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Kammerknechtschaft
#1
(Text in Arbeit)

In einem Schreiben an den ↗Erzbischof von Sens und den ↗Bischof von Paris vom 15. Juli 1205 stellte ↗Papst Innozenz III. fest, dass die ↗Juden als Strafe für den Tod Christi für immer zu ↗Sklaven bestimmt seien.

1236 führte Kaiser ↗Friedrich II. die Reichskammerknechtschaft für Juden ein. Die Juden standen ab diesem Zeitpunkt unter besonderem Schutz des Kaisers und waren ihm unmittelbar steuerpflichtig geworden. Übergriffe gegen Juden galten von nun an als Angriff auf die kaiserliche Finanzkammer1.

Der Anspruch, dass die Juden Knechte der kaiserlichen Kammer und damit mit Hab und Gut Eigentum des Herrschers seien, wurde - von der päpstlichen Begründung abweichend - mit dem verlorenen Krieg der Juden 66—70 nC gegen die ↗Römer historisch begründet: Nach dem Krieg seien alle überlebenden Juden Sklaven des römischen Kaisers geworden2, als dessen Rechtsnachfolger sich nunmehr die Herrscher des ↗Heiligen Römischen Reiches verstanden.

1241 wurde eine allgemeine Judensteuer eingeführt, die vornehmlich über die Reichsstädte eingehoben wurde. Im Todesjahr Friedrichs II. gab es im Reich ca. 100 jüdische Gemeinden. 50 Jahre später waren es 3503. Die Juden waren in der 2. Hälfte des 13. Jhs mit ca. 16% an der Steuerleistung aller Reichs- und Freistädte beteiligt4. Ihre Steuerleistung war somit außerordentlich hoch.

Der Maßnahme Kaiser Friedrichs II. lag ursprünglich der Wunsch zugrunde, die Rechtssicherheit der Juden in seinem Herrschaftsbereich zu verberbessen. 1235 wurden die Juden in Fulda beschuldigt, Feuer an einer Mühle gelegt und damit den Tod der fünf Kinder des Müllers verschuldet zu haben. 34 Juden wurden des Ritualmords an den Kindern angeklagt, verurteilt und auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Nach Vollzug des Urteils wurde von Friedrich II. eine Kommission eingesetzt, die den Fall zu untersuchen hatte. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass die hingerichteten Juden unschuldig gewesen waren5.

Dass für die Juden nach der kaiserlichen Maßnahme tatsächlich mehr Rechtssicherheit erreicht worden wäre, kann nicht behauptet werden. Den Bürgern von Frankfurt wurde beispielsweise 1246 von Konrad IV. als Römischer König im Namen seines Vaters, Kaiser Friedrichs II., jede Strafe und jede Art von Schadenersatz für die Vertreibung und Ermordung von Juden erlassen6.

1286 bekräftigte ↗Rudolf von Habsburg (in einem Schreiben an die Stadt Mainz), dass alle Juden, seine Kammerknechte seien, ihm mit Leib und Gut zugehörten, soweit sie nicht lehnsweise an Fürsten weitergegeben worden waren7.

Die zu erwartenden Einkünfte, das sog. Judenregal, verkaufte oder verpfändete der Kaiser bzw. König häufig an Städte und an weltliche oder geistliche Herrschaften. Wenn das Regal nicht die erwarteten Einkünfte brachte, bestand die Gefahr, dass arme Juden vertrieben und reiche Juden beraubt und ermordet wurden. Als Beispiel für eine solche Vorgehensweise bietet sich die "Wiener Gezera" an. 1420/21 wurden von Herzog Albrecht V. die armen Juden aus seinem Herrschaftsbereich vertrieben, mehr als 200 reiche Juden hingegen am 12. März 1421 in Wien-Erdberg verbrannt. Ihr Vermögen wurde von der Herzoglichen Kammer eingezogen, vergebene Darlehen eingetrieben8.

1) Einen gewissen Schutz für Juden gab es zwar schon seit der Landesfriedensgesetzgebung durch Kaiser Heinrich IV. (1090). Die Garantien bezogen sich allerdings auf Einzelpersonen.
2) Dieser Hinweis auf den Rechtszustand der Juden nach dem ↗1. Jüdischen Krieg ist in den ↗Schwabenspiegel eingegangen.
3) Toch, S. 49
4) Battenberg, S. 109
5) Schubert, S. 48:

6) Höxter, S. 265f.:
Rothenburg, Mai 1246.
Konrad, Sohn des Kaisers Friedrich, von Gottes Gnaden gewählter König der Römer und Erbe des Reiches Jerusalem.
Durch dieses Schreiben machen wir allen gegenwärtigen und zukünftigen Getreuen des Reiches bekannt, dass, wegen der verdienstlichen Treue und Ergebenheit unserer Bürger von Frankfurt, und in Ansehung der Dienste, die sie zu jeder Zeit unserem Herrn Vater, seinen Vorfahren und uns in Ergebenheit geleistet, wie durch Vollmacht und besonderen Befehl des Kaisers, unseres Herrn Vaters, den wir auf unsere ergebenste Fürbitte bei ihm für die Bürger erlangt, ihnen allen Schaden und die Verletzung erlassen, welche die Bürger bei der Ermordung und Vertreibung der Juden von Frankfurt, unserer Kammerknechte, mehr aus Nachlässigkeit und Zufall als mit Willen begangen haben.

7) Battenberg, S. 109
8) Schubert, S. 50

Lit.:
Heinrich Graetz. Geschichte der Juden. 11 Bde. 1890-1909 Leipzig. Verlag Oskar Leiner.
Johann Maier, Das Judentum, 1988 Bindlach, Gondrom Verlag
Michael Toch, Die Juden im Mittelalterlichen Reich, 1998 München, Verl. Oldenbourg
Friedrich Battenberg: Das europäische Zeitalter der Juden, 2 Bde, 2000 Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Kurt Schubert, Jüdische Geschichte, 2002 München Verlag C. H. Beck
Günter Stemberger, Einführung in die Judaistik, 2002 München, Verlag C. H. Beck
Eveline Brugger u.a., Geschichte der Juden in Österreich, 2006 Wien, Verlag Ueberreuter
Julius Höxter, Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur, 2009 Wiesbaden, Marix Verlag


● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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