Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Pharisäer
#1
Eine der drei Religionsparteien des vorrabbinischen Judentums.

Von der Existenz dieser "Religionsparteien" erfährt man von ↗Josephus im Zusammenhang mit der Beschreibung der Umwandlung von ↗Judäa in eine ↗römische Provinz. Er teilt mit, dass es  drei ↗Sekten gegeben habe, die über die menschlichen Verhältnisse verschiedene Lehren aufgestellt hätten, und zwar die Pharisäer, die ↗Sadduzäer und die ↗Essener (Ios. ant. XIII, 171ff.). In bell. II, 119 nennt Josephus die verschiedenen jüdischen Denkrichtungen "philosophische Schulen".

Die Pharisäer traten erstmals im 1. Jh vC während der Herrschaftszeit von ↗Salome Alexandra (76-67 vC) in das Licht der Geschichte. Josephus nennt sie eine jüdische Sekte, die als besonders fromm und gesetzeskundig galt und der Salome Alexandra besonders zugetan war. "Die Einfalt des Weibes ausnützend", wie sich Josephus ausdrückte, waren sie bald die eigentlichen Herrscher im Land und selbst Salome Alexandra stand unter der Herrschaft der Pharisäer (Ios. bell. I, 110ff.).

Für die Zeit des ↗Herodes d. Gr. sind ↗Quellen über die Pharisäer unergiebig. Es wird daher überwiegend die Meinung vertreten, die Pharisäer hätten sich in dieser Zeit aus dem politischen Leben zurückgezogen und wären nach und nach zu einer Frömmigkeitsbewegung geworden (Neusner, Josephus' Pharisees, 291). Dasselbe gilt für die Zeit bis zum Aufstand gegen die ↗Römer, für die vornehmlich das ↗NT als Quelle zur Verfügung steht.

Einige Fachgelehrte nehmen an, dass die Pharisäer (ev. auch die Essener) aus den in 1Makk 2,42 erwähnten ↗Hasidäern (Chasidim) hervorgegangen seien. Ob die Hasidäer der ↗Makkabäerbücher eine geschlossen organisierte Gemeinschaft oder eine geistige Strömung des damaligen ↗Judentums gewesen war und sie tatsächlich als Vorläufer der Pharisäer angesehen werden dürfen, lässt sich mangels aussagekräftiger Quellen nur spekulativ beantworten.

Spekulativer Natur sind auch Bemühungen, ein Vorhandensein von Pharisäern für die Zeit der persischen Oberhoheit (und davor) aus Texten des ↗Alten Testaments zu erschließen.

Als Volksbewegung lassen sich die Pharisäer nicht eindeutig einordnen. Ihre führenden Repräsentanten gehörten sowohl dem städtischen Bürgertum als auch der priesterlichen Aristokratie (Ios. vit. 12) an. Ziel ihrer Glaubenspraxis war es, nach Gerechtigkeit zu streben und ein gottgefälliges Leben zu führen (ant. XIII, 289; bell. I, 110).

Besonders akribisch befolgten die Pharisäer die ↗Reinheitsgebote sowie die den ↗Sabbat und die ↗Zehentabgaben betreffenden Vorschriften.  Dazu standen ↗Beten und ↗Fasten im Zentrum pharisäisch-religiöser Praxis.

Die wichtigsten Eigenheiten, mit denen sich die Pharisäer von den Sadduzäern abgrenzten, waren ihr Glaube an die ↗Auferstehung der Toten und an ein damit verbundenes ↗endzeitliches Gericht. Auch die Annahme der Existenz von ↗Engeln wurde von den Sadduzäern nicht geteilt.

In den ↗Evangelien werden die Pharisäer überwiegend als engstirnige Frömmler gezeichnet, die ↗Jesus feindlich gesinnt sind und ständig versuchen, ihm Fallen zu stellen (zB Mk 10,1-9.12,13; Mt 22,15). Sie werfen ihm vor, Heilungen mit Hilfe von ↗Dämonen vorzunehmen (Mt 9,34.12.24; ), sie beschuldigen ihn, die Reinheitsgebote nicht zu beachten (Mk 7,2ff.), die Sabbatruhe zu brechen (Mk 3,1-5; Lk 6,2), und sie trachten ihm nach dem Leben (Mk 3,6; Mt 12,14.26,4).

↗Lukas schwächt manchmal ab, indem er Jesu nur von einigen Pharisäern beschuldigen lässt, die Sabbatruhe zu brechen (Lk 6,2). Bemerkenswert ist auch, dass Jesus im lukanischen Text bei Pharisäern zu Gast ist (Lk 7,36.11,37) und einige Pharisäer Jesu raten, wegzuziehen, weil Herodes (Anm.: ↗Herodes Antipas, 4 v. – 39 nC) ihn töten wolle (Lk 13,31).

In der ↗Apostelgeschichte zeichnet Lukas ein überwiegend positives Bild von den Pharisäern (Apg 5,34ff.), er hebt hervor, dass auch ↗Paulus Pharisäer gewesen sei (Apg 23, 6ff.) und eröffnet, dass Pharisäer zu Mitgliedern der ↗Jerusalemer Gemeinde geworden waren (Apg 15,5).

Bei ↗Johannes sind es überwiegend "die Juden", die Jesus Gesetzesbruch vorwerfen und Übles wollen (zB Joh 5,10.16.18; 6,41; 7,1; 8,48.52; 10,31-33; 19,7.12). Dass die Pharisäer großen Einfluss hatten und Jesus einer Auseinandersetzung mit ihnen auszuweichen versucht, lässt der Evangelist mit den Anmerkungen Joh 4,1ff. vermuten. Jesus verlässt den Einflussbereich der Pharisäer (↗Judäa) und zog wieder nach ↗Galiläa (Joh 4,3), wo die Pharisäer offenbar weniger präsent waren. ↗Nikodemus hingegen, einen Pharisäer und Obersten der Juden (Joh 3,1ff.), der Jesusjünger geworden war, zeichnet Johannes positiv.

Nach Zerstörung des ↗Zweiten Tempels traten aus den Reihen der Pharisäer jene Religionsgelehrten (↗Tannaiten) hervor, die die zukünftigen Denkrichtungen des Judentums bestimmen sollten. Die anderen Religionsparteien verlieren an Bedeutung, nach dem ↗Bar-Kochba-Aufstand verschwinden sie aus der Geschichte.


● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste