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Gaon
#1
Gaon (pl. Geonim, auch Gaonen)

Als Geonim wurden die Leiter von ↗Talmud-Akademien (vom 7. bis zum 11. Jh = Gaonäische Periode) bezeichnet. Die Herkunft des Titels ist unsicher. H. Graetz meinte, dass er persischer oder arabischer Herkunft gewesen sein könnte1.

Der Titel Gaon war anfangs dem Leiter des Lehrhauses in ↗Sura vorbehalten2. Später wurden auch die Leiter anderer Lehrhäuser mit der Anrede Gaon geehrt, insbesondere die Leiter des Lehrhauses in ↗Pumbedita3, ab dem 9. Jh (nachdem die rabbinische Akademie von ↗Tiberias nach ↗Jerusalem übersiedelt war) beispielsweise auch die Leiter des Lehrhauses in Jerusalem4.

Gemeinsam mit dem ↗Exilarchen und dem Schulhaupt von Pumbedita repräsentierte der Gaon von Sura die oberste richterliche Gewalt der jüdischen Gemeinschaften in ↗Babylonien. Häufig wurden an die Leiter der Lehrhäuser von ehemaligen Schülern (aber auch von weit entfernt gelegenen jüdischen Gemeinden) Anfragen zur ↗Halacha gestellt. Auf solche Anfragen wurden in Form von ↗Responsen Auskunft gegeben. Diese Responsen wurden von den Empfängern  in der Regel als verbindliche Weisungen verstanden.

Theoretisch wurde der Gaon von der Versammlung aller Mitglieder eines Lehrhauses gewählt. In der Praxis wurde die Leitungsposition innerhalb der Gelehrtenfamilien quasi vererbt. Wenn ein Gaon starb, wurde das Amt in der Regel von seinem ältesten Sohn übernommen. Hatte der Gaon keine männlichen Nachkommen oder waren seine Söhne oder Enkel nicht geeignet, kam für das Amt auch ein befähigter männlicher Verwandter in Frage5.

Als Ehrentitel für herausragende jüdische Gelehrte war der Titel Gaon auch noch in nachgaonäischer Zeit in Verwendung.


1) Graetz, Bd 5, S. 127, Fußnote 15
2) Graetz, Bd 5, S. 132

3) dazu H. Graetz, Bd 5, 451:
Wenn die pumbeditanischen Schulhäupter öfter mit dem Titel "Gaon" figurieren, so rührt dieses teils von Ausländern her, welche von dem Rangunterschiede nichts wussten, teils aus der Zeit, als sich Pumbedita die Parität errungen hatte (seit 917), teils endlich aus der Zeit, als Sura untergegangen und Pumbedita allein sich behauptet hat (945-1038). In dieser Zeit wurden die Bezeichnungen "Gaon" und "Resch-Metibta" promiscue gebraucht; bis dahin aber war Gaon ein privilegierter Titel der suranischen Schulhäupter.

4) Stemberger, S. 76
5) Ben-Sasson, S. 522

Lit.:
Heinrich Graetz, Geschichte der Juden. 11 Bde, 1890-1909 Berlin. Oskar Leiner Verlag,
Günter Stemberger, Einführung in die Judaistik, 2002 München, Verl. C. H. Beck
Haim Hillel Ben-Sasson, Geschichte des jüdischen Volkes, 2007 München, Verl. C. H. Beck


● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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