollen aus einem sollen. 

Das A nach B ist das sollen, dass ich nicht explizit hervorgehoben habe, also das ist der moralische Wert. Wenn wir von Menschenwürde oder anderen Dingen sprechen, denen wir einen hohen Wert zusprechen, dann ist das auch in der Form: Du sollst die Menschenwürde achten, wenn nicht, dann bist du unmoralisch. Hier ist meine Aussage du sollst überleben, weil eben das innere bestreben dazu besteht und wir daraus ein Axiom bilden könnten. Das ist jetzt noch nicht konsistent, aber die Frage dreht sich ja nur darum, ob so etwas überhaupt plausibel wäre. 

Geobacters Beitrag sehe ich auch als wichtig an, denn wie er treffend sagt, ist die Naturwissenschaft nicht bestechlich und offensichtlich kann man auch unmoralische Werte durch Systeme bekommen, die zu abgekoppelt sind von dieser Unbestechlichkeit, deswegen könnte es eine Überlegung Wert sie, wie man sie darauf aufbauen könnte. 

Das Beispiel der Medizin würde ich gerne auch nochmal erläutern. Die Medizin ist wie oben erwähnt eine objektiv relativistische Wissenschaft, denn in 200 Jahren, wenn wir alle eine größere Lebenserwartung haben werden, wird sich auch eine neue Perspektive der Gesundheit offenbaren. Auch wenn die Medizin sich anpassen muss, ist die Unterscheidung von einem Gesunden und einem toten Menschen eine sehr klare objektive Sache, auch wenn das Konzept der Gesundheit sehr relativ ist. 

Wenn wir Moral weiter als Konzept sehen, dass völlig subjektiver Natur ist und das sich nur philosophisch ableiten lässt, dann müsste man sich fragen, auf welcher Basis man andere Länder und Sitten für ihre Moral verurteilen könnte. Wenn in manchen islamischen Ländern etwa die Beschneidung der Frau erlaubt ist, wieso sollte dies dann für uns moralisch gesehen falsch sein? Ich denke wir können bei vielen Dingen ganz deutlich sehen, dass wir sie als Gesellschaft nicht akzeptieren können, deswegen denke ich, dass die Idee von Sam Harris - Moral auch auf einem System von Wohlbefinden aufzubauen, eine sehr gute ist. Sind moralische Werte wirklich nur eine Gesellschaftliche Vereinbarung und ist Hitler nur von einem relativen Standpunkt von heute aus ein unmoralischer Mensch gewesen?

Ich denke nicht das jede Kultur eine äquivalente Moralvorstellung der unseren gehabt hat und deswegen denke ich, dass es besser wäre, klarzustellen, dass es richtig und falsche Antworten in moralischen Fragen gibt. Es ist möglich für eine Gesellschaft und Kultur sich um die falschen Sachen zu sorgen und sich auf das falsche zu konzentrieren. Genau wie in den Wissenschaften gibt es eben Ignoranz in Form von Verschwörungstheorien, Mondlandungs-Leugern, Impfgegner und Flacherdlern nur eben in den Moralvorstellungen.
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#17
Die Wissenschaft kann keine moralischen Werte festlegen. Sie kann jedoch moralische Werte zu ihrem Untersuchungsgegenstand machen und etwa danach fragen, woher diese kommen oder welchen Zweck die Fähigkeit des Menschen zu Moral für seine Geschichte hatte/hat.

Daneben könnne Erkenntnisse der Wissenschaft zu Bekräftigungen oder Abschwächungen von bestehenden Moralvorstellungen führen. Dies ist dann jedoch kein Werk der Wissenschaft, sondern anderer Instanzen (die eigenen Person, Religionen, Interessensverbände etc.).
Wissenschaft wertet nicht nach moralischen Kategorien ("Gut" vs. "Böse") und kann daher nicht Ursprung für Moralvorstellungen sein.

Es sei auch noch darauf hingewiesen, dass der Begriff "Moral" uneinheitlich genutzt wird. So unterscheide ich eigentlich zwischen Moral und Ethik. Während ersteres Werte vorgibt, ohne sie vernünftig zu begründen, fragt letzteres immer nach den Auswirkungen von Handlungen auf andere. Ist eine Handlung nicht schädlich für jemand anderen (Mensch, Umwelt, Tiere...) ist sie als ethisch legitim zu bewerten, auch wenn andere Menschen dies vielleicht als unmoralisch empfinden (aufgrund von Erziehung, Prägung, Religion etc.).
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#18
(06-01-2019, 18:07)Gundi schrieb: Die Wissenschaft kann keine moralischen Werte festlegen. Sie kann jedoch moralische Werte zu ihrem Untersuchungsgegenstand machen und etwa danach fragen, woher diese kommen oder welchen Zweck die Fähigkeit des Menschen zu Moral für seine Geschichte hatte/hat.

Daneben könnne Erkenntnisse der Wissenschaft zu Bekräftigungen oder Abschwächungen von bestehenden Moralvorstellungen führen. Dies ist dann jedoch kein Werk der Wissenschaft, sondern anderer Instanzen (die eigenen Person, Religionen, Interessensverbände etc.).
Wissenschaft wertet nicht nach moralischen Kategorien ("Gut" vs. "Böse") und kann daher nicht Ursprung für Moralvorstellungen sein.

Es sei auch noch darauf hingewiesen, dass der Begriff "Moral" uneinheitlich genutzt wird. So unterscheide ich eigentlich zwischen Moral und Ethik. Während ersteres Werte vorgibt, ohne sie vernünftig zu begründen, fragt letzteres immer nach den Auswirkungen von Handlungen auf andere. Ist eine Handlung nicht schädlich für jemand anderen (Mensch, Umwelt, Tiere...) ist sie als ethisch legitim zu bewerten, auch wenn andere Menschen dies vielleicht als unmoralisch empfinden (aufgrund von Erziehung, Prägung, Religion etc.).

Eine Erklärung warum ich denke, dass Wissenschaft genau dies kann hab ich gegeben, wenn du Zeit hast, dann kannst du dir das gerne anschauen. Deine Meinung zu Sam Harris und seiner Moral würde mich auch interessieren.
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#19
(06-01-2019, 12:51)Holmes schrieb: Ich leite eine Sollensaussage aus Biologie, Psychologie etc. ab, etwa, dass Menschen das innere bestreben haben zu überleben. Du sollst überleben stellt also sozusagen ein Grundaxiom dar. Jetzt habe ich kein Ist- aus einem sollen, sondern ein sollen aus einem sollen. 

Aber wie kommst du denn zu der Aussage "Du sollst überleben"? Aus der Biologie geht doch lediglich hervor, dass Organismen danach bestrebt sind, ihr Leben zu erhalten (Selbsterhaltungstrieb). Daraus folgt doch aber keine Sollaussage. Und wer sollte diese auch aufstellen?

(06-01-2019, 12:51)Holmes schrieb: Wenn wir Moral weiter als Konzept sehen, dass völlig subjektiver Natur ist und das sich nur philosophisch ableiten lässt, dann müsste man sich fragen, auf welcher Basis man andere Länder und Sitten für ihre Moral verurteilen könnte.

Es gibt keine übergeordnete Moral. Gesellschaftliches Miteinander wird immer neu ausverhandelt und ändert sich durch neues Wissen, neue Impulse, neue Forderungen der Mitglieder.
Von einem ethischen, rationalen und empathischen Standpunkt aus, kann Gewalt aufgrund von religiösen Märchen aber natürlich kritisiert werden.

(06-01-2019, 12:51)Holmes schrieb: Wenn in manchen islamischen Ländern etwa die Beschneidung der Frau erlaubt ist, wieso sollte dies dann für uns moralisch gesehen falsch sein?

ot: Leider ist die Verstümmulung von Genitalien auch in Deutschland seit 2012 erlaubt, zumindest bei Jungen.

(06-01-2019, 12:51)Holmes schrieb: Sind moralische Werte wirklich nur eine Gesellschaftliche Vereinbarung und ist Hitler nur von einem relativen Standpunkt von heute aus ein unmoralischer Mensch gewesen?

Ja. Es sei denn man leitet Moral von Gott oder einer anderen übergeordneten Größe ab. Für religions- und ideologiefreie Menschen kann es jedoch keine übergeordnete Moral geben, da es niemanden gibt, der diese verbindlich festsetzt.

(06-01-2019, 12:51)Holmes schrieb: und deswegen denke ich, dass es besser wäre, klarzustellen, dass es richtig und falsche Antworten in moralischen Fragen gibt.

Und welche Instanz legt die "richtige" Moral fest?
Natürlich können wir ethisch argumentieren oder vernunftbasiert (bzw. sollte man sogar). Wir können aber nie mit der Absolutheit einer mathematischen Gleichung Werte vorgeben.
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#20
(06-01-2019, 12:51)Holmes schrieb: Wenn wir Moral weiter als Konzept sehen, dass völlig subjektiver Natur ist und das sich nur philosophisch ableiten lässt, dann müsste man sich fragen, auf welcher Basis man andere Länder und Sitten für ihre Moral verurteilen könnte.

Ganz einfach auf Basis der Moral, zu der man selber steht.

Solch "wissenschaftliche" Herleitungen können m.E. nie funktionieren, letztlich scheitern sie immer an Humes Gesetz.

Hast du für meine obige Frage noch eine Antwort?
Glaubst du wirklich, dass dieser Weg mit humanistischen Werten zu vereinbaren wäre?

Und noch weiter gedacht: Wie sollte sowas denn in der Praxis aussehen?
Ich nehme an, da gäbe es erstmal verdammt viele Daten über Leiderfahrungen zu sammeln, die dann nach einem Algorithmus ausgewertet werden.
Aber nach welchem?
Egal, wo man da ansetzt, es läuft immer wieder darauf hinaus, dass Menschen gemäß ihrer Gesinnung urteilen.
Humes Gesetz gilt nicht bloß 'ganz am Anfang' oder gar 'im Abstrakten', sondern ganz konkret immer wieder.


Als ich damals diesen Thread eröffnet habe, hatte ich mich genauer mit Harris befasst (und ihm auch eine Antwort geschickt).
Ich sehe das so: 
Erst kommt er mit der hammermäßigen Aussage, dass Wissenschaft  moralische Werte bestimmen kann, und er weiß wie es geht.
Er fordert also erstmal durchaus Humes Gesetz heraus.
Dann aber rudert er in seiner ganzen Argumentation immer weiter zurück, und versucht überall Hume zu 'umschiffen'.
Letztlich bleibt da nichts übrig als seine eigene atheistisch-humanistische Einstellung, die als solche völlig in Ordnung ist.
Das Problem ist nur, dass er versucht, sich das Schleifchen 'wissenschaftlich' und 'objektiv' umzubinden.
Und das gelingt ihm zu keiner Zeit.
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#21
(06-01-2019, 22:40)Gundi schrieb:
(06-01-2019, 12:51)Holmes schrieb: und deswegen denke ich, dass es besser wäre, klarzustellen, dass es richtig und falsche Antworten in moralischen Fragen gibt.

Und welche Instanz legt die "richtige" Moral fest?
Natürlich können wir ethisch argumentieren oder vernunftbasiert (bzw. sollte man sogar). Wir können aber nie mit der Absolutheit einer mathematischen Gleichung Werte vorgeben.

Genau dieses vernunftbasierend ist hier der Knackpunkt. Siehe meinen letzen Beitrag zu Ekkard beim Naturalismus Thema. Ich denke du hast auch schon genau das richtige Beispiel gebracht, nämlich Mathematik. Die Mathematik hängt von Axiom ab, also von erfahrungsgemäßen Vornahmen, aus denen man dann ein solches System bilden kann. Wir tun bei der Moral nichts anderes oder auch in unserem Rechtssystem wir bestimmen Axiomatisch, welche Werte oder Moral wir für richtig halten, denn Menschenwürde stellt sozusagen eines dieser Axiome dar. Nun stellt sich mich die Frage woher bekommen wir die Menschenwürde, wenn nicht erfahrungsgemäß an unseren Werten, die uns Biologisch vorgegeben zu scheinen? Wie hat sich die Menschheit zu dieser Menschenwürde entwickelt, denn ich denke nicht, dass wir hier von naiver reiner gesellschaftlicher Vereinbarung sprechen können. Ich denke hier spielt die Biologie eine sehr große Rolle und nicht nur die Kulturelle Entwicklung, denn das Bedürfnis der Menschen weniger Leid zu erfahren denke kann man hier ganz genauso erfahrungsgemäß Begründen. 

Das Axiom, dass Sam Harris wählt, ist nämlich das sich fast alles menschliche Handeln darauf reduzieren lässt, dass man weniger Leid erzeugen will, nämlich das der Mensch intrinsisch, das Verlagen dazu hat, eben Biologisch begründet, dies zu erfüllen. 

Ich denke eben nicht, dass wie Mustafa schreibt, man es immer relativ zu seiner eignen Moral sehen muss, denn eben der große Knackpunkt ist DAS Erfahrungsgemäß und wir wissen Erfahrungsgemäß, was passiert, wenn wir die Menschenwürde nicht achten --> es führt zu Leid, deswegen kann man sich Erfahrungsgemäß mit anderen Menschen auch auf dieses Axiom einigen. 

Ich denke auch hier wird viel zu sehr Wert auf Humes Gesetz gegeben, denn hier wird ein Doppelstandard angewendet, den ich in meinen Beiträgen davor beschrieben habe. Ich und du Mustafa wissen, dass philosophisch gesehen die Wissenschaft keinen objektiven Fakt über die Welt liefern kann, denn der Laplacesche Dämon könnte uns regieren. Erkenntnistheoretisch sind alle Ansammlungen Naturwissenschaftlicher und jeglicher anderer empirischer Daten, philosophisch gesehen, subjektiver Natur, denn wir stützen uns auf Prämissen, Vorannahmen oder Axiome, trotzdem haben wir eine Methode nämlich die Naturwissenschaftliche, die uns objektiv erscheinen lässt und sie funktioniert! Wenn es keine a priori Erkenntnis gibt, wie in dem Naturalismus Beitrag mit Ekkard ausdiskutiert, wieso sollten wir uns dann überhaupt an Humes Gesetz wenden? Allgemein hin kann es nur noch, wie ich auch durch Ekkard darauf gekommen bin, einen praktischen Wert haben, also einen erfahrungsgemäßen Wert, der abgekoppelt ist von dieser Vorstellung, dass wir Moral nur auf einer von der Erfahrung abgekoppelten Art bestimmen können, nämlich die der subjektiven Natur.

Ich denke es ist auch kein gewaltiger Schritt, sondern ist eher der Art Ideologie die Gundi dieser Methode zuschreibt, gleicher ideologischer Art müsste die Naturwissenschaft sein, ich sehe hier wieder einen Doppelstandard. Dieser ethische rationale Standpunkt und der sich aufgrund des Wissens ändert Gundi, genau das ist die erfahrungsgemäße Methode die ich beschreibe. Die Axiome der Naturwissenschaft passen sich auch dem Standpunkt der objektiven Fakten an die wir durch sie gesammelt haben, deswegen wird das bei der Moral nicht anders laufen, denn deren Axiome werden sich auch an die Daten anpassen, es ist also keine absolute Moral, die über allem steht, sondern einfach eine neue sparte der Wissenschaft. 

Zu Mustafa:

Wie das in der Praxis aussehen soll stelle ich mir ganz einfach vor, denn die Welt ist schon längst am Forschen, viel mehr braucht es nicht. Die Medizin hat das übergeordnete Prinzip der Gesundheit, die Moralwissenschaft, wird das Prinzip der Leidverminderung inne wohnen und wird sich natürlich an Daten, Messergebnisse etc anpassen. Eigentlich ist es sogar eine Erweiterung der sparte Medizin nur eine Vermischung aus Medizin, Psychologie, Neurologie, Biologie etc. ich sehe hier kein Problem. 

Dein nächstes Argument war, dass es darum gehen würde Humes Gesetz zu umschiffen. Tun wir das nicht bei bei jeder objektiven Wissenschaft? Also jetzt nicht Humes Gesetz, sondern ich spreche hier Allgemein, dass wie Ulan auch in meinem Naturalismus-Thema geschrieben hat, sich die Naturwissenschaft nicht darum schert und keine Legitimation von einer Erkenntnistheorie heraus brauch, wieso sollte man sich also um Humes Gesetz scheren? Ist Humes Gesetz nicht also auch erkenntnistheoretischer Art? Ist ein Richter der wie von Geobacter beschrieben wurde, der unbestechlich und wissenschaftliche Objektiv bleiben, nicht besser als ein Richter subjektiver relativistischer Natur? Sollten wir hier nicht den praktischen Wert vorziehen? Genau wie wir es in den Naturwissenschaften auch tun? Die Naturphilosophie von damals war auch relativistischer Natur, aber der Naturwissenschaftliche erfolg lässt sich nicht mehr klein Reden. 

Jetzt würde ich zu meinem letzten Argument kommen, dass hier überall auch eingeflossen ist. Den Wert der praktischen Natur, der in jede Naturwissenschaft eingebettet ist. Wenn in diesem Beitrag von Humes Gesetz geschrieben wird, dann sehe ich die parallelen zum Nihilismus und auch die parallelen dazu, dass man hier auf eine Glaubensblockade stößt. Wenn wir jetzt nur mal den praktischen Wert abschätzen den Humes Gesetz uns liefert, dann kann ich leider keinen erkennen, außer den, dass man philosophisch subjektivieren wird, wie ich es gern nenne. Was nützt es mir zu subjektivieren, wenn ich trotzdem den Teilchenbeschleuniger im Cern bauen kann? Richtig. Nichts. Ich habe schon öfter in privater Nachricht mit Ekkard darüber geschrieben, ob es eine andere Methode geben kann, die nicht der Art von Praxis oder Nützlichkeit her ist, deswegen auch meine ganzen Fragen bezüglich Naturalismus und a priori und a post., denn es macht für mich logisch gesehen absolut keinen Sinn bei der Moral nihilistisch vorzugehen und hier einen Doppelstandard anzuwenden. Dieses Argument würde ich auch gerne von euch entkräftet haben, besonders falls die Naturwissenschaftler in diesem Forum dieses Argument sehen, also Ulan, Ekkard oder auch jemand der gerne seine Naturwissenschaftliche Sicht dazu beschreiben will, sonst denke ich kann man als Naturwissenschaftler nur gegen sich selber argumentieren.
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#22
(07-01-2019, 11:06)Holmes schrieb: Wenn wir jetzt nur mal den praktischen Wert abschätzen den Humes Gesetz uns liefert, dann kann ich leider keinen erkennen, außer den, dass man philosophisch subjektivieren wird, wie ich es gern nenne.

Bei der Anwendung von Humes Gesetz geht es nicht um 'Nützlichkeit', sondern schlicht um Logik.
Solange der Anspruch erhoben wird, dass moralische Werte ('Soll') aus Fakten ('Sein') abgeleitet werden können, greift der logische(!) Widerspruch.
Und das kann auch nicht mit dem Argument 'alle Erkenntnis ist letztlich a posteriori' weggewischt werden.

Letztlich geht es hier um ein weltanschauliches Postulat, bei dem ein Konstrukt aus wissenschaftliche Methodik und deren Deutung den Platz einnehmen soll, den jetzt humanistische bis religiöse Werte inne haben. M.E. läuft das in Richtung radikaler Utilitarismus.
Man kann sowas vertreten, es ist aber keine 'objektive' Sicht. Ich bleibe lieber bei humanistischen Werten von Menschenwürde, usw., und bezweifle deren Vereinbarkeit mit diesem Utilitarismus.
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#23
(07-01-2019, 15:03)Mustafa schrieb: Bei der Anwendung von Humes Gesetz geht es nicht um 'Nützlichkeit', sondern schlicht um Logik.
Solange der Anspruch erhoben wird, dass moralische Werte ('Soll') aus Fakten ('Sein') abgeleitet werden können, greift der logische(!) Widerspruch.
Und das kann auch nicht mit dem Argument 'alle Erkenntnis ist letztlich a posteriori' weggewischt werden.

Letztlich geht es hier um ein weltanschauliches Postulat, bei dem ein Konstrukt aus wissenschaftliche Methodik und deren Deutung den Platz einnehmen soll, den jetzt humanistische bis religiöse Werte inne haben. M.E. läuft das in Richtung radikaler Utilitarismus.
Man kann sowas vertreten, es ist aber keine 'objektive' Sicht. Ich bleibe lieber bei humanistischen Werten von Menschenwürde, usw., und bezweifle deren Vereinbarkeit mit diesem Utilitarismus.

Das ist eben mein großer Kritikpunkt. Schlichte Logik funktioniert vielleicht bei Mathematik, denn Mathematik kümmert sich nicht um die Realität, aber wenn es um Fragen der Realität geht, dann hilft eben schlichte Logik nicht weiter. Mir fehlt hier auch der Bezug dazu, wie du darin einen direkten logischen Widerspruch siehst? Dann müsste unsere Weltsicht über objektive Fakten auch ein direkter logischer Widerpruch sein, denn objektive Fakten über das wahre Wesen gibt es eben nicht, es gibt keine absolut Aussagen in der Naturwissenschaft. Akzeptieren wir objektive Fakten der Naturwissenschaften trotzdem? Ja! Warum? Weil die Erkenntnistheorie mir auch noch so oft sagen kann, dass ich keine Gewissenheiten erlangen kann, die Methode funktioniert trotzdem, weil sie auf Grundannahmen fußt, die sich an der empirischen Methode ausrichten. Mein Beitrag zu Ulan im Naturalismus Thema und seine Antworten dazu unterschreichen diese Problematik nochmal ganz deutlich.

Nochmal und um mein Argument deutlicher zu machen, hier geht es nicht um Utillitarismus, denn die Gesellschaft soll sich nicht darauf einigen, dass wir uns alle um einander Sorgen und uns das Axiom: Leid, nur deswegen annehmen, weil wir alle nett zueinander sein wollen. Nein. Darum geht es nicht. Es geht darum intrinsiche biologische Fakten zum Menschen zu untersuchen und daraus ein Axiom abzuleiten, dass sich genau daran orientiert und ich denke das Konzept "Leid" stellt hier einen guten Anfang dar. Wie es in der Wissenschaft üblich sein wird, wird dieses Axiom kein Absolutheitsanspruch haben, sondern kann sich weiter daran messen, was sich beim forschen ergibt. So funktionieren die anderen Naturwissenschaften auch und ich denke hier sollte man auch so ansetzten.

Ich kann leider auch nicht nachvollziehen, wieso der Trend, dass eine Moral subjektiver Natur ein besseres Konzept darstellen sollte, als eine Moral die sich auf die Unbestechlichkeit der Wissenschaft einlassen würde. Ich kann auch nicht nachvollziehen, wie du hier von Weltanschauung sprechen kann, wenn religiöse bzw. humanistische Werte eben genau die Brut dieser Ideologischen bzw. Weltanschaulichen Ideen sind. Ich würde genau von dem Gegenteil sprechen, denn die Moraltheorie von der ich spreche, soll ja eben nicht auf subjektiver Natur agieren, sondern auf empirisch messbaren Daten. Wo genau siehst du hier weltanschauliche bzw. Ideologische Einflüsse?
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#24
Ich denke hier wird auch die Annahme akzeptiert, dass sollens- Aussagen weder aus analytischen noch aus empirischen Schlussfolgerungen abgeleitet werden können? Humes annahme, dass weder analytische bzw. empirische Forschung sollens- Aussagen postulieren dürfen führt logisch gesehen nichtmal zu seinem Gesetz, bzw ist es dann falsch formuliert, denn wie sollen denn von Ist-Aussagen Sollens-Aussagen abgeleitet werden, wenn Sollen's Aussagen nichteinmal exisitieren? Wenn keine unserer bekannten Erkenntnismethoden Sollen's Aussagen im nachhinein produzieren können, dann ist seine Aussage selbst ein logischer Fehlschluss. Wenn er schon die existenz von Sollens-Aussagen auschließt, dann wird mir auch schon klar, wieso man sie nicht ableiten kann, weil es unmöglich ist überhaupt eine zu produzieren.
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#25
Mustafa hat doch auf das Grundproblem hingewiesen. Die Ableitung von Moral aus der Biologie ist nicht moeglich, da man so auch ausgpesproche utilitiaristisch argumentieren kann. Z.B. waere es doch weitaus vorteilhafter fuer die Gesellschaft als Ganzes, Kranke, Alte und Leute, die keinen Nutzen fuer die Gesellschaft darstellen, zu toeten. Leid kann man vermeiden, indem man das vollkommen schmerzlos macht. Es gibt ja durchaus Gesellschaften, die so wenig Ressourcen zur Verfuegung haben, dass das dort praktiziert wird (Eskimos z.B.). Als Folge haette man sehr viel mehr Ressourcen fuer nuetzliche Dinge uebrig. Welches objektiv ableitbare Prinzip wuerde dem entgegenstehen?
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#26
(07-01-2019, 18:23)Ulan schrieb: Mustafa hat doch auf das Grundproblem hingewiesen. Die Ableitung von Moral aus der Biologie ist nicht moeglich, da man so auch ausgpesproche utilitiaristisch argumentieren kann. Z.B. waere es doch weitaus vorteilhafter fuer die Gesellschaft als Ganzes, Kranke, Alte und Leute, die keinen Nutzen fuer die Gesellschaft darstellen, zu toeten. Leid kann man vermeiden, indem man das vollkommen schmerzlos macht. Es gibt ja durchaus Gesellschaften, die so wenig Ressourcen zur Verfuegung haben, dass das dort praktiziert wird (Eskimos z.B.). Als Folge haette man sehr viel mehr Ressourcen fuer nuetzliche Dinge uebrig. Welches objektiv ableitbare Prinzip wuerde dem entgegenstehen?

Und ich habe dem Grundproblem jetzt mehrere Argumente entgegengestellt auf die ihr gerne direkt eingehen könnt, denn für mich stellt das eben kein Problem dar. Inwiefern mindert, dass das Leid der Gesellschaft alte und kranke zu töten, dass würde ich gerne verstehen? Ich glaube nicht, dass du das Prinzip verstanden hast, denn das Axiom des Leidens funktioniert nicht wie schon oben öfter erwähnt, als moralisches Oberhaupt, wie bei einem religiösen führer, sondern Orientiert sich an der Wissenschaft und ich denke unsere Technik und unser Fortschritt ist weit genug, damit wir eben kein Leid vermindern, indem wir alte kranke schwache oder andersweitig behinderte Menschen töten und das lässt sich auch leicht nachweisen. Unsere Gesellschaft ist eben fortschrittlich genug, dass eben nicht das Leid vermindern würde, sondern es eben behindern würde. Was du auch nicht verstanden hast, ist das Sam Harrises Moraltheorie eben auch funktioniert für eine kleine Eskimo Gesellschaft, denn wenn es wirklich das Leid nachweislich vermindert, dass man sich hier den kranken entledigt, dann ist dies natürlich aus der Situation der Eskimos zu betrachen, die keine andere Möglichkeit hatten. Es geht hier ja darum die faktischen Konsequenzen abwägen zu können und dies tut man eben, wenn man sich einer Moraltheorie belehrt, die einem das möglich macht. Auch habe ich schon oben argumentiert, dass diese Art von Moral gar nicht Utilitaristisch sein kann, weil sie kein ideal hat oder ein ideologisches Prinzip auf dessen sie aufgebaut wird, weil eben die Axiome veränderbar sind je nach Forschungsergebnissen. Es würde also davon abhängen nach welchem bestreben sich die Biologie des Menschen ausrichtet. Ich finde es auch sehr naiv anzunehmen und davon auszugehen, dass der Mensch biologisch gesehen absolut neutral auf die Erde kommt, also keine biologischen Indikatoren dafür hat, was für ihn gut oder schlecht ist. Eben dieses Grundaxiom, dass die Biologie eines Menschen indikatoren dafür hat eine Moral aufzubauen. Diese subjektive Art von Moral deren wir uns jetzt bedienen die an einen Gesellschaftsvertrag gebunden ist, ist doch nichts anderes als ein Gesellschaftsvertrag den die Religion mit Gott abschließt. Mein einziges anliegen ist, dass man sich für die Idee aufschließt, dass dieses Grundaxiom, nämlich dass die Biologie uns eben doch eine Richtung weisen kann und das tut sie so oder so, denn beim abschließen dieses Gesellschaftsvertrages wird doch genau dies benutzt.

Nächstes Argument: Der Gesellschaftsvertrag der subjektiver Art zustande kommt, ist eine Ansammlung von den Interessen und persönlichen Präferenzen aus unserer Gesellschaft. Nun, ist es nicht bisschen naiv anzunehmen, dass diese Gesellschaftsverträge fernab von jeder biologischen Indikation stattfinden? Ist Menschenwürde nur so eine dahergelaufene Idee, die sich aus einem Gesellschaftsvertrag ergibt? Ich denke ehrlich gesagt, das ist sehr wahrscheinlich nicht der Fall, denn ich sehe nicht wie das menschenunwürdige Nazi-Regime hier einen Äquivalenzposten in Sachen ihrer Moral beziehen kann. Falls weitere Gegenbeispiele gegen diese Art von Moraltheorie jemanden einfallen, kann er sie gerne aufbringen und ich kann weiter erläutern, warum ich denke, dass dies kein Argument dagegen sein kann.
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#27
Ich denke auch das Grundproblem bezieht sich gar nicht mehr auf meine Argumente, sondern eher darauf, dass denen von vornerein keine Beachtung geschenkt wird, weil man davon ausgeht, dass die Moral niemals objektiver Natur sein kann, also eine Art unhinterfragte Idee, die sogar fast auf einer Art Ideologisch ist, weil sie allgemeinhin akzeptiert ist in der Gesellschaft, aber ich denke hier muss man erstmal wieder ein Stück zurück von seinen Annahmen gehen und sich erstmal auf die Idee einlassen. Ich werde auch probieren, je nach dem wie viel Zeit mir bleibt, meine Gedanken etwas präzieser zu formulieren, denn so einfach wie ihr das Problem zu lösen versucht, denke ich ist es nicht. Es ist mir auch klar, dass für euch kein Problem darin besteht, wenn es überhaupt kein Problem gibt, aber ich denke das Problem ist nicht damit zu lösen, dass man von Anfang an alle Lösungsmöglichkeiten ausschließt. Humes Gesetz ist eben jenes, ein Ausschließung der Problemstellung. Wenn keine Sollensaussagen von analytischer oder empirischer Seite aus abgeleitet werden können, dann brauche ich mich nicht wundern, wenn die Biologie keine Sollen's machen, denn wie auch? Sie sind doch von Anfang an Verboten, deswegen denke ich eher das Humes Gesetz hinderlich ist, weil es keine logische Schlussfolgern ist, sondern ein widersprüchliches Axiom und widersprüchliche Axiome haben keinen Wert, weder in der Mathematik oder sonst in irgendeiner anderen analytischen Wissenschaft.
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#28
Vielleicht mal ein Beispiel:

Die Biologie stellt fest, dass Menschen Leid empfinden. Wie genau soll dann der logische Schritt der Biologie sein, die Moralvorstellung abzuleiten, dass Menschen kein Leid erfahren dürfen?
Mir ist einfach die Schlussfolgerung dessen nicht schlüssig.
Und vor allem: Solch eine Schlussfolgerung trifft doch nicht die Biologie, oder? Sie wird von Philosphen, Theologen etc. getroffen.
Und sie ist auch nicht absolut. Genauso könnte man meinen, alle Menschen kurz und schmerzlos zu töten sei am besten, weil sie dann kein weiteres Leid erfahren müssen. Und sterben müssen sie sowieso irgendwann. Oder man könnte sagen, Leid gehört nun mal zum Leben dazu und man brauch da auch nix zu machen.
Aber all diese Aussagen wären schon wieder keine biologischen mehr. Naturwissenschaften untersuchen Prozesse. Sie können als Disziplin selbst keine Werte geben. Lediglich die Ergebnisse der Naturwissenschaften können bei ethischen Fragestellungen berücksichtigt werden.
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#29
(07-01-2019, 18:23)Ulan schrieb: Mustafa hat doch auf das Grundproblem hingewiesen. Die Ableitung von Moral aus der Biologie ist nicht moeglich, da man so auch ausgpesproche utilitiaristisch argumentieren kann. Z.B. waere es doch weitaus vorteilhafter fuer die Gesellschaft als Ganzes, Kranke, Alte und Leute, die keinen Nutzen fuer die Gesellschaft darstellen, zu toeten.

Vor allem sind Fragen nach Nutzen und Unnutzen für eine Gesellschaft keine biologischen. Sie sind schlicht nicht Untersuchungsgegenstand dieser Disziplin.
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#30
(07-01-2019, 19:53)Gundi schrieb: Vielleicht mal ein Beispiel:

Die Biologie stellt fest, dass Menschen Leid empfinden. Wie genau soll dann der logische Schritt der Biologie sein, die Moralvorstellung abzuleiten, dass Menschen kein Leid erfahren dürfen?
Mir ist einfach die Schlussfolgerung dessen nicht schlüssig.
Und vor allem: Solch eine Schlussfolgerung trifft doch nicht die Biologie, oder? Sie wird von Philosphen, Theologen etc. getroffen.
Und sie ist auch nicht absolut. Genauso könnte man meinen, alle Menschen kurz und schmerzlos zu töten sei am besten, weil sie dann kein weiteres Leid erfahren müssen. Und sterben müssen sie sowieso irgendwann. Oder man könnte sagen, Leid gehört nun mal zum Leben dazu und man brauch da auch nix zu machen.
Aber all diese Aussagen wären schon wieder keine biologischen mehr. Naturwissenschaften untersuchen Prozesse. Sie können als Disziplin selbst keine Werte geben. Lediglich die Ergebnisse der Naturwissenschaften können bei ethischen Fragestellungen berücksichtigt werden.

Keiner deiner Antworten betrifft meine Behauptungen, denn weder behaupte ich, dass es biologisch gesehen eine absolute Moral gibt noch behaupte ich, dass man diesem Axiom dann folgen müsste. Meine Behauptung ist, dass man biologisch festellen kann, dass der Mensch etwa ein Bedürfnis hat zu überleben und das einzige Axiom das du hier ziehen musst, ist das dieses Bedürfnis deine Sollaussage herstellen soll. Das Axiom ist hier dein logischer Schluss der dir fehlt, eben weil ich keine objektive Moral die Gottgegeben erschaffen will, will ich ein Axiom setzen, dass eben abhilfe schafft für diesen logischen Schritt. Ich kann auch nicht sehen woher Naturwissenschaftler ableiten können, dass wir nicht in einem 10-Dimensionalen Computerprogramm leben, dass von Aliens gesteuert wird und ein spaß für deren ihre Kinder ist, deswegen haben Naturwissenschaftler auch das Axiom, dass sie an der Wirklichkeit forschen können und objektive Fakten daraus herleiten können. Logisch kann man eben nicht herleiten, dass wir nicht in einer Matrix leben, deswegen brauchen wir Axiome die uns dabei abhilfe schaffen. Logisch gesehen kann ich keine Soll Aussage ableiten, deswegen das Axiom, dass mit dabei abhilfe schafft. Ich hoffe das ist jetzt klarer?
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