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Thomasevangelium (Das koptische Thomasevangelium)
#1
1945 wurden in ↗Nag Hammadi Handschriften (13 Codizes) gefunden, von denen für die neutestamentliche Wissenschaft ohne Zweifel jener Text der interessanteste ist, der in Anspruch nimmt, "verborgene Sprüche Jesu" zu vermitteln.

Etwa die Hälfte dieser "Herrenworte" findet sich in den ↗synoptischen Evangelien wieder, die übrigen waren vorher unbekannt.

Der Text ist in ↗koptischer Sprache abgefasst. Er umfasst 114 Logien (Herrenworte), die überwiegend mit "Jesus spricht" oder "Seine Jünger fragten ihn" eingeleitet werden. Seine Entstehungszeit wird von den mit ihm befassten Fachgelehrten übereinstimmend mit Mitte des 4. Jhs angenommen. Übereinstimmend wird auch angenommen, dass der Text ursprünglich ↗in griechischer Sprache (Koine) vorlag. Die ↗Überreste einer griechischen Fassung1 lassen sich paläographisch um 200 – 250 nC datieren.  Wie die den Texten zugrundeliegende ↗Tradition zeitlich zu verorten ist, dazu besteht unter den Fachgelehrten kein Konsens.

Durch Erwähnung in antiken Handschriften (↗Hippolyt v. Rom, ↗Origenes, ↗Eusebius) ist das ThEv gut bezeugt. Seine früheste griechische Fassung kann aufgrund der weitgehend gesicherten zeitlichen Einordnung von POxy 1 nicht nach  200 entstanden sein. Die Frage, ob das ThEv von den synoptischen Evangelien abhängig (und damit unbedeutend) ist oder ob es als Spruchsammlung zumindest in Teilen schon vor dem Entstehen der synoptischen Evangelien bestanden hat und somit ein Beleg für Spruchsammlungen ist, die in die früheste Zeit der Verkündigung der Frohen Botschaft durch christliche Wanderprediger zurückreichen, wird von den Fachleuten nicht einheitlich beantwortet.

Für Neutestamentler war es jedenfalls faszinierend, nunmehr eine Spruchsammlung vorliegen zu haben, die so aussieht, wie man sich die ↗Spruchquelle Q immer vorgestellt hatte.

Über die Verfasserschaft (bzw. Redaktor oder Kompilator) des ThEv ist nichts bekannt. Der Text nimmt in Anspruch, von einem Didymos Judas Thomas2 aufgeschrieben worden zu sein. Dieser fiktive Verfasser ist in den Jüngerlisten der Evangelien und der Apostelgeschichte als ↗Thomas erwähnt, gehörte also zum engsten Jüngerkeis (↗Zwölferkreis) Jesu.

Entstanden ist das ThEv möglicherweise in Ostsyrien. Die wenigen Anhaltspunkte, die sich im Text dazu ausmachen lassen, geben der Annahme ausreichend Rückhalt, die Verkündigung des Thomasevangeliums in Kreisen umherziehender ostsyrischer Wandermissionare vermuten zu dürfen. Diese Annahme ist auch mit der der dort nachweislich stark vertretenen Thomastradition vereinbar.

1) Es handelt sich um Papyrusfragmente, die einem Fund aus Oxyrhynchos (abgekürzt POxy), einer etwa 160 km SW von Kairo gelegener Ausgrabungsstätte, entstammen.
POxy 1 enthält ThEv 26-33 u. ThEv 77,2-3  (im Gegensatz zur koptischen Fassung mit umgekehrter Satzfolge). Als Entstehungszeit wird die Zeit um 200 n. Chr. angenommen.
POxy 654 enthält den Anfang des Thomasevangeliums bis einschließlich Spruch 7 und wird überwiegend Mitte des 3. Jh nC datiert.
POxy 655 besteht aus acht Fragmenten (Sprüche 24 und 36-39) einer Papyrusrolle. Als Entstehungszeit werden die Jahre zwischen 200 und 250 n. Chr. vermutet.

2) Didymos (δίδυμος, Griech.) bedeutet ebenso Zwilling wie Thomas (Aram. T’ômā’)


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MfG B.
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