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Kann die Wissenschaft moralische Werte festlegen?
#61
(14-01-2019, 00:43)Holmes schrieb: Darf ich dich Fragen, wenn die Welt für dich nur materiell ist, also nur empirisch begründbar ist, wieso du für eine Philosophie plädierst, die eben nicht von einer materiellen Welt ausgeht, sondern für die z.B Prozesse wie das Bewusstsein nur durch einen Geist begründbar sind? 

Ich weiß nicht, wie du darauf kommst. Ich habe sicherlich nirgendwo etwas derartiges geschrieben.

(14-01-2019, 00:43)Holmes schrieb: Wenn für dich jedes tun vom Menschen einen biologischen Ursprung hat, wo siehst du dann das Problem?

Ich beziehe mich in meinen Äußerungen auf den Threadtitel. Mir scheint jedoch, du magst etwas ganz anderes diskutieren.

(14-01-2019, 00:43)Holmes schrieb: Wozu Moral philosophisch und Biologisch betrachten, wenn es nur empirisch begründbare Erkenntnis gibt?

1. Nicht jeder akzeptiert eine materialistische Sichtweise. Wer dies nicht tut, kann Moral völlig anders begründen.

2. Die Biologie (als Wissenschaft) liefert keine Moral. Also braucht es andere Disziplinen, die die Erkenntnisse ordnen und "Moralvorschläge" machen.

(14-01-2019, 00:43)Holmes schrieb: Wenn Erkenntnis nur materiell begründet werden kann, dann muss die Moral doch auch materiell begründet werden, also eben durch die Naturwissenschaften?

Natürlich. Das der Mensch sich Moral setzt, kann sehr wohl naturwissenschaftlich begründet werden.
Nur ist das nun mal etwas anderes, als selbst die Moral zu setzen (und diesen Hinweis habe ich nun schon mehrfach gebracht).
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#62
(14-01-2019, 00:52)Gundi schrieb:
(14-01-2019, 00:43)Holmes schrieb: Darf ich dich Fragen, wenn die Welt für dich nur materiell ist, also nur empirisch begründbar ist, wieso du für eine Philosophie plädierst, die eben nicht von einer materiellen Welt ausgeht, sondern für die z.B Prozesse wie das Bewusstsein nur durch einen Geist begründbar sind? 

Ich weiß nicht, wie du darauf kommst. Ich habe sicherlich nirgendwo etwas derartiges geschrieben.

(14-01-2019, 00:43)Holmes schrieb: Wenn für dich jedes tun vom Menschen einen biologischen Ursprung hat, wo siehst du dann das Problem?

Ich beziehe mich in meinen Äußerungen auf den Threadtitel. Mir scheint jedoch, du magst etwas ganz anderes diskutieren.

(14-01-2019, 00:43)Holmes schrieb: Wozu Moral philosophisch und Biologisch betrachten, wenn es nur empirisch begründbare Erkenntnis gibt?

1. Nicht jeder akzeptiert eine materialistische Sichtweise. Wer dies nicht tut, kann Moral völlig anders begründen.

2. Die Biologie (als Wissenschaft) liefert keine Moral. Also braucht es andere Disziplinen, die die Erkenntnisse ordnen und "Moralvorschläge" machen.

(14-01-2019, 00:43)Holmes schrieb: Wenn Erkenntnis nur materiell begründet werden kann, dann muss die Moral doch auch materiell begründet werden, also eben durch die Naturwissenschaften?

Natürlich. Das der Mensch sich Moral setzt, kann sehr wohl naturwissenschaftlich begründet werden.
Nur ist das nun mal etwas anderes, als selbst die Moral zu setzen (und diesen Hinweis habe ich nun schon mehrfach gebracht).
 
Ich glaube du hast mich grundsätzlich falsch verstanden. Die materialistische Sichtweise, ist die einzig plausible, wenn es nur erfahrungsabhängiges Wissen gibt, dann gibt es eben auch eben nur die materialistische Sichtweise und deswegen lässt sich Moral nicht anders begründen, als durch die materialistische Sichtweise. Die Naturwissenschaft kann also nur noch die Moral liefern, weil in einer materialistischen Sicht nichts anderes übrig bleibt, als die Naturwissenschaft, deswegen frage ich dich auch nochmal, wenn du die materialistische Sichtweise anscheinend akzeptierst, wie willst du Moral anders begründen als durch Naturwissenschaft? Falls du die Moral durch was anderes begründen willst, wie etwa eine philosophische Ethik, dann bist du eben kein Materialist, sondern ein Idealist und Idealisten gehen eben davon aus, dass die Naturwissenschaft eben nicht die Welt erklären kann und das ist meine Sorge bei solchen Aussagen.
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#63
(14-01-2019, 01:00)Holmes schrieb: Ich glaube du hast mich grundsätzlich falsch verstanden. Die materialistische Sichtweise, ist die einzig plausible, wenn es nur erfahrungsabhängiges Wissen gibt, dann gibt es eben auch eben nur die materialistische Sichtweise und deswegen lässt sich Moral nicht anders begründen, als durch die materialistische Sichtweise.

Die Frage ist halt, ob sich alles auf den Materialismus zurückführen lässt? Viele Menschen würden das verneinen (zb. alle Religionen).

(14-01-2019, 01:00)Holmes schrieb: Die Naturwissenschaft kann also nur noch die Moral liefern, weil in einer materialistischen Sicht nichts anderes übrig bleibt, als die Naturwissenschaft,

Nein! Du verwechselst permanent den Begriff "Naturwissenschaft" (als wissenschaftliche Disziplin, mit menschengemachter Sprache) mit der Natur an sich.
Das ist nicht identisch. Ersteres hilft uns lediglich, die Gesetzmäßigkeiten von zweiterem in eine für uns verständliche "Sprache" zu bringen.

(14-01-2019, 01:00)Holmes schrieb: wenn du die materialistische Sichtweise anscheinend akzeptierst, wie willst du Moral anders begründen als durch Naturwissenschaft?

Die Naturwissenschaft als wissenschatliche Diosziplin gibt keine Moral vor (schon per Definition). Sie kann lediglich untersuchen, welche biologischen Ursachen Moral hat.
Noch einmal: Naturwissenschaft ist nicht gleichzusetzen mit der Natur selbst.

(14-01-2019, 01:00)Holmes schrieb: Falls du die Moral durch was anderes begründen willst, wie etwa eine philosophische Ethik, dann bist du eben kein Materialist, sondern ein Idealist und Idealisten gehen eben davon aus, dass die Naturwissenschaft eben nicht die Welt erklären kann und das ist meine Sorge bei solchen Aussagen.

Moral ist immer eine Abwägungssache zwischen verschiedenen Optionen. Solche Optionen hat auch der Materialist. Wir haben dir schon mehrfach gesagt, dass aus der Biologie verschiedene Moralszenarien möglich wären. Nur ist diese Abwägungssache eben keine Aufgabe der Naturwissenschaft, sondern anderer Disziplinen. Und das steht auch nicht im Widerspruch zum Materialismus, wenn man sich bewusst ist, dass die naturwissenschaftlichen Disziplinen einen ganz konkret abgesteckten Rahmen haben.
Der Prozess des Abwägens selber geht natürlich auch auf materielle Ursachen zurück (ganz grundlegend). Und diese Ursachen (neuronale Prozesse, evolutionäreProzesse etc.) können untersucht werden. Die Tat des Abwägens selbst ist aber nun mal nicht Gegenstand der Naturwissenschaft, da hier immer eine Wertung hinzukommt und Wissenschaft wertfrei sein muss.
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#64
Du Widerprichst dir hier permanent selber, denn du verstehst anscheinend nicht, auf was ich hinaus will. Ich verwechsele Naturwissenschaft nicht mehr der Natur an sich, das verstehst du völlig falsch, sondern in einer materialistischen Welt ist deine einzige Beschreibung für die Natur die Naturwissenschaft. Ich setze nirgends Naturwissenschaft mit der Natur gleich, sondern ich ekläre, dass die Naturwissenschaft die einzige Wissenschaft ist, die überhaupt eine Beschreibung für die Natur liefert, weil das in einer materialistischen Welt eben keine andere Wissenschaft tun kann.

Die Naturwissenschaft ist auch keine für uns verständliche Sprache, sondern sie beschreibt objektiv die Zusammenhänge unserer Erfahrungen und das ist nicht mit einer Sprache gleichzusetzen, die nicht durch Erfahrung, sondern sich symbolisch Ausdrücken will. Ich habe auch nicht verneint, dass der Materialist keine Optionen zu Abwägungen hat, dass habe ich auch schon mehrfach geschrieben, dass ich mich z.B nicht auf die Option festnagle, dass z.B Leid die absolute Moral darstellt, sondern das die Biologie eine große Anzahl von Varianten dafür liefert.

Du schreibst immer wieder Naturwissenschaft ist nicht gleichzusetzen mit der Natur selbst? Von welcher Natur sprichst du? Die Naturwissenschaft ist die Beschreibung eben dieser Natur von der du grade sprichst und es ist natürlich klar, dass Natur nicht dasselbe ist wie Naturwissenschaft, aber Naturwissenschaft ist gleichzeitig, dass einzige das wir von der Natur wissen.

Wie du auch schon deutlich gemacht hast und gefragt hast ob man alles auf den Materialismus zurückführen kann, dafür gebe ich doch in etlichen Beiträgen eine Antwort, weil man alles auf den Materialismus zurückführen muss, wenn man davon ausgeht, dass jede Erkenntnis von der Erfahrung abhängt und unsere einzige Erklärung von der Welt auch von der Welt kommt. Idealisten werden hier mit Sätzen ankommen, wie die Welt lässt sich nicht aus sich selbst herausbegründen, aber wenn dein Input, also die Erfahrung nur die Welt ist, dann muss man entweder von einem geistigen Input reden oder man Widerspricht sich hier, dass sollte man auch verstehen, wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt hat.

Nun kommt man zu dem Punkt, an dem man sagt die Naturwissenschaft gibt keine Moral vor, dann stellt sich mir in einer materialistischen Welt die Frage, wer dann? Wenn die jede Erkenntnis auf Erfahrung zurück zu führen ist, dann ist die Naturwissenschaft die einzige Möglichkeit um Moral überhaupt begründen zu können.

Ich verstehe auch den Widerspruch deiner Aussagen nicht, du schreibst, dass der Prozess des Abwägens selber materialistischen Ursprungs ist, also naturwissenschaftlich, dementierst aber dann, dass die Naturwissenschaft die Rolle der Abwägung übernimmt. Wenn sich der Prozess des Abwägens auf materielle Ursachen zurückführen lässt, dann ist der Prozess des Abwägens naturwissenschaftlich.

Hier nochmal der Widerspruch für dich " Der Prozess des Abwägens selber geht natürlich auch auf materielle Ursachen zurück (ganz grundlegend).", der Prozess des Abwägens selber, ist also ein naturwissenschaftlicher

beziehst dich dann aber darauf "Die Tat des Abwägens selbst ist aber nun mal nicht Gegenstand der Naturwissenschaft, da hier immer eine Wertung hinzukommt und Wissenschaft wertfrei sein muss. " Dein Widerspruch kommt zustande, indem du sagst Naturwissenschaft MUSS wertefrei sein, aber erkennst nicht, dass die Bewertung schon längst naturwissenschaftlich durchgeführt wird.
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#65
Wir drehen uns im Kreis.

Vielleicht mal ein Beispiel: Die Entstehung und Entwicklung von Sprache hat natürlich biologische (anatomische, evolutionäre) Ursachen. Dennoch ist es nicht die Biologie, welche sich mit der deutschen Sprache befasst, sondern die Germanistik oder Linguistik. Und selbst die Germanistik/Linguistik entwickeln keine neuen Sprachen, sondern dies geschieht durch kulturelle Prozesse. Diese Prozesse können untersucht werden. Sie können aber nicht durch eine Wissenschaft vorgegeben werden.
Daraus folgt dann keineswegs, dass der Vorgang des Sprechens nicht auf materiellen Grundlagen beruht (welche von der Biologie untersucht werden können, beispielweise die Funktion der Stimmbänder).

Und ähnlich ist es eben auch mit Moral. Die Biologie kann die Grundlagen von Moralentstehung erforschen, ist jedoch nicht für die Entwicklung von dieser zuständig und kann sie auch nicht vorgeben. Das geschieht außerhalb der Biologie, durch kulturelle (und damit einhergehend auch weltanschauliche) Prägungen (Religion, Erziehung, Vernunft etc.). 

btw.: Wenn ich Biologie schreibe, meine ich die Naturwissenschaft.
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#66
Entweder alles lässt sich auf die Biologie reduzieren oder eben nicht, ein dazwischen gibt es nicht. Die Kultur muss sich also auch auf die Biologie reduzieren lassen, in einer materialistischen Weltsicht, kann auch die kulturelle Entwicklung nicht abseits von der Biologie stattfinden, deswegen kritisiere ich ja die weltanschaulichen Prägungen der Moral.

Du schreibst "hat biologische Ursachen", das impliziert, dass es noch andere Ursachen geben muss für z.B die Sprachentwicklung, aber wenn die Biologie auch die Ursache für die Sprachentwicklung ist, dann ist man halt wieder in dem Problem gefangen, dass letzlich selbst dieser kulturelle Prozess biologischen Ursprungs ist, also sich auf diese reduzieren lässt.
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#67
Ich habe versucht es zu erklären. Offenbar ist es mir nicht gelungen. Belassen wir es dabei.

Wie jetzt die Wissenschaft moralische Werte festlegen kann hast du leider immer noch nicht dargelegt. Obwohl dies das Thema des Threads ist. Schade.
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#68
Und ich warte bspw. immer noch auf ein konkretes Beispiel für die Festlegung von Moral auf Basis von Naturwissenschaft...

Ich bin heute sogar mal nett und bringe selbst eins bzw. frage einfach mal explizit nach:

Folgt aus dem biologischen Imperativ der Selbsterhaltung (inkl. Arterhaltung), dass es ethisch geboten oder moralisch gut sei, Nachkommen zu zeugen?
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#69
(14-01-2019, 23:07)Noumenon schrieb: Und ich warte bspw. immer noch auf ein konkretes Beispiel für die Festlegung von Moral auf Basis von Naturwissenschaft...

Ich bin heute sogar mal nett und bringe selbst eins bzw. frage einfach mal explizit nach:

Folgt aus dem biologischen Imperativ der Selbsterhaltung (inkl. Arterhaltung), dass es ethisch geboten oder moralisch gut sei, Nachkommen zu zeugen?

Das kommt auf die Lage an, wie ich schon versucht habe zu vermitteln, wäre diese Art von Moral nicht statisch, also sie würde sich ja dann an den biologischen Fakten orientieren d.h, wenn z.B Überbervölkerung herrschen würde, dann würde es dieser Arterhaltung z.B nicht dienen und wäre demnach moralisch schlecht, um dein konkretes Beispiel zu beantworten. Im Grunde ist der Moralvorschlag schon längst in der Gesellschaft umgesetzt, aber in Teilen, deswegen Widerspricht unsere moderne Moral teilweise auch nicht der vorgeschlagenen, da der Mensch sowieso, ob er will oder nicht, schon immer auf grundlage dieser entschieden hat.

Zitat:Gundi

Wie jetzt die Wissenschaft moralische Werte festlegen kann hast du leider immer noch nicht dargelegt. Obwohl dies das Thema des Threads ist. Schade.



Thema des Threads ist nicht wie die Wissenschaft die Werte dann konrekt festlegen kann, sondern ob sie das überhaupt kann und mit Wissenschaft meine ich die Naturwissenschaft, denn in einer "naturalistischen Weltsicht", in der es nur empirische Erkenntnis gibt, kann und muss NUR die Naturwissenschaft Moral festlegen, da keine andere Wissenschaft funktioniert.
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#70
(15-01-2019, 10:29)Holmes schrieb: Thema des Threads ist nicht wie die Wissenschaft die Werte dann konrekt festlegen kann, ...
Doch, das muss sogar so sein. Anderenfalls - siehe obiges Beispiel - erhalten wir Abhängigkeiten, die von Verhältnissen abhängen, die der Mensch beeinflussen kann. Genau das ist dir auch offensichtlich klar: Wo beispielsweise Übervölkerung anfängt und Maßnahmen erforderlich werden, ist vollkommen offen.

Naturwissenschaftliche Modelle reproduzieren Messergebnisse (oder vergleichbare Wahrnehmungen). Und ein solches Modell darf nicht von beeinflussbaren Parametern abhängen. Das ist gerade der Sinn solcher Modelle. Anderes Beispiel: Die Gesetze der Schwerkraft bestimmen die Wurfparabel. Und die hängt nicht davon ab, wie der Mensch sie empfindet.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der Population von Fröschen und Störchen (allgemeiner: den Antagonisten in der Biologie). Deren Verhältnis ist nicht davon abhängig, was die Störche oder die Frösche empfinden.

Im Gegensatz dazu ist die Forderung nach Minimierung des Leides. "Leid" ist kein Kriterium (oder Parameter) biologischer Modelle, sondern wird vom Menschen in dieses Modell eingeführt. Ganz offensichtlich werden die Ergebnisse durch die Empfindung von Leid (Schmerz) verändert (= abhängig).

(15-01-2019, 10:29)Holmes schrieb: sondern ob sie das überhaupt kann und mit Wissenschaft meine ich die Naturwissenschaft, denn in einer "naturalistischen Weltsicht", in der es nur empirische Erkenntnis gibt, kann und muss NUR die Naturwissenschaft Moral festlegen, da keine andere Wissenschaft funktioniert.
Nochmal: Sollforderungen sind nicht Bestandteil von Funktionsmodellen. Die sollen von jeglichen Empfindungen unabhängig sein, Schmerz hin oder her!
Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass du Systemeigenschaften des Menschen (z. B. Gefühle, Sympathie, Geschmack, Angst, Leid) als etwas Gegebenes betrachtest. Das ist leider nicht der Fall. Sondern Systemeigenschaften wirken verändernd auf andere Systemeigenschaften ein, so dass sie für "Festlegungen" aller Art nicht taugen. Genau deswegen werden sie aus der Methodenlehre verbannt.

Dass man sie in Gesellschaft und Kultur nicht verbannen kann, wird nicht bestritten. Aber hier treten ja auch die "Meinungsverschiedenheiten", die subjektive Sicht auf die Dinge zu Tage.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#71
(15-01-2019, 18:42)Ekkard schrieb:
(15-01-2019, 10:29)Holmes schrieb: Thema des Threads ist nicht wie die Wissenschaft die Werte dann konrekt festlegen kann, ...
Doch, das muss sogar so sein. Anderenfalls - siehe obiges Beispiel - erhalten wir Abhängigkeiten, die von Verhältnissen abhängen, die der Mensch beeinflussen kann. Genau das ist dir auch offensichtlich klar: Wo beispielsweise Übervölkerung anfängt und Maßnahmen erforderlich werden, ist vollkommen offen.

Naturwissenschaftliche Modelle reproduzieren Messergebnisse (oder vergleichbare Wahrnehmungen). Und ein solches Modell darf nicht von beeinflussbaren Parametern abhängen. Das ist gerade der Sinn solcher Modelle. Anderes Beispiel: Die Gesetze der Schwerkraft bestimmen die Wurfparabel. Und die hängt nicht davon ab, wie der Mensch sie empfindet.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der Population von Fröschen und Störchen (allgemeiner: den Antagonisten in der Biologie). Deren Verhältnis ist nicht davon abhängig, was die Störche oder die Frösche empfinden.

Im Gegensatz dazu ist die Forderung nach Minimierung des Leides. "Leid" ist kein Kriterium (oder Parameter) biologischer Modelle, sondern wird vom Menschen in dieses Modell eingeführt. Ganz offensichtlich werden die Ergebnisse durch die Empfindung von Leid (Schmerz) verändert (= abhängig).

Die Verhältnisse sollen doch auch vom Menschen abhängen, dass ist doch nicht das Problem, denn die Moral soll doch in dem Fall der Arterhaltung des Menschen dienen, welchen Sinn würde es dann machen, diese unabhängig vom Menschen zu gestalten? 

Ich habe auch schon mehrere Antworten darauf gegeben, wieso "ein solches Modell" eben doch von beeinflussbaren Parametern abhängen darf und muss. Dein physikalisches Beispiel ergibt hier leider keinen Sinn, denn die Physik kümmert sich nicht um den Menschen, deswegen ist es natürlich klar, dass sie nicht von der Meinung von diesem abhängt um das zu verdeutlichen gebe ich dir wieder ein Bespiel.

Wieder das Beispiel Medizin, denn gemeinhin wird Medizin als Wissenschaft der Gesundheit bezeichnet, oder dient dazu einen kranken Organismus von einem gesunden zu unterscheiden, dass macht sie eindeutig abhängig vom Menschen, aber sie bleibt trotzdem objektiv. In unserer heutigen Zeit mag die Lebenserwartung von 80, als gesund erscheinen, in 200 Jahren ist man vlt krank, wenn man "nur" eine Lebenserwartung von 80 hat. Das hat aber nichts mit deiner Meinung von einem Menschen zu tun, sondern es gibt medizinische bzw. biologische Fakten, die eben davon abhängen, wie sich der Mensch entwickelt, das hat nichts mit der Meinung des Menschen zu tun, sondern damit, dass der Mensch eben kein statisches Lebewesen ist und die Welt um sich rum verändert.

Um auch nochmal zu dem konkreten Beispiel der Arterhaltung zu kommen. Du meinst es wäre von der Meinung der Menschen abhängig was zur Arterhaltung beiträgt und was nicht, da kann ich dir eben nicht zustimmen, denn da kommt doch die Biologie bzw. die Naturwissenschaft ins Spiel, denn sie soll doch bestimmen wieso in diesem konkreten Beispiel, es eben doch besser wäre eine Überbevölkerung zu verhindern, nämlich auf der Basis von Fakten, die naturwissenschaftlich ermittelt worden sind und diese Fakten sind eben nicht von der menschlichen Meinung abhängig, sondern von der naturwissenschaftlichen Methode. Es wird auch gemeinhin nicht davon abhängen für welche Fakten man sich entscheidet, denn das Maß wäre in diesem Beispiel ja die Arterhaltung. Natürlich wird man nicht auf das perfekte Ergebnis kommen, denn man kann nicht alles abwägen, aber es geht hier ja nur um ein Modell, das sich eben daran misst, dass es dir Art erhalten "soll".

Jetzt zu deinem Einwand z.B gegen die Leidreduzierung, denn hier ist auch ein Fehlschluss untergelaufen, der sehr leicht bereinigt werden kann. Leid wird natürlich nicht in dieser "naiven Sicht" definiert, sondern Leid wird natürlich auch abhängig von der Situation gemessen. Für einen Boxer der geschlagen wird, ist Leid natürlich etwas ganz anderes, als für jemanden der gerade wirklich von einem Fremden oder etwas anderen vergewaltigt wird, aber das lässt natürlich nicht die Methodik fallen, sondern bestätigt, dass sie nicht statisch ist, sondern sich an alle Gegebenheiten des menschlichen Zusammenseins messen muss. 

Nun zu deinem letzten Einwand, dass ich nicht betrachte, wie die Systemeigenschaften sich untereinander ändern und das dazu führt, dass meine "Festlegungen" nicht taugen, wie ich dieses Problem löse, habe ich ja jetzt mit einigen konkreten Beispielen demonstriert, auch wenn das meines Erachtens, gar nicht nötig war.
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#72
Wir haben komplett unterschiedliche Auffassungen, was Wissenschaft, insbesondere Naturwissenschaft ist und tut. Auf dieser Basis kann man das Problem nicht diskutieren.

Wissenschaftlich ist es, was unser Problem angeht, Tausende Menschen nach ihren Empfindungen zu fragen und z. B. mit ihrem Fortpflanzungserfolg über lange Zeiträume zu korrelieren. Nehmen wir an, dabei zeigt sich dass leidarme Leute mehr Kinder bekommen.

Heißt das für dich: Es ist ethisch besser, für weniger Leid zu sorgen?
Wenn du diese Frage deshalb bejahst, dann trägst du deinen Maßstab "besser" in diese Korrelation hinein (und verlässt damit die wissenschaftliche Methode). Denn ethisch genauso gut wäre es, für mehr Leid und damit weniger Kinder zu sorgen, deine Bedingung im Hinterkopf, dass es in bestimmten Situationen besser ist, weniger Nachwuchs zu erzeugen.

Übrigens taugt die Arterhaltung nicht als ein wissenschaftlicher Maßstab. Das hängt nämlich von der Konkurrenz um den Lebensraum ab. Affen haben ein anderes Verhältnis zu Ansprüchen der Spezies homo!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#73
(15-01-2019, 23:33)Ekkard schrieb: Wir haben komplett unterschiedliche Auffassungen, was Wissenschaft, insbesondere Naturwissenschaft ist und tut. Auf dieser Basis kann man das Problem nicht diskutieren.

Wissenschaftlich ist es, was unser Problem angeht, Tausende Menschen nach ihren Empfindungen zu fragen und z. B. mit ihrem Fortpflanzungserfolg über lange Zeiträume zu korrelieren. Nehmen wir an, dabei zeigt sich dass leidarme Leute mehr Kinder bekommen.

Heißt das für dich: Es ist ethisch besser, für weniger Leid zu sorgen?
Wenn du diese Frage deshalb bejahst, dann trägst du deinen Maßstab "besser" in diese Korrelation hinein (und verlässt damit die wissenschaftliche Methode). Denn ethisch genauso gut wäre es, für mehr Leid und damit weniger Kinder zu sorgen, deine Bedingung im Hinterkopf, dass es in bestimmten Situationen besser ist, weniger Nachwuchs zu erzeugen.

Übrigens taugt die Arterhaltung nicht als ein wissenschaftlicher Maßstab. Das hängt nämlich von der Konkurrenz um den Lebensraum ab. Affen haben ein anderes Verhältnis zu Ansprüchen der Spezies homo!

Ich werde diese Frage doch in diesem konrekten Beispiel nicht beantworten, sondern dafür ist doch dann die Biologie zuständig. Die Biologie wird auch nicht von der Befragung abhängen, sondern davon, was eben faktisch nachweisbar ist in diesem Moment und was nicht. Deine Frage ist viel zu einsichtig, denn es geht bei Arterhaltung ja nicht nur um einen Fortpflanzungserfolg, sondern auch darum ob dies der Arterhaltung dient oder nicht und wenn es in diesem speziellen Fall der Arterhaltung dient, dann muss man das biologisch abwägen und sich eben die Sachlage anschauen.

Die Arterhaltung ist nur ein Beispiel gewesen und soll natürlch nicht als absoluter Maßstab gelten, da ich mich nicht so gut mit den biologischen Gegebenheiten auskenne, denn da kann ein anderer bestimmt besser antworten.

Es geht hier doch nicht um die Konkretieserung der Theorie, denn wenn wir schon bei dem Punkt wären, eine konkrete Moraltheorie über die Biologie zu definieren, dann wären wir ja schon längst über den Punkt hinaus, dass die Biologie so etwas kann. Der Streitpunkt auf den wir hier doch eingehen sollten, ist der, dass die biologischen Gegebenheiten von allen Arten eben solche Soll-Forderungen in sich tragen. Mein großer Kritikpunkt ist eben der, dass wir schon Soll-Forderung durch unsere Biologie mit bekommen, also dass sich in unserer DNA schon solche konkreten Soll-Forderungen befinden. Das Axiom soll ja an diese Stelle treten, denn es soll ja festlegen, dass diese Soll-Forderungen eben in unserer Biologie existieren, welche das sind, darüber kann ich hier ja nur spekulieren und meine bisherige Erfahrung mit euch teilen, aber das es diese Soll-Forderungen schon gibt und wir hier dann ein Axiom setzen könnten, darüber würde ich eher gerne diskutieren.

Die eigentliche Frage die es auch zu diskutieren gilt, die bezieht sich direkt auf unser Zusammenleben. Lassen sich unsere jetzigen Moralforderungen, nicht auch auf solche biologischen Soll-Forderungen reduzieren? Als Beispiel würde ich hier das Nicht-Töten nehmen, denn für mich scheint es schlüssiger, dass sich dieses Nicht-Töten nicht aufgrund einer gesellschaftlichen Vereinbarung herausgebildet hat, sondern deswegen, weil es Evolutionsbiologisch eben ein Vorteil für die Gesellschaft war und weil eben solche evolutionären Fakten hinweisen, dass die Biologie uns eben sozusagen "vorgibt" was wir tun sollten und was nicht. Warum sich z.B in früheren Gesellschaften die Leute gegenseitig ins Grab befördert haben lässt sich damit auch erklären, denn wenn es biologisch von Vorteil war, dass man sich den Kopf einschlägt, wenn fremde Gefahr droht, dann scheint es für mich schlüssig anzunehmen, dass die menschliche Moral sich daran richten lässt, was für sie biologisch von Vorteil ist.
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#74
(17-01-2019, 00:16)Holmes schrieb: Es geht hier doch nicht um die Konkretieserung der Theorie, denn wenn wir schon bei dem Punkt wären, eine konkrete Moraltheorie über die Biologie zu definieren, dann wären wir ja schon längst über den Punkt hinaus, dass die Biologie so etwas kann.
Das kann sie halt schon von ihrer Methode nicht. (Natur-) Wissenschaft ist deskriptiv. Wenn das mehr werden soll, dann greift die menschliche Gedanken- und Gefühlswelt ein und macht Bewertungen. Und die kommen ganz gewiss nicht aus der Biologie! (Plausibilitätsbetrachtungen ersetzen kein wissenschaftliches Funktionsmodell!)

Ich verstehe zwar, was du uns mitteilen willst: Dass nämlich unsere Spezies Wertungsmaßstäbe mit auf den Lebensweg bekommen hat z. B. weil Kooperation einen evolutionären Vorteil hat. Davon gibt es tatsächlich eine ganze Reihe (mit naturwissenschaftlichen Methoden feststellbar und beschreibbar).

Deren Ausprägungen stehen aber zumindest für den Menschen überhaupt nicht fest. D. h. sie "ergeben" sich nicht (zwangsläufig). Beispiele: Beim Menschen gibt es keine Instinktlenkung, die das gegenseitige Töten verhindert oder die Fortpflanzung erzwingt. So müsste nämlich die naturwissenschaftliche Feststellung aussehen!

Anderenfalls hast du statistische Tendenzen vor dir, die man mit Moralvorstellungen philosophisch oder religiös unterfüttern kann, was aber in einer ganzen Reihe von Fällen tatsächlich unterbleibt oder unterblieben ist.

Ich kann leider nur auf David Humes Argumentation verweisen, dass Gefühle (und angeborene Denkweisen) nützlich für die Gesellschaft sein können, nicht aber festgestellt werden können wie in einem naturwissenschaftlichen Funktionsmodell.
Zwischen Tatsachen - das, was ist - und Werten - das, was sein soll - besteht eine Kluft. Wir können nie eine moralische Wertung aus Seinsaussagen herleiten (nach "David Hume" in A. Hügli/Poul Lübke "Philosophielexikon" Rohwolt 2005). Danach räumt Hume durchaus eine "naturgegebene Sympathie für unsere Mitmenschen" ein, was (unter anderem) zur Billigung gewisser moralischer Maßstäbe (der menschlichen Gesellschaft) führt.
Und ich füge hinzu: aber nicht notwendigerweise erzwingt.

So, und nun weiß ich auch nicht mehr weiter ...
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#75
(17-01-2019, 01:17)Ekkard schrieb: Deren Ausprägungen stehen aber zumindest für den Menschen überhaupt nicht fest. D. h. sie "ergeben" sich nicht (zwangsläufig). Beispiele: Beim Menschen gibt es keine Instinktlenkung, die das gegenseitige Töten verhindert oder die Fortpflanzung erzwingt. So müsste nämlich die naturwissenschaftliche Feststellung aussehen!

Und ich behaupte das Gegenteil, nämlich eben genaue diese Instinktlenkung das gegenseitige Töten verhindert und glaube man könnte das dann sehr gut evolutionsbiologisch Festellen. Meine Behauptung ist ja die, dass unsere Moral maßgeblich nicht davon abhängt, was wir Menschen vereinbaren, sondern die, wie du sie nennst, "Instinktlenkung" davon abhängt was wir als richtig oder falsch anerkennen.
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