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Hadith
#1
(Text in Arbeit)

Hadithe sind Urkunden der islamischen Tradition. Da ↗Muslime verpflichtet sind, Gott und seinem Gesandten zu gehorchen (8:1.46; 3:32), sich am Weg, den der Prophet gegangen ist (↗Sunna), zu orientieren, ihm zu folgen und sich seiner Führung zu unterwerfen (14:44), gelten als authentisch anerkannte Hadithe nach dem ↗Koran als zweite Hauptquelle der Rechtleitung.

Was Fragen betrifft, die ↗Mohammed einmal entschieden hat, haben gläubige Muslime keine Wahlfreiheit mehr. Es gilt der Grundsatz: Wer dem Gesandten gehorcht, gehorcht Gott (4:80).

Nach islamischer Tradition wurde bereits zu Lebzeiten des Propheten begonnen, seine Aussprüche, Entscheidungen und Nachrichten über seine Verhaltensweisen zu sammeln.

Allerdings gilt nur als verbindlich, was von Mohammed an Rechtsfragen entschieden wurde bzw. was religiöse Fragen und die Führung der Gemeinde betraf. Sich am persönlichen Lebensstil Mohammeds zu orientieren, gilt zwar als lobenswert, nicht aber als Pflicht. Ebenfalls nicht verpflichtend ist es, die Meinung Mohammeds in Fragen der Naturwissenschaft, der allgemeinen Lebenserfahrung, etc. zu teilen.

Hauptthemen von Hadithen sind:

1. Der Glaube
2. Das religiöse Wissen
3. Die religiösen Pflichten
4. Die sozialen Beziehungen
5. Regierung und Gemeindeführung
6. Sitten und Gewohnheiten (Eide, Jagd und Schlachtung, Essen und Trinken, Kleidung, etc.)
7. Vorzüge bestimmter Personen
8. Vorzüge des Koran
9. Tugenden (Umgang, ↗Askese, Gebet, etc.)
10. ↗Gottesgericht, ↗Auferstehung, ↗Paradies, ↗Hölle

Um den Gläubigen die Entscheidungen, Anweisungen und Empfehlungen Mohammeds nahezubringen, entstanden schon früh entsprechende Sammlungen derselben. Die großen ↗kanonischen Hadithsammlungen, die nach Gewährsleuten (musnad) oder nach Themen (musannaf) geordnet waren, entstanden im 9. und 10. Jh.

Im Laufe der Zeit wurden die im Umlauf befindlichen Hadithe immer zahlreicher. Viele wurden aus politischen Gründen erfunden. Von ↗Kalif ↗Umar wird berichtet, dass er eigenmächtig seine Entscheidungen in Hadithe umwandelte, um ihre Autorität auf diese Weise zu festigen1.

Erzähler, die durchs Land zogen, wollten die Gläubigen mit ihren Berichten beeindrucken. Zum Teil wurden kuriose, zum Teil banale Dinge aus dem Leben Mohammeds erzählt. Recht bald wurde den Gelehrten klar, dass es nötig war, Kriterien zu schaffen, die zu erfüllen waren, um dem Hadith Echtheit zu bescheinigen.

Ursprünglich war es nicht nötig, dass möglichst vollständige Überlieferungsketten vorlagen. Bis ins 9. Jh genügte es, dass ein Hadith nützlich war und mit dem Koran übereinstimmte, um anerkannt zu werden. Natürlich war es auf diese Weise nicht möglich, zu unterscheiden, was an den unzähligen Berichten, die über Leben und Verhalten Mohammeds kursierten, echt oder erfunden war. Also wurden weitere Bedingungen, die zu erfüllen waren, geschaffen, um einen Hadith zu klassifizieren, und zwar:

- Dem Gewährsmann musste tadelloses religiöses Verhalten bescheinigt sein
- Er musste vertrauenswürdig sein
- Es musste sichergestellt sein, dass er den Sachverhalt richtig verstanden und weitergegeben hatte
- Er musste mehr als nur einen Bericht überliefert haben

- Der Überlieferung muss eine lückenlose Kette von Gewährsleuten zugrunde liegen (isnad)
- Es muss ausdrücklich festgehalten sein, dass Mohammed etwas gesagt oder getan habe
- Der berichtete Sachverhalt muss plausibel sein, also zur Gemeinde und Zeit passen

Da auch, wenn diese Vorgaben erfüllt sind, Fälschungen vorliegen können (zB lässt sich auch eine lückenlose Überlieferungskette problemlos fälschen) und schon im 19. Jh von der kritischen Orientalistik (zB v. I. Goldziher) nachgewiesen wurde, dass viele als echt angesehene Hadithe Anachronistisches beinhalten, d.h. Sachverhalte schildern, die nicht aus der Zeit Mohammeds stammen können, gibt es nicht wenige westliche Fachgelehrte, die die Meinung vertreten, nicht nur ein erheblicher, sondern der überwiegende Teil (auch der als echt klassifizierten Hadithe) seien gefälscht2.

Diese Position wird von muslimischen Hadith-Gelehrten überwiegend zurückgewiesen und als Ausdruck der Islamfeindlichkeit der westlichen Orientalistik angesehen, wobei anzumerken ist, dass heute auch von der islamischen Hadithwissenschaft die Meinung, wonach alle Hadithe aus den Sammlungen von ↗Bukhari und Muslim authentisch sind, nicht ausnahmslos geteilt wird.

Verdächtig sind jedenfalls Hadithe, die in theologische Diskussionen eingreifen, die erst nach dem Tod Mohammeds aufgekommen sind. Ebenso verdächtig sind jene Hadithe, die zu einer Sach- oder Rechtsfrage in mehreren, einander widersprechenden Versionen vorliegen. Dass in solchen Fällen die in Widerstreit stehenden Gruppen Hadithe offenbar hergestellt hatten, um die eigene Position zu stärken, ist gut einzusehen.

Die wichtigsten Hadithsammlungen (für Sunniten) sind:

Sahih3 Bukhari, Sahih Muslim, Sunan4 Abu Dawud, Sunan Tirmidhi, Sunan Nasa`i und Sunan Ibn Madja

In den Sunan-Sammlungen befinden sich auch sogen. "schöne" (erbauliche) und einige "schwache" Hadithe.

Klassifizierung:

1. Sahih = echte, authentische Hadithe
2. Hasan = schöne (erbauliche), aber nicht einwandfrei zuverlässige Hadithe
3. Daʿif = schwache Hadithe, Hadithe bedenklichen Inhalts

Schiiten haben eigene Hadithsammlungen, in denen neben Taten und Handlungen Mohammeds auch jene ihrer Imame überliefert sind.


1) Nagel 2008, S. 291
2) L. Berger 2010, S. 29
3) Sahih = authentisch
4) Sunan (pl. v. Sunna) = Verfahrensweise, Gewohnheit, Tradition, Überlieferung


Literatur:
Lutz Berger, Islamische Theologie. 2010 Wien. Verl. Facultas
Tilman Nagel, Mohammed, Leben und Legende, 2008 München. Verl. Oldenbourg
Rüdiger Lohlker, Islam, eine Ideengeschichte, 2008 Wien. Verl. Facultas
Rüdiger Lohlker, Islamisches Recht, 2012 Wien. Verl. Facultas
Adel Theodor Khoury, Der Hadith , 5 Bde, 2008 München. Gütersloher Verlagshaus
W. M. Watt u.a., Der Islam, 3 Bde, 1980 Stuttgart. Verl. W. Kohlhammer


● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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