Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Freimaurer
#1
Um die Ursprünge der Freimaurerei ranken sich viele ↗Legenden, gesichert ist davon sehr wenig. Manche Erzählungen zum Ursprung der Freimaurerei sind derart absurd, dass es anzunehmen schwer fällt, die behaupteten Sachverhalte könnten irgendwann einmal ernsthaft für Tatsachen gehalten worden sein.

Die abwegigste Geschichte zum Entstehen der Freimaurerei stammt von einem Theologen: Reverend Georg Oliver behauptete in einem Buch mit dem Titel "The Antiquities of Freemansonry" die Freimaurerei habe auf einem anderen, viel älteren Planeten schon vor der Erschaffung der Welt bestanden1.

Eine andere, sehr verbreitete Legende zum Ursprung der Freimaurerei verweist auf den Baumeister des ↗Salomonischen Tempels. Hiram Abif (vgl. 2Chr 2,12 - der Name variiert in verschiedenen Freimaurer-Legenden) soll zu seiner Zeit der begnadetste Baumeister des Erdkreises gewesen und von ↗Salomo mit dem Bau des Tempels beauftragt worden sein. Die Männer, die am Bau tätig gewesen waren, wurden von Hiram ihrem Wissen und ihrer Kunstfertigkeit entsprechend in drei Gruppen eingeteilt, und zwar in Lehrlinge, Gesellen und Meister. Auf diese Weise hatte er die erste Freimaurergilde geschaffen, deren Großmeister er selbst gewesen war. Als Hiram sich einmal weigerte, drei Gesellen, die er nicht als würdig empfunden hatte, in den Meisterstand aufzunehmen,  wurde er von diesen ermordet.

Auch an weiteren phantastischen Geschichten über die Herkunft der Freimaurerei mangelt es nicht: Ihre Wurzeln werden bei den ↗Pythagoreern gesucht, mit dem ↗Isiskult in Verbindung gebracht, es wird der ↗Mithraskult bemüht, ebenso die ↗Gnosis, das ↗Druidenwissen, die ↗Kabbala und die christlichen ↗Ritterorden. Legenden, die das Entstehen der Freimaurerei mit ↗Rosenkreuzern2 oder ↗Templern3 in Verbindung zu bringen versuchen, berufen sich auf zweifelhafte Quellen.  Was die Templer betrifft wird behauptet, dass die Mitglieder des Ordens trotz Verbotes und Verfolgung im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zu Freimaurerlogen den Fortbestand der Gemeinschaft sichern wollten.

Tatsache ist, dass die frühesten historisch gesicherten Verweise zum Entstehen der Freimaurerei ins 14.4 bzw. frühe 15. Jh reichen. Diese Belege beziehen sich auf die Handwerkergilden der ↗Bauhütten ↗Schottlands und ↗Englands, die neben Steinmetzen und Maurern auch andere am Bau tätige Spezialisten aufnahmen. Schon früh mussten sich diese Gilden den Vorwurf gefallen lassen, geheime Zusammenkünfte zu pflegen und bei ihren Treffen Gesetze des Staates und der ↗Kirche zu missachten. Als handwerkliche Spezialisten, bei denen man allerlei Geheimwissen vermutete, waren die Mitglieder der Gilden hochangesehen und -geehrt.

Für die Entwicklung der Freimaurerei war es von Bedeutung, dass im 17. Jh erstmals auch bauhandwerksfremde Personen in die Gilden aufgenommen wurden5. Um 1670 haben in den Logen ↗Londons bereits die bauhandwerksfremden Mitglieder überwogen. Im Juni 1717 kam es durch die fünf Londoner Logen zur Bildung der wohl ersten Großloge in der Geschichte der Freimaurerei6.

Aus alten englischen und schottischen Konstitutionsschriften verfasste der schottische Geistliche James Anderson (1678-1739) - beauftragt vom englischen Großmeister - 1723 allgemein verbindliche Regeln für Freimaurergemeinschaften, die als "Alte Pflichten" für die Freimaurerlogen der Welt bis heute weitestgehend Beachtung finden.

Von England aus breiteten sich die Freimaurerbünde in  ↗Europa zunächst über ↗Frankreich7 und die ↗Niederlanden aus. In ↗Deutschland kam es 1737 zur Gründung der ersten Loge in Hamburg, in die 1738 der Preußenprinz ↗Friedrich II. (im Rahmen einer Deputationsloge) Aufnahme fand. Der Umstand, dass Friedrich in nur einem Tag vom Lehrling zum Gesellen und zum Meister befördert wurde, war der Prominenz des Beitrittswerbers geschuldet. Unter der Schutzherrschaft Friedrichs II. stand 1741 die Gründung der Berliner Loge (und späteren Großloge) "Zu den drei Weltkugeln". Die erste Wiener Loge wurde 1742 eingerichtet und hatte nur kurzen Bestand8. Erkennbar ist, dass das Freimaurertum in der ersten Hälfte des 18. Jhs durch Aufnahmen von Mitgliedern der europäischen Hocharistokratie schnell hohes Ansehen und großen Einfluss gewann.

Das ursprünglich dreistufige Modell der Johannismaurerei9 (mit den Erkenntnisgraden Lehrling, Geselle, Meister) wird im Laufe der 2. Hälfte des 18. Jhs durch weitere Erkenntnis-  bzw. Hierarchiestufen ergänzt. Das 33stufige Modell der Logen des "Alten und Angenommenen Schottischen Ritus" der sogen. Hochgradmaurerei (1-3 Johannisgrade und 4-33 Hochgrade) fand die stärkste Verbreitung und ist auch heute noch von Bestand, wenngleich seit Beginn 20. Jhs starke Bemühungen feststellbar sind, zur den klaren Strukturen der Johannismaurerei zurückzufinden. Auch der York-Ritus mit seinen 12 Erkenntnisgraden fand einigermaßen Verbreitung (über die Johannisgrade hinaus existieren noch die Grade 4-7, Royal Arch, 8-9, Konzil und 10-12, Komturei). In den skandinavischen Ländern ist ein christlich-freimaurerisches System verbreitet, das nach Johannislogen (1.-3. Grad), Andreaslogen (4.-6. Grad) und Ordenskapiteln (7.-10. Grad) geordnet ist 10.

Wem 33 Erkenntnisgrade nicht genügten, konnte sein Betätigungsfeld bei Freimaurergemeinschaften finden, die noch mehr Erkenntnis versprachen. Eindeutig an der Spitze lag in diesem Zusammenhang der ↗okkultistische Memphis-Ritus mit seinen über 90 Erkenntnisgraden, der allerdings wenig Verbreitung fand. Prominentestes Mitglied dieser Gemeinschaft war wohl ↗Rudolf Steiner gewesen.

Mit der Hochgradmaurerei fanden auch Gruppen in die Freimaurerei Eingang, die von sich selbst behaupteten, über den höchsten Erkenntnisgrad zu verfügen. Die Rosenkreuzer - später ↗Gold- und Rosenkreuzer – beanspruchten, an der Spitze des Freimaurertums zu stehen bzw. die eigentliche Elite der Freimaurerei zu repräsentieren.

1776 wird von Adam Weishaupt, einem Professor für Kirchenrecht an der Universität Ingolstadt, der Bund der ↗Illuminaten gegründet. Anlass für die Gründung dieses Geheimbundes war eine von Weishaupt vermutete Verschwörung von Rosenkreuzern und ↗Exjesuiten gegen die Ziele der ↗Aufklärung11. Mit den Freimaurern haben die Illuminaten insofern zu tun, als dass diese bestrebt waren, in Freimaurerlogen einzudringen, dort Führungspositionen zu bekleiden und ein Gegengewicht zu den ↗esoterisch ausgerichteten und den Ideen der Aufklärung wenig zugeneigten Rosenkreuzern zu bilden. Treibende Kraft war in diesem Zusammenhang der Freimaurer und Benimm-Dich-Apostel ↗Adolph von Knigge, der auch mit Rosenkreuzern in Kontakt stand. Knigge wirbt in kurzer Zeit über 500 Freimaurer für den Bund der Illuminaten. Als Knigge 1784 den Bund der Illuminaten im Streit mit Weishaupt verlässt, war die kurze, mit Kontakten zum Freimaurertum verbundene Episode der Illuminaten auch schon wieder vorbei. Die Illuminaten-Bünde stagnierten und verschwanden aus der Geschichte. Legenden, die sich um ein Fortbestehen der Illuminaten bildeten und von Sensationsautoren aufgegriffen bzw. ausgeschmückt wurden, sind reine Fantasy-Literatur.

Obwohl auch hohe Kleriker in den Logen Aufnahme fanden, war die Kirche der Freimaurerei immer feindlich gegenübergestanden. Bis in die Neunzigerjahre des 18. Jhs hatten die Staatsgewalten päpstliche Verbotsbullen12 ignoriert bzw. nicht veröffentlicht, sodass die Freimaurerei zwar kirchlich verboten war, Zusammenkünfte von Freimaurern aber weitestgehend ungestört stattfinden konnten. Erst mit der ↗Französischen Revolution, deren geistige Väter man insbesondere bei jenen Kräften der europäischen Freimaurerei vermutete, die ein radikal aufklärerisches Weltbild vertraten, begann sich die zunächst wohlwollende Akzeptanz der europäischen Fürstenhäuser den Freimaurern gegenüber in Misstrauen zu wandeln. In der Folge kam es immer wieder zu Verboten und Logenauflösungen.

Die Nationalsozialisten griffen das während des ↗Ersten Weltkriegs und in der Zwischenkriegszeit insbesondere in katholischen Kreisen populäre Freimaurer-Feindbild auf. Eine innige Verbindung von Freimaurern und ↗Juden wurde behauptet. Freimaurer wurden neben Juden und ↗Kommunisten als die bedrohlichsten Elemente für den Nationalsozialismus bezeichnet13. Am 17.8.1935 wurde von Hitler die Schließung aller Freimaurerlogen im Deutschen Reich verfügt.

Freimaurergemeinschaften waren als Männerbünde angelegt. Ab der 2. Hälfte des 18. Jhs drängten auch Frauen in die Bünde. In England und in deutschen Ländern war Frauen die Aufnahme in die Bünde verwehrt, in Frankreich wurde das lockerer gehandhabt. 1774 wurde in Frankreich die erste offizielle "Adoptionsloge" (überwachte Loge) für Frauen gegründet. Dieser stand die Herzogin von Bourbon als Großmeisterin vor.

1775 erfand Joseph Balsamo, ein Hochstapler, der sich auch Alexander Graf Cagliostro nannte, ein "ägyptisches Freimaurer-System" bzw. einen ägyptischen Ritus. In seinem ↗okkulten System, dem er als "Groß-Kophta", wie er sich nannte, vorstand, fanden Frauen nicht nur Eingang, die Loge bestand nahezu ausschließlich aus begüterten Frauen. Balsamo kam auf diese Weise zu einem beträchtlichen Vermögen.

Im 19. Jh entstanden einige gemischte Logen, vornehmlich in Frankreich, die zum Teil bis heute Bestand haben. In England gibt zwar eine Loge, die Frauen aufnimmt, diese wird aber von der "Vereinigten Großloge von England" nicht anerkannt. In Frankreich entstand 1954 eine Großloge (Grande Loge Féminine de France), die ausschließlich Frauen aufnimmt.

Die meisten Logen und Großlogen halten sich auch heute noch an die in den "Alten Pflichten" festgehaltene Vorgabe, wonach ausschließlich Männer Freimaurer werden können. Das für die reguläre Freimaurerei nötige Anerkennungsverhältnis zur Großloge von England besteht zu Logen, die Frauen aufnehmen (wie auch zu reinen Frauenlogen), nicht.


1) Bokor S. 10

2) Die Rosenkreuzer als organisierte Gemeinschaft sind allerdings erst ab dem 17. Jh nachzuweisen. Christian Rosenkreuz, der Namensgeber der Gemeinschaft der Rosenkreuzer, ist eine literarische Gestalt, die Anfang des 17. Jhs von Johann Valentin Andreae, einem Studenten der Theologie und späteren Generalsuperintendenten, erfunden wurde. Ursprünglich erschienen die Texte anonym. Die Verfasserschaft Andreaes wurde erst im 18. Jh bekannt. Vgl. Dülmen, S. 8.

3) Die Templer sollen bemüht gewesen sein, ihre Gemeinschaft trotz Verfolgung zu erhalten und im Geheimen weiterzuführen. Vgl. Bokor S. 36.

4) 1396 findet sich in Dokumenten der Bauhütte der Kathedrale von Exeter erstmals der Begriff "freemason".

5) Anfangs waren das wohl Ortsgeistliche, Künstler, ortsansässige, gebildete Bürger, etc. gewesen.

6) Diese Behauptung findet sich vielfach in Werken zur Geschichte der Freimaurerei, lässt sich aber historisch nicht belegen. Vgl. Bokor S. 81

7) In Frankreich formierte sich eine streng laizistisch und aufklärerisch-revolutionär ausgerichtete Spielart der Freimaurerei. Neben der ursprünglich obersten freimaurerischen Instanz, der Großloge von England, entstand mit der Grand Orient de France eine vergleichbare oberste französische Großloge. Das hatte zur Folge, dass englisch und französisch ausgerichtete Logen entstanden, die einander gegenseitig nicht anerkannten.

8) Die erste Wiener Loge wurde kaum ein halbes Jahr nach ihrer Gründung (im März 1743) auf Grund des Drucks, den der ↗Heilige Stuhl über den ↗päpstlichen Nuntius auf Wien ausgeübt hatte, durch Polizeigewalt aufgelöst. Vgl. Reinalter S. 13 u. Agethen S. 63.


9) Johannes der Täufer ist der Schutzpatron der Steinmetze, sein Gedenktag (24. Juni) wurde zum zentralen Feiertag der Freimaurerei

10) Giese S. 18

11) Reinalter S. 17

12) Apostolisches Schreiben "In eminenti apostolatus specula", 28. April 1738, ↗Clemens XII. Konstitution "Providas Romanorum Pontificum" vom 18. Mai 1751, ↗Benedikt XIV.

13) Longerich 144



Literatur:
Helmut Reinalter. Die Freimaurer. 2000 München, Verlag C. H. Beck.
Gisela Graichen, Alexander Hesse. Geheimbünde. 2014 Hamburg, Rowohlt Verlag.
Johann Valentin Andreae. Fama Fraternitatis. Quellen zur Forschung zur württembergischen Kirchengeschichte Bd 6. Hrgb. Richard von Dülmen. 41994 Stuttgart, Calwer Verlag.
Charles von Bokor. Winkelmaß und Zirkel, Die Geschichte der Freimaurer. 1980 München, Alamthea Verlag.
Alexander Giese. Freimaurer heute. 2007 Wien, Böhlau Verlag.
Manfred Agethen. Geheimbund und Utopie. 1987 München Oldenbourg Verlag.
Peter Wendling. Die Macht der Geheimbünde. Freimaurer, Rosenkreuzer, Tempelritter & Co. 2006 München, Bassermann Verlag.
Peter Longerich. Davon haben wir nichts gewusst. 2007 München, Pantheon Verlag.
Heinz Sichrovsky. Mozart, Mowgli, Sherlock Holmes. Die königliche Kunst in Musik und Dichtung der Freimaurer. 2013 Wien, Verl. Erhard Löcker GmbH.



● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste