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Joh d Täufer, Essener ?
#1
War Johannes der Täufer ein Essener ?

Ich weiß nicht, ob das vorliegende Thema in den Bereich Christentum oder doch vielleicht besser in den Bereich Judentum paßt.

Vom Interesse an der Person Johannes des Täufers und seinem Wirken zur Zeit des jungen Jesus ist es ein christliches Thema

Von der gefundenen Quelle (Jewish Encyclopedia) gehört die vorliegende Fragestellung eigentlich in den Bereich Judentum

Ich fand folgenden Artikel in der Jewish Encyclopedia
JOHN THE BAPTIST:
"Essene saint and preacher; flourished between 20 and 30 C.E."

Interessant, daß Johannes der Täufer vom Mainstream Judentum ( Jewish Encyclopedia, New York 1906 ) als Essener gewertet wird.

In bibelwissenschaft.de gibt es einen interessanten Artikel: Johannes der Täufer
Hier ist jedoch vom Begriff Nasiräer die Rede
"Am Erscheinungsbild des Täufers fallen zwei Züge auf, die ihn in die Nähe eines Nasiräers rücken"

Während Essener eine jüdische Sekte waren (eine Abspaltung), waren Nasiräer ein regulärer Bestandteil des Judentums. Eine winzige elitäre Kategorie von Asketen, explizit normiert in 4 Mose 6:1-21

Bei den Essenern ist die Befundlage dürftig
"Als Essēner oder Essäer wird eine vermutete religiöse Gruppe im antiken Judentum vor der Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70 n. Chr.) bezeichnet.
Nach verschiedenen Angaben zeitgenössischer Autoren befolgten sie strenge, zum Teil asketische Lebensregeln. Außer diesen literarischen Zeugnissen gibt es keine Beweise ihrer Existenz. Die seit 1952 einflussreiche These, sie seien identisch oder verwandt mit den Bewohnern von Qumran („Qumran-Essener“) und den Herstellern und Autoren einiger oder aller Schriftrollen vom Toten Meer, wird heute aufgrund der Befunde relativiert oder bestritten."
Essener - Wikipedia

Die erwähnten zeitgenössischen Autoren waren Plinius der Ältere, Philo von Alexandrien, Flavius Josephus

Als die Jewish Encyclopedia 1906 geschrieben wurde ( John the Baptist, Essene ) war dies Jahrzehnte vor Qumran. Durch Qumran kam die "einflussreiche These" auf, die Essener seien identisch oder verwandt mit den Bewohnern von Qumran gewesen; doch dies wird "heute aufgrund der Befunde relativiert oder bestritten"

Ein Auf und Ab

Zwar hatte Prof. Günter Stemberger im Jahre 1991 mit seinem Buch "Pharisäer, Sadduzäer, Essener" etwas Licht in die Thematik der Essener gebracht, aber freilich konnte er auch nur die nicht sehr üppigen und leider nicht widerspruchsfreien Quellen über die Essener auswerten
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#2
Was umstritten ist, ist (i) ob es die Essener als eigentliche Sekte tatsaechlich gab und (ii) ob sie die Urheber der Schriften in Qumran waren. Der zweite Punkt wird heute groesstenteils verneint, der erste ist umstritten, hat aber noch relativ viele Anhaenger.

Dass in Qumran eine Sekte lebte, die rituelles Baden durchfuehrte, wohl mehrmals taeglich. Da sie dafuer leider ein kleines, stehendes Gewaesser benutzten, sind die Mitglieder der Gemeinschaft wohl auch im Schnitt sehr frueh verstorben.

Ob eine Verbindung zu Johannes dem Taeufer besteht, kann aber erst recht niemand sagen.
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#3
(07-10-2018, 22:32)Ulan schrieb: A)
Was umstritten ist, ist (i) ob es die Essener als eigentliche Sekte tatsaechlich gab und (ii) ob sie die Urheber der Schriften in Qumran waren. Der zweite Punkt wird heute groesstenteils verneint, der erste ist umstritten, hat aber noch relativ viele Anhaenger.

B)
Dass in Qumran eine Sekte lebte, die rituelles Baden durchfuehrte, wohl mehrmals taeglich. Da sie dafuer leider ein kleines, stehendes Gewaesser benutzten, sind die Mitglieder der Gemeinschaft wohl auch im Schnitt sehr frueh verstorben.

C)
Ob eine Verbindung zu Johannes dem Taeufer besteht, kann aber erst recht niemand sagen.


zu A) Was Du sagst, dürfte tatsächlich der derzeit herrschenden Lehre entsprechen


zu B) Daß die Gemeinschaft aus 'praktischen' Gründen ausstarb, mag zwar verlockend klingen, aber ob das der tatsächliche Grund war, darf zumindest bezweifelt werden.
Derartige materielle Gründe sind zwar derzeit modern, aber sie scheinen oft zu flach
Ein "kleines, stehendes Gewaesser" entsprach / entspricht genau einer jüdischen Mikwe. Siehe Talmud Traktat Mikwaot
Bei einem derartigen Tauchbecken handelt sich nur scheinbar um ein stehendes Gewässer, denn es muß laut genanntem Talmud Traktat aus alter Tradition unten offen sein (kein gemauerter Boden) und dadurch im Fluß des Grundwasserstromes stehen.
(Mikwe hebräisch מִקְוֶה bedeutet übrigens "zusammenfließen", vgl. Mikwe - Wikipedia, ein deutlicher Hinweis)

Das Mainstream Judentum lebt seit sehr langer Zeit gut mit der Mikwe und starb ja auch nicht aus
Das Bad im Jordan ist in der Diaspora nicht möglich, und diese begann massiv bereits 250 vor Christus in Alexandra im Niltal und dann gab es sie später bereits (zur Zeit Jesu) in Tarsus

Abgesehen davon vergruben die Essener laut Flavius Josephus / De bello Judaico (2, 119–161) ihre Exkremente
Auch dies eine sehr gesundheitsfördernde Maßnahme


zu C) Ob eine Verbindung von Johannes dem Täufer zu den Essenern bestand, kann tatsächlich niemand sagen.
In Wahrheit interessiert es mich gar nicht besonders.
Spannend ist allerdings, wer dies gesagt hat: Die Jewish Encyclopedia aus 1906

Woher stammte dieses Wissen ?
Reine Vermutung oder gab es schriftliche Hinweise ?
Mündliche Hinweise können wir bei einem Zeitraum von 2000 Jahren wahrscheinlich ausschließen, das wären extrem viele Generationen
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#4
Zu B) vor einigen Jahren in Spektrum der Wissenschaft gelesen:
Viele Essener sind nur so um die 30 Jahre alt geworden (Grabfunde). Die überwiegende Todesursache waren "Spirochäten" (u. a. Erreger des Syphilis). Im Gegensatz zu anderen jüdischen Gemeinden lebten die Essener in einer gebirgigen Landschaft, wo im wesentlichen nur Regenwasser für die rituellen Reinigungen zu Verfügung stand. Man nimmt an, dass im Gegensatz zur Mikwe eben kein Austausch mit anderen Wässern stattfand.
Das deckt sich mit den Hinweisen von Ulan.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#5
@Ekkard: Ja, ich bezog mich auf die handfesten Befunde der Grabungen in Qumran.


Was Johannes den Taeufer als Essener angeht, so wurde diese Verbindung immer wieder gemacht. Einer der Orte, die fuer das Wirken des Taeufers vorgeschlagen werden, ist 3 Meilen weg von Qumran. Anscheinend hat selbst Papst Benedict die Hypothese in einem seiner Buecher erwaehnt und haelt sie fuer vernuenftig. Irgendetwas Handfestes kann man da aber nicht erwarten.

Die logischen Verknuepfungen, die da gemacht werden, sind zum Teil recht komplex. Die erwaehnten juedischen Gruppierungen bei Josephus und Philon spielen eine Rolle, etc.
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#6
Was die Johannestaufe und eine eventuelle Verbindung des Täufers mit der Essener-Gemeinschaft betrifft, führt H. Stegemann (in: Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus) aus:

"Tatsächlich gibt es fast nur Unterschiede zwischen der Johannestaufe und den Qumranbefunden.

( 1 ) Für Johannes hatte der Ritus, andere Menschen zu taufen, grundlegende Bedeutung. Dieser Ritus konstituierte die Gestalt des Täufers und machte aus Tauchbädern die Taufe. In Qumran, wie im gesamten sonstigen Judentum, gab es stattdessen nur Tauchbäder, die jeder selbst vollzog, nie einen der Taufe vergleichbaren Ritus und niemals die Gestalt eines Täufers. (2) Für Johannes hatte der Taufvollzug sakramentale Bedeutung; er bewahrte vor dem Umkommen im bevorstehenden Endgericht und erschloss den Zugang zur künftigen Heilszeit. Die Tauchbäder in Qumran - ebenso wie im gesamten sonstigen Judentum - waren hingegen überhaupt nicht sakramentaler Art, sondern dienten lediglich rituell dem Zustandekommen kultischer Reinheit. (3) Johannes taufte an einer ganz bestimmten Stelle am Ostufer des Jordans. Die Essener hingegen vollzogen in Qumran und überall, wo sie wohnten, ihre Tauchbäder in Hunderten von eigens dafür angelegten Becken. Weder der Jordan im Allgemeinen noch die Taufstelle des Johannes im Besonderen hatten für die Tauchbäder der Essener irgendeine reale oder symbolische Bedeutung. (4) Für jeden, der sich von Johannes taufen ließ, war dies ein einmaliger Akt in seinem Leben. Die Essener aber vollzogen ihre Tauchbäder mehrmals täglich. (5) Die Taufe des Johannes gewährleistete Sündenvergebung im künftigen Endgericht. Mit den Tauchbädern der Essener war hingegen niemals der Gedanke an das Endgericht oder die Vermittlung der Sündenvergebung in irgendeiner Weise verbunden. (6) Für Johannes besiegelte die Taufe den Vollzug der Umkehr. Auch für die Essener bedeutete Umkehr strikten Tora-Gehorsam, der sich aber schwerpunktmäßig durch die Rückkehr aus der Diaspora und durch den Beitritt zu ihrer Union konkretisierte. Mit ihren Tauchbädern war das Motiv der Umkehr nie verbunden. (7) Die Essener haben Beitrittswillige erstmalig nach einer einjährigen Wartezeit zur Teilnahme an ihren Tauchbädern zugelassen. Bei Johannes gab es keinerlei obligatorische Wartezeit. (8) Die Essener haben nur eingetragene Mitglieder ihrer Union und Anwärter fortgeschrittenen Stadiums zu ihren Tauchbädern zugelassen. Johannes hingegen taufte alle, die zu ihm kamen, unabhängig von irgendeiner bisherigen organisatorischen Zugehörigkeit und auch ohne die von ihm Getauften seinerseits organisatorisch zu erfassen.

Die einzige Gemeinsamkeit der Johannestaufe mit den Tauchbädern der Essener war die beiderseitige rituelle Nutzung von Wasser zum Untertauchen. Dies war aber ein im damaligen Judentum allgemeinüblicher Ritus, den die Essener nur häufiger praktizierten als andere Juden. Gerade in dieser Hinsicht war die Einmaligkeit des Taufens bei Johannes das genaue Gegenteil essenischer Praxis."

Hartmut Stegemann. Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus. 10. Aufl. 2007 Freiburg/Breisgau. Verl. Herder. S. 306f.
MfG B.
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#7
Ja, alle Verknuepfungen, die ich gesehen habe, waren recht konstruiert.
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