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... Aber ich sage Ihnen ... das Evangelium der Gegensätze und Kontrapunkte
#8
(06-12-2018, 20:31)oswaldo_8553 schrieb: Indem er die Ehebrecherin nicht steinigte, interpretierte Jesus das mosaische Gesetz nicht gemäß seiner „Vision", sondern widersprach dem Gesetz, das diese Art von Strafe für Ehebruch vorsah.


Du scheinst vergessen zu haben, daß sich die Geschichte in der mittlerweile römischen Provinz Judäa abspielte.

Laut Einheitsübersetzung brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt.
Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Nun, was sagst du? Joh 8,5

Es dürfte sich wohl nur um eine rhetorische Frage gehandelt haben, denn im Imperium Romanum durfte keine Hinrichtung (auch keine Steinigung) aufgrund von alten nationalen Stammesrechten vollzogen werden. Ausschließlich der römische Statthalter durfte Todesurteile aussprechen. Hätten diese erwähnten Leute - die Schriftgelehrten (Sadduzäer?) und die Pharisäer die Frau zur Steinigung verurteilt und wäre die Frau dann auch tatsächlich getötet worden, so wären alle anwesenden Richter und ehrenamtlichen Henker von den Römern hingerichtet worden. Als Mörder. Rom duldete keine Justiz von Parallelgesellschaften in seinem Reich

Die Vorschrift, die Moses den Israeliten in der Thora vorgeschrieben hatte, Ehebrecherinnen zu steinigen, war im Römischen Reich nicht mehr durchführbar.

Genau so wenig, wie heute in London die afghanische Community keine Ehebrecherin steinigen darf - da dies als Mord geahndet wird.


Die Antwort von Jesus war diplomatisch: "Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie."

Daß sie dann fortgingen, war sicher nicht darauf zurückzuführen, daß sie ihre Sünden einsahen.
Sie wußten genau, daß sie selbst sterben müssen, wenn sie die Frau töten

Vermutlich war die Motivation der Schriftgelehrten und der Pharisäer, Jesus die Ehebrecherin vorzuführen, eine ganz andere, und zwar wie folgt:
"Rabbi Jesus, schau dir das an - hier ist eine Ehebrecherin, die auf frischer Tat ertappt wurde . . . laut dem Gesetz Mose muß sie gesteinigt werden, um zu verhindern, daß sie nun womöglich das Kind eines familienfremden Mannes austrägt und damit die Sippe ihres Ehemannes ruiniert. Aber leider sind wir unter römischer Besatzung - und so sind uns die Hände gebunden. Eine unlösbare Situation. Du - Rabbi Jesus meinst ja, daß du der Messias seist. Wenn du wirklich der Messias bist, dann ruf deine Legion von Engeln und verjage die Römer - wenn du aber nicht der Messias bist, dann geh weg aus Jerusalem"

In dieser Art könnte ich mir die Unterredung vorstellen. Das Corpus Delicti wurde Jesus vorgeführt
Die verzweifelten Schriftgelehrten und Pharisäer wußten ganz genau, daß sie die Ehebrecherin nicht steinigen durften - weil die römische Justiz bei schweren Delikten der Thora derogierte - und führten Jesus diese Problematik plastisch vor Augen
Sie dachten, daß er kein Messias sei - sondern ein machtloser Prediger - der nun seine Machtlosigkeit vor seinen anwesenden Sympathisanten eingestehen müsse

Sie wollten Jesus öffentlich beschämen

Jerusalem war eben längst eine besetzte Stadt

Unter Umständen war unter den Anklägern bereits vorher eine Diskussion entbrannt, in dem Sinne, daß vielleicht zwei oder drei von ihnen die vage Möglichkeit, daß Jesus doch der erwünschte Messias sei, nicht ausschließen konnten . . . nun wollten sie Jesus zur Handlung zwingen "hic Rhodos, hic salta!"

Wie dem auch sei. Die Frau überlebte
Eine Steinigung war sowieso ausgeschlossen gewesen - mit oder ohne Zutun Jesu

Die Schriftgelehrten und Pharisäer wollten Jesus öffentlich beschämen, aber er drehte geschickt den Spieß um:
Jesus hatte die verzweifelten, da handlungsunfähigen Schriftgelehrten und Pharisäer noch beschimpft, indem er sagte "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie" - wohl wissend, daß niemand einen Stein auf die Frau werfen wird. (Nicht wegen Sünden der Männer, sondern wegen der römischen Besatzung)

Nun hatten die Schriftgelehrten und Pharisäer auch noch den Spott
Ich denke, daß es sehr gefährlich war, diese handlungsunfähigen Rechtsgelehrten derart zu demütigen - und ihnen noch "Sünden" nachzuwerfen - und dies in der Öffentlichkeit (Tempel)

Jesus hätte auch antworten können: "Sehr schlimm diese römische Besatzung, wir können nicht einmal mehr die Vorschriften der Thora befolgen - diese Frau darf wegen der römischen Besatzung nicht gesteinigt werden, das wißt ihr ja auch - der Vater im Himmel sieht dieses Unrecht und wenn das Volk Buße tut, wird er sehr bald eingreifen und die Thora wieder vollinhaltlich in Kraft setzen"


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RE: ... Aber ich sage Ihnen ... das Evangelium der Gegensätze und Kontrapunkte - von Sinai - 11-12-2018, 22:55

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