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die Verlorenen Stämme Israels
#46
(18-08-2020, 15:02)Sinai schrieb:
(18-08-2020, 02:45)Ulan schrieb: Sie schickten ihnen wohlgesonnene Kreise mit Beziehungen dorthin in die Provinzen, um diese zu regieren.

Mit solchen pauschalen Vorurteilen wurden die Heimkehrer von der ortsansäßigen Priesterschaft aber sehr verleumdet und bewußt ins schlechte Licht gestellt.

Was soll daran ein Vorurteil sein? Haben die Bewohner Judas je waehrend der Perserzeit rebelliert oder irgendetwas Schlechtes darueber gesagt, dass sie ein Teil einer persischen Provinz waren? Haben sie nicht den Perserkoenig in ihrem heiligen Buch als Christus bezeichnet? Haben sie nicht das Paradies in der Bibel nach einem persischen Palastgarten entworfen (sogar das Wort ist dasselbe)? Haben sie sich dagegengestellt, als die Perser die Idee mit der Regierung durch das ehemalige Koenigshaus aufgaben und stattdessen Gouverneure entsandten (Esra z.B.)? Hat die Priesterschaft nicht die Schrift der persischen Buerokratie im westlichen Reich fuer ihr heiliges Buch uebernommen (die Samaritaner blieben bei der hebraeischen Schrift)? Und all das, obwohl die Perser rein gar nichts taten, die Provinz zu entwickeln.

Ein ordentliches wirtschaftliches und Bevoelkerungswachstum gab's erst in der hellenistischen Zeit. Zur Perserzeit war Jerusalem im ersten Jahrhundert ein Dorf von 500 Einwohnern, und in der Endzeit erreichte es etwa 1500 Einwohner. Das war nur die Priesterschaft. Das ist die Umgebung, in der die Tora geschrieben wurde.

(18-08-2020, 15:02)Sinai schrieb: "Verachtete" Gruppen gab es damals in Judäa zuhauf: Römer, Griechen, Idumäer, Phönizier, etc. etc. etc.

Das Märchen hätte ja auch heißen können: "Der barmherzige Römer" oder "Der barmherzige Grieche"

Aber "rein zufällig" war es ein barmherziger Samariter

Idumaeer waren Juden, Phoenizier waren die reiche Verwandtschaft, deren Geld mit dem Bildnis des Gottes Melkart das einzige innerhalb des Tempels erlaubte war, Roemer beleidigte man lieber nicht, und Griechen waren die, deren Sprache die Evangelienschreiber sprachen. Keiner von denen war wegen der offenen Ablehnung der Jerusalemer Priesterschaft verhasst, was als Verrat empfunden wurde, woran die Bibel keinen Zweifel laesst.
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#47
(18-08-2020, 16:51)Ulan schrieb: Idumaeer waren Juden, Phoenizier waren die reiche Verwandtschaft, deren Geld mit dem Bildnis des Gottes Melkart das einzige innerhalb des Tempels erlaubte war, Roemer beleidigte man lieber nicht, und Griechen waren die, deren Sprache die Evangelienschreiber sprachen.


Idumäer waren keine Juden - das bekam König Herodes zu spüren, der keinen jüdischen Vater hatte, sondern einen idumäischen

Die Phönizier waren die verhaßten Verwandten (in der Apokalypse werden die 12 Stämme Israels geehrt, aber die Stadt Tyrus wird zerstört) - denn die Phönizier waren Polytheisten
Daß Geldmünzen mit dem Kopf eines phönizischen Gottkönigs in Säcken des Tempels lagen, störte nicht, da diese Abbildungen verhüllt waren

Die Römer hätten sich nicht beleidigt gefühlt, wenn Jesus ein Gleichnis erfunden hätte, in dem ein Römer beispielhaft barmherzig ist

Die Evangelisten waren Juden und sprachen im Alltag aramäisch und lasen in der hebräischen Thora; lediglich aus Gründen der Heidenmission schrieben sie das Evangelium auch auf Griechisch, der Lingua Franca der damaligen Levante
Anm.: Das griechisch geschriebene Evangelium verbreitete sich in der gesamten Levante und in ganz Griechenland und in Alexandria (Ägypten) und daher blieb es allen Verfolgungen zum Trotz erhalten, während alle hebräischen Aufzeichnungen der Apostel in den Verfolgungen untergingen. Nicht einmal ein einziger Notizzettel blieb erhalten. Nicht einmal die standesamtlichen Aufzeichnungen über Jesus und die Apostel - obwohl die jüdischen Behörden hier sehr genau waren. Der Brand des Tempels zerstörte sogar alle Abstammungslisten
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#48
(18-08-2020, 17:29)Sinai schrieb: Idumäer waren keine Juden - das bekam König Herodes zu spüren, der keinen jüdischen Vater hatte, sondern einen idumäischen

Die Idumaeer waren zur Makkabaeerzeit gezwungen worden, Juden zu werden. Dass einige religioese Extremisten in Jerusalem sich deswegen aufregten, ist allerdings richtig. Trotzdem, selbst Jahwe hat seinen Ursprung wohl in Edom, wenn man die Bibel aufmerksam liest. Die Edomiter werden nie der Goetzenverehrung bezichtigt, anders als die Nachbarvoelker.

(18-08-2020, 17:29)Sinai schrieb: Die Phönizier waren die verhaßten Verwandten (in der Apokalypse werden die 12 Stämme Israels geehrt, aber die Stadt Tyrus wird zerstört) - denn die Phönizier waren Polytheisten
Daß Geldmünzen mit dem Kopf eines phönizischen Gottkönigs in Säcken des Tempels lagen, störte nicht, da diese Abbildungen verhüllt waren

Die Phoenizier waren massgeblich am Tempelbau Salomos beteiligt (ohne den Koenig von Tyros waere das nicht gegangen), und bevor das in Tyros hergestellte Geld verhuellt werden konnte, musste erst mal damit bezahlt werden, was jeder Tempelbesucher tun musste.

(18-08-2020, 17:29)Sinai schrieb: Die Römer hätten sich nicht beleidigt gefühlt, wenn Jesus ein Gleichnis erfunden hätte, in dem ein Römer beispielhaft barmherzig ist

Es war schlicht ein Ueberlebensskill, sie nicht zu erwaehnen, soweit moeglich. Ausserdem beruht die Geschichte darauf, dass der Barmherzige jemand ist, der allgemein verhasst ist; klingt ungesund, wenn auf Roemer gemuenzt.

(18-08-2020, 17:29)Sinai schrieb: Die Evangelisten waren Juden und sprachen im Alltag aramäisch und lasen in der hebräischen Thora; lediglich aus Gründen der Heidenmission schrieben sie das Evangelium auch auf Griechisch, der Lingua Franca der damaligen Levante
Anm.: Das griechisch geschriebene Evangelium verbreitete sich in der gesamten Levante und in ganz Griechenland und in Alexandria (Ägypten) und daher blieb es allen Verfolgungen zum Trotz erhalten, während alle hebräischen Aufzeichnungen der Apostel in den Verfolgungen untergingen. Nicht einmal ein einziger Notizzettel blieb erhalten. Nicht einmal die standesamtlichen Aufzeichnungen über Jesus und die Apostel - obwohl die jüdischen Behörden hier sehr genau waren. Der Brand des Tempels zerstörte sogar alle Abstammungslisten

Das Apostelkonzil fand offensichtlich auf Griechisch statt, da die Septuaginta benutzt wurde. Der Rest ist reine Spekulation. Paulus kommt auch nicht aus einer aramaeischssprachigen Region, und er hat auch nur in griechischsprachigen Gegenden missioniert (Rom gehoert uebrigens auch dazu).

Jedenfalls wird im NT nicht gegen Griechen polemisiert, und sie eignen sich offensichtlich nicht als das Feindbild, das fuer das Verstaendnis der Erzaehlung gebraucht wird.
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#49
(18-08-2020, 17:29)Sinai schrieb: Idumäer waren keine Juden - das bekam König Herodes zu spüren, der keinen jüdischen Vater hatte, sondern einen idumäischen

Herodes litt sehr darunter, daß sein Vater kein Jude, sondern Idumäer war !
Man ließ es ihn spüren


(18-08-2020, 18:04)Ulan schrieb: . . . bevor das in Tyros hergestellte Geld verhuellt werden konnte, musste erst mal damit bezahlt werden, was jeder Tempelbesucher tun musste.

Gewiß.
Aber das geschah beim Eingangstor. Dort landete dann das Geld mit dem verhaßten Kopf in einem großen Säckel.
Wie eine Quarantänebestimmung. Religiöse Quarantäne
Nie kramten die Tempelbesucher im inneren des Tempels Münzen mir dem verhaßten Kopf hervor und stellten sie zur Schau, den Tempel entheiligend


(18-08-2020, 18:04)Ulan schrieb:
(18-08-2020, 17:29)Sinai schrieb: Die Römer hätten sich nicht beleidigt gefühlt, wenn Jesus ein Gleichnis erfunden hätte, in dem ein Römer beispielhaft barmherzig ist

Es war schlicht ein Ueberlebensskill, sie nicht zu erwaehnen, soweit moeglich. Ausserdem beruht die Geschichte darauf, dass der Barmherzige jemand ist, der allgemein verhasst ist; klingt ungesund, wenn auf Roemer gemuenzt.

Du malst Dir das in der Phantasie so arg aus . . .
Folgende Version wäre ausgesprochen romfreundlich gewesen:
"Ein Jude auf dem Weg von Jerusalem hinab nach Jericho geriet unter die Räuber, die ihn ausplünderten und schwerverletzt liegen ließen. Ein vorüberkommender jüdischer Priester sah den Verletzten und ging weiter, ebenso ignorierte ihn ein jüdischer Levit. Schließlich sah ein römischer Weinhändler den verletzten Mann, erbarmte sich, versorgte dessen Wunden und transportierte ihn auf dem Fuhrwerk zur Herberge. Dort gab er am folgenden Morgen dem Wirt zwei Denare und beauftragte ihn mit der weiteren Pflege, verbunden mit der Zusage seiner Wiederkehr und der Erstattung weiterer Kosten.

Anschließend fragt Jesus, wer von den dreien dem Überfallenen der Nächste gewesen sei. Der Schriftgelehrte erkennt den Sachverhalt und antwortet, dass es der römische Weinhändler gewesen sei. Daraufhin fordert Jesus ihn auf, ebenso wie jener zu handeln."



(18-08-2020, 17:29)Sinai schrieb: Jedenfalls wird im NT nicht gegen Griechen polemisiert, und sie eignen sich offensichtlich nicht als das Feindbild, das fuer das Verstaendnis der Erzaehlung gebraucht wird.

Explizit gegen die Griechen wurde von Jesus nicht polemisiert, sondern gegen alle Heiden
Siehe die schrille Geschichte mit den Kindern und den Hunden

Jesus sagte wörtlich:
Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.
Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.


Siehe Matthäus 15,24 ff

Alle die nicht zum Haus Israel gehören, wurden von Jesus aus dem Hause David als Hunde bezeichnet !

Da ist es dann völlig einerlei, ob der unerwartete Retter ein Idumäer, Römer, Grieche, Phönizier oder sonstwas war

Aber warum gerade konkret ein Samariter ?
Da dürfte eine spezielle Message in diesem Gleichnis stecken, die von den Nichtjuden noch nicht erkannt worden ist
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#50
(18-08-2020, 21:47)Sinai schrieb: Herodes litt sehr darunter, daß sein Vater kein Jude, sondern Idumäer war !
Man ließ es ihn spüren

Du kannst das auch noch so oft wiederholen. Die Idumaeer waren alle geschlossen zum Judentum uebergetreten. Unter Zwang zwar, aber sie waren zumindest von der Religion her Juden. Was bleibt, ist halt normaler Rassismus, wie man ihn halt oefter mal findet.

(18-08-2020, 21:47)Sinai schrieb: Gewiß.
Aber das geschah beim Eingangstor. Dort landete dann das Geld mit dem verhaßten Kopf in einem großen Säckel.
Wie eine Quarantänebestimmung. Religiöse Quarantäne
Nie kramten die Tempelbesucher im inneren des Tempels Münzen mir dem verhaßten Kopf hervor und stellten sie zur Schau, den Tempel entheiligend

Und woher hast Du diese Weisheit? Jesus laesst sich auch im Tempel eine Muenze zeigen. Ganz so strikt wurde das wohl nicht gehandhabt.

Was Deine Roemergeschichte angeht, netter Versuch, aber Jesus hat dann doch die verhasstesten Leute ausgesucht und nicht sonst jemanden.

(18-08-2020, 21:47)Sinai schrieb: Explizit gegen die Griechen wurde von Jesus nicht polemisiert, sondern gegen alle Heiden
Siehe die schrille Geschichte mit den Kindern und den Hunden

Ja, Fremdenfeindlichkeit spielt bei Jesus zum Teil eine grosse Rolle. Trotzdem sind es gerade die Fremden, die in der Erzaehlung besser wegkommen.

Stichelein gegen Griechen spezifisch gibt's zwar auch, aber das haben eh nur gebildetere Zuhoerer mitbekommen.

(18-08-2020, 21:47)Sinai schrieb: Da ist es dann völlig einerlei, ob der unerwartete Retter ein Idumäer, Römer, Grieche, Phönizier oder sonstwas war

Aber warum gerade konkret ein Samariter ?
Da dürfte eine spezielle Message in diesem Gleichnis stecken, die von den Nichtjuden noch nicht erkannt worden ist

Ich habe Dir den Grund genannt. Das ist auch der Grund, warum Jesus auf der anderen Seite des Jordans von Galilaea nach Jerusalem gereist ist. Der tiefsitzende Hass war gegenseitig. Familienzwist ist halt immer der aergste Zwist. Fremde kann man ignorieren.
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#51
(18-08-2020, 22:24)Ulan schrieb: . . . der Grund, warum Jesus auf der anderen Seite des Jordans von Galilaea nach Jerusalem gereist ist. Der tiefsitzende Hass war gegenseitig.  Familienzwist ist halt immer der aergste Zwist. Fremde kann man ignorieren.


Ich erkenne nicht was Du hier konkret meinst oder überhaupt andeuten willst

"auf der anderen Seite des Jordans" . . . Du sprichst in Symbolen. Was war hier, was war dort? Was willst Du denn damit sagen?

Und was für ein Familienzwist?? Daß Du einen "Familienzwist" im übertragenen Sinn meinst, kann ich mir denken. Aber das hilft mir auch nicht weiter. Wer wären die Beteiligten gewesen??

Sind da jetzt nach Deiner Auffassung die Samariter die Guten oder die Bösen ?

________

OK - daß damals viel gestritten wurde, ist mir bekannt - aber das hätte ich auch so gewußt

Und daß die Pharisäer und die Sadduzäer eine Rolle spielten, wußte ich auch.
Und daß Jesus das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter erzählte, wußte ich auch.

Du zeigst nebulos, da war ein Streit Pharisäer - Sadduzäer - Samariter - Römer , Tsching Bum Trara

Aber welche Conclusio ziehst du daraus ??
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#52
Ich schlage vor, kehren wir wieder langsam zum Threadthema zurück: Judentum > die Verlorenen Stämme Israels

Beitrag #3
(10-11-2018, 01:36)Sinai schrieb: . . . Menasseh ben Israel . . .


"Manasseh was most profoundly interested in Messianic problems

He was full of cabalistic opinions, though he was careful not to expound them in those of his works that were written in modern languages and intended to be read by Gentiles."
Zitiert aus: Jewish Enyclopedia
MANASSEH BEN ISRAEL

Ein interessanter, sehr ausführlicher Artikel, den zu kopieren hier nicht der Platz ist. Kann jeder selbst lesen in der Jewish Enyclopedia

Weitere interessante Aussagen dieses Artikels:
"He appears to have directed his attention to the countries in Europe where Jews were not permitted to live, trusting that by obtaining their admission the coming of the Messiah would be accelerated."

Es gibt ein Bild von ihm, und zwar vom berühmten Rembrandt !!
Da mußte er schon eine bekannte Persönlichkeit des politischen Lebens gewesen sein.

"Rembrandt etched a portrait of Manasseh"

Dieses Bild von Rembrandt ist im Wikipedia zu sehen

Der Kabbalist (Jewish Encyclopedia) Manasseh ben Israel konnte die Verlorenen Stämme Israels nicht finden; die in Beitrag #2 erwähnte Suche des in Spanien wirkenden Kabbalisten Abraham Abulafia im 12. Jahrhundert hatte auch nichts gebracht.

Über ihn schreibt die Jewish Encyclopedia:
"One of the earliest cabalists; born 1240 at Saragossa, in Aragon; died some time after 1291.

He was next heard of in Sicily, where he appeared as a prophet and Messiah."
ABULAFIA, ABRAHAM BEN SAMUEL

Somit nicht 12. (Sambation - Wikipedia) sondern 13. Jahrhundert

. . . he appeared as a prophet and Messiah . . .

Wie dem auch sei - die Suche nach den Verlorenen Stämmen Israels geht nun schon seit Jahrtausenden; auch NACHMANIDES hatte sich da die Zähne ausgebissen.

Dennoch ist zu sagen, daß die Falasha in Äthiopien ein großer Fund* waren.
Siehe dazu auch die Diskussion in Religions- und Kulturgeschichte > Das Alter diverser Voelker , ab Beitrag #25



________________



*) "Fund" dürfte nicht der rechte Ausdruck sein, denn sie waren den im Niltal lebenden Juden schon vor Jahrhunderten bekannt; sie wurden dort bereits im 16. Jahrhundert von Rabbi ben Salomon ibn Avi Zimra (Radbaz) als Juden aus dem Stamm Dan anerkannt.
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#53
(18-08-2020, 17:29)Sinai schrieb: lediglich aus Gründen der Heidenmission schrieben sie das Evangelium auch auf Griechisch

Die Septuaginta wurde nicht für Heiden übersetzt, sondern für die griechisch sprechenden Juden im Exil, die des Hebräischen nicht mehr mächtig waren. Die frühchristliche Verkündigung war eine innerjüdische. Die griechische Abfassung des Evangeliums dürfte hier anschließen.Die letzten Bücher der Septuaginta wurden bis ins Jahr 100 n. Chr. übersetzt, das entspricht in etwa der Abfassung des Johannes-Evangeliums.
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#54
(18-08-2020, 23:49)Sinai schrieb: Ich erkenne nicht was Du hier konkret meinst oder überhaupt andeuten willst

"auf der anderen Seite des Jordans" . . . Du sprichst in Symbolen. Was war hier, was war dort? Was willst Du denn damit sagen?

Der direkte Weg von Juda nach Galilaea geht durch Samaria. Juden, die das nicht wollten, weil ihnen in der Gegend die Unterkunft verweigert wurde, nahmen den erheblichen Umweg ueber Peraea (was sowieso Teil desselben Staates wie Galilaea war) auf der anderen Seite des Jordans, Samaria gegenueberliegend. Man denke an Lk 9 (EU):

"51 Es geschah aber: Als sich die Tage erfüllten, dass er hinweggenommen werden sollte, fasste Jesus den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen. 52 Und er schickte Boten vor sich her. Diese gingen und kamen in ein Dorf der Samariter und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen. [3] 53 Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war."

Dass Jesus den Tempel in Jerusalem besuchen wollte, war fuer die Samaritaner ein Sakrileg. Der juedische Koenig Johannes Hyrkanos I. hatte ihren eigenen Tempel auf dem Garizim im Jahre 128 v.Chr. zerstoert, was den Juden nie verziehen wurde.

(18-08-2020, 23:49)Sinai schrieb: Und was für ein Familienzwist?? Daß Du einen "Familienzwist" im übertragenen Sinn meinst, kann ich mir denken. Aber das hilft mir auch nicht weiter. Wer wären die Beteiligten gewesen??

Das steht doch alles da oben. Die Samaritaner machen das Gros der sogenannten "verlorenen Staemme" aus.

(18-08-2020, 23:49)Sinai schrieb: Sind da jetzt nach Deiner Auffassung die Samariter die Guten oder die Bösen ?

Was hat das alles mit "gut oder boese" zu tun? Beide Seiten haben in gewissen Punkten Recht, aber der Karren war in den Sand gefahren, da jeder Positionen vertrat, die fuer die andere Seite komplett inakzeptabel waren.
  • Dass das Judentum im eigentlichen Sinne durch die Rueckkehrer aus Babylonien gegruendet wurde, ist heutzutage die allgemein akzeptierte Version der Geschichte des Judentums, also hier bekommen die Samaritaner den Punkt.
  • Dass die Samaritaner ihren Tempel durch die Juden (und eben nicht durch eine nicht-israelitische Macht) zerstoert bekommen hatten, ist auch ein Knackpunkt, der sich nicht ueberwinden laesst.
  • Dass die Samaritaner hauptsaechlich Frauen mesopotamischer Herkunft geheiratet hatten, ist aber auch richtig. Nur greift hier wiederum ein anderes Religionsverstaendnis: der Norden hat nicht das Mutterprinzip uebernommen, sondern akzeptierte die vaeterliche Linie als massgeblich. Das ist letztlich auch eine theologische Differenz. Man kann argumentieren, dass dieses Festhalten am Mutterprinzip die Juden dann letztlich ihren eigenen Tempel gekostet hatte; auch die Idumaeer waren die staendigen Beleidigungen halt irgendwann leid.

Das alles hat also damit zu tun, dass die Priesterschaft im Jerusalem der Perserzeit, die irgendwann dort die Macht an sich gerissen hatte, versuchte, diesen Alleinvertretungsanspruch ihres eigenen Tempels durchzusetzen, koste es, was es wolle. Die Samaritaner, die ihnen zu Beginn sogar beim Aufbau des Tempels in Jerusalem mitgeholfen hatten und wohl auch beim Schreiben der Tora beteiligt waren, machten den Zirkus irgendwann schlicht nicht mehr mit.

Man darf auch nicht vergessen, dass auch Galilaeer unter Geringschaetzung zu leiden hatten, da auch dort die meisten Juden das Produkt von Zwangskonversionen der Hasmonaeer-Zeit waren. Das Wort "Galilaeer" wurde oft gleichbedeutend mit "Bandit" benutzt, ein Detail, das den meisten Leuten beim Lesen der Texte wohl nicht bewusst ist.
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#55
(19-08-2020, 08:49)Ulan schrieb: der Norden hat nicht das Mutterprinzip uebernommen, sondern akzeptierte die vaeterliche Linie als massgeblich


Das ist ein sehr interessanter Punkt. Immer wieder wird die Frage diskutiert, wann das matrilineare Prinzip eingeführt worden ist.

Ist es durch den Tanach begründet, oder entstand es erst später im Exil in talmudischer Zeit ??

Im Tanach ist ja immer von den "Vätern" die Rede. Wir lesen von Jakobs Tod:
"Er trug ihnen ferner auf und sagte zu ihnen: Ich werde mit meinen Vorfahren vereint. Begrabt mich bei meinen Vätern in der Höhle auf dem Grundstück des Hetiters Efron, in der Höhle auf dem Grundstück von Machpela bei Mamre in Kanaan. Das Grundstück hatte Abraham vom Hetiter Efron als eigene Grabstätte gekauft." 1 Mose 49,29f

Man hört hier so viele unterschiedliche Dinge vom Hörensagen - da wäre es einmal interessant, das selbst nachzulesen

Um wenigstens die Quellen der einzelnen Positionen zu kennen.

Also was wären die Quellen ?

Ich fand einen Artikel im englischsprachigen Wikipedia, der diese alte Diskussion erwähnt:

"Matrilineality in Judaism
( . . . )
The origins and date-of-origin of matrilineal descent in Judaism are uncertain.
( . . . )"
Matrilineality in Judaism - Wikipedia

Hier ist von "early Tannaitic (c. 10-70 CE) times" die Rede - um sich ein Bild machen zu können, wäre die betreffende Talmudstelle dieser Tannaiten der Ersten Generation zu lesen. Was steht dort genau geschrieben? Was sind die Argumente?

Auch die Argumente der Gegenposition wären interessant. Auf welche Stellen im Tanach berufen sie sich?
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#56
Der Tanach ist fuer Samaritaner nicht massgeblich. Samaritaner erkennen nur die Tora als autoritativ an.
Patrilinearitaet ist einfach gelebte Tradition, wie sie, wie Du im letzten Beitrag sebst festgestellt hast, auch in der Tora zu finden ist. Wir reden von Patriarchen. Das war sicher eine Aenderung zu frueheren Zeiten; im Buch Richter haben Frauen ja durchaus auch noch fuehrende Funktionen.

Solche Traditionen erschienen den Autoren wohl als so selbstverstaendlich, dass dazu gar keine Gesetze notwendig waren. Die Interpretationen, die zur Postulierung der Matrilinearitaet fuehrten, gibt der von Dir verlinkte Arikel ja wider; die Stellen, die diesen Interpretationen widersprechen, auch.

Der eklatanteste Fall fuer die Annahme des Mutterprinzips ist der im Buch Ezra erwaehnte Vorfall, wo die Heimkehrer aus Babylon gezwungen wurden, sich von ihren nichtjuedischen Frauen und Kindern zu trennen. Bei so etwas haben die Leute des ehemaligen Nordreichs natuerlich nicht mitgemacht. Dies spricht aber auch dafuer, dass dieses Prinzip erst nachexilisch erzwungen wurde.

Wenn ich mir das im Zusammenhang anschaue, so wurde da anscheinend ein urspruenglich soziooekonomisches Prinzip irgendwann uminterpretiert.
Edit: Wenn ich das richtig sehe, sieht das einer der Rabbis weiter unten im Artikel genauso.
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#57
Ich verstehe nicht so recht, was Du mit Deiner Aussage
(19-08-2020, 13:32)Ulan schrieb: Das war sicher eine Aenderung zu frueheren Zeiten; im Buch Richter haben Frauen ja durchaus auch noch fuehrende Funktionen.
sagen willst
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#58
"Das Judentum" ist keineswegs so monolithisch, wie Du das hier darstellst. Wie auch immer, das ist nicht meine Annahme, sondern die vorherrschende Meinung der Leute, die sich mit den Texten des AT an theologischen Fakultaeten auseinandersetzen - wissenschaftlich halt.

Edit: Zu Deiner editierten Frage: Das Buch Richter gibt sehr fruehe Einblicke in die israelitische Kultur, als diese im Hochland Kanaans entstand. Richter gibt es beiderlei Geschlechts. In spaeteren Zeiten, von David an, war eine Frau in fuehrender Rolle so gut wie unbekannt. Da die Frage der Zugehoerigkeit nach soziooekonomischen Gesichtspunkten gefaellt wurde, gab es wohl auch zu der Zeit eine etwas offenere Handhabung dieser Frage.
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#59
(19-08-2020, 08:49)Ulan schrieb: Man denke an Lk 9 (EU):

"51 Es geschah aber: Als sich die Tage erfüllten, dass er hinweggenommen werden sollte, fasste Jesus den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen. 52 Und er schickte Boten vor sich her. Diese gingen und kamen in ein Dorf der Samariter und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen. [3] 53 Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war."


Derartiges ist man auch heute im ganzen Orient gewöhnt.

Ein Bekannter von mir wollte sich einmal die biblischen Stätten anschauen: Jordanien, Israel, Ägypten

Er erzählte:
Ein Stempel im Reisepaß entwertet ihn, man kann damit nicht mehr das andere Land besuchen - das hört man immer wieder
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