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Haskala bei Aschkenasim und Sephardim
#1
Es ist interessant, daß die jüdische Aufklärung (Haskala) in Deutschland entstand

"Die Haskala, ab 1831 auch als „jüdische Aufklärung“ bezeichnet, war eine Bewegung, die in den 1770er und 1780er Jahren in Berlin und Königsberg entstand"
Haskala - Wikipedia

Nun fand ich eine interessante Diskussion:

Warum ist in anderen Ländern, etwa Frankreich oder England, in denen es wichtige Aufklärungsbewegungen gab, keine spezifisch jüdische Aufklärungsbewegung entstanden?
"Lapidar gesagt: Die Juden hatten Aufklärung dort nicht so nötig. Es gibt in den sephardisch geprägten Hafenstädten Westeuropas ein viel lockereres Verhältnis der Juden zu den Wissenschaften und den Künsten. Beispiel Amsterdam: Da hatten die Juden eine ganz andere soziale Stellung, sie lebten nicht im Ghetto und hatten auch ganz selbstverständlich Zugang zu Wissenschaft und Künsten, sie genossen Religionsfreiheit. Ähnliches gilt auch für London. Nur im ashkenasischem Raum, also in Mittel- und Osteuropa, gab es diese starke Unterdrückung und Rechtlosigkeit und nur hier gab es auch die strikte Ablehnung seitens der Rabbinen, sich mit nicht-jüdischen Wissenschaften auseinanderzusetzen. Also gab es gewissermaßen auch nur hier die Notwendigkeit für Haskala."

Quelle:
Haskala - Die Gazette
gazette.de/Archiv/Gazette-Aug03-Jan04/Schulte.html

Eine interessante Fragestellung - und eine interessante Theorie

Gerade England (John Locke, David Hume, Adam Smith, David Ricardo) und Frankreich (Jean-Jacques Rousseau, François-Marie Voltaire) gelten als Wiege der Aufklärung - aber die "spezifisch jüdische Aufklärungsbewegung" entstand nicht dort, sondern in Berlin

Und interessant ist auch das Beispiel Amsterdam: in der sephardisch dominierten Stadt lebte Baruch Spinoza

Baruch Spinoza gilt als Vordenker und früher Vertreter der Aufklärung - er wurde aber aus der sephardischen Gemeinde ausgestoßen (Cherem)

Soo wissenschaftsfreundlich war das sephardische Judentum wohl auch nicht, wie in obigem Artikel getan wird

Neben Amsterdam, Hamburg, London und dann Paris sind punkto Aufklärung auch Brandenburg, Berlin (das königliche Tabakskollegium), München (Illuminaten), Wien (Josephinismus und Sonnenfels - Wikipedia) interessant

Daß die "spezifisch jüdische Aufklärung" (Haskala) bei den Ashkenasim entstand, ist jedenfalls interessant und eine Diskussion wert

Interessanterweise war Moses Mendelssohn (der Wegbereiter der Haskala) nicht ein einziges Mal zum Tabakskollegium eingeladen - wo sehr bekannte Aufklärer verkehrten
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#2
(30-03-2019, 00:39)Sinai schrieb: Und interessant ist auch das Beispiel Amsterdam: in der sephardisch dominierten Stadt lebte Baruch Spinoza

Baruch Spinoza gilt als Vordenker und früher Vertreter der Aufklärung - er wurde aber aus der sephardischen Gemeinde ausgestoßen (Cherem)

Soo wissenschaftsfreundlich war das sephardische Judentum wohl auch nicht, wie in obigem Artikel getan wird

Baruch de Spinoza war ein Philosoph, und es waren wohl seine Ausfuehrungen zur Authenzitaet der juedischen Bibel, der Gueltigkeit des juedischen Gesetzes und ueber die Natur des Goettlichen, die zu seinem Ausschluss fuehrten, also Aussagen zu religioesen Kernfragen.

Seine Taetigkeit in der Optik war dafuer ohne Belang.
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#3
(30-03-2019, 11:00)Ulan schrieb: Seine Taetigkeit in der Optik war dafuer ohne Belang.


Die Tätigkeit als Optiker (Herstellung von Brillenlinsen) war schon rein chronologisch ohne jeden Belang, da Spinoza im Jahre 1656 aus dem Judentum ausgestoßen wurde (Cherem) und aus Amsterdam verbannt wurde.

Erst danach - in der Verbannung - begann er, seinen Lebensunterhalt mit der Herstellung von Linsen zu verdienen.
"Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit dem Drehen und Schleifen optischer Linsen." Baruch de Spinoza - Wikipedia

Abgesehen davon, daß dieser Lebensunterhalt keine wissenschaftliche Forschungstätigkeit war, sondern Handwerk (wenn auch ein relativ neuartiges)

"Um 1300 war die Brillenherstellung in Murano bereits etabliert. So war etwa die Verwendung von unreinem Glas untersagt." Brille - Wikipedia

"Das Galilei-Fernrohr, auch holländisches Fernrohr genannt, wurde vom holländischen Brillenmacher Hans Lipperhey um 1608 erfunden" Fernrohr - Wikipedia
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#4
(30-03-2019, 15:50)Sinai schrieb: Die Tätigkeit als Optiker (Herstellung von Brillenlinsen) war schon rein chronologisch ohne jeden Belang, da Spinoza im Jahre 1656 aus dem Judentum ausgestoßen wurde (Cherem) und aus Amsterdam verbannt wurde.

Erst danach - in der Verbannung - begann er, seinen Lebensunterhalt mit der Herstellung von Linsen zu verdienen.
"Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit dem Drehen und Schleifen optischer Linsen." Baruch de Spinoza - Wikipedia

Abgesehen davon, daß dieser Lebensunterhalt keine wissenschaftliche Forschungstätigkeit war, sondern Handwerk (wenn auch ein relativ neuartiges)

"Um 1300 war die Brillenherstellung in Murano bereits etabliert. So war etwa die Verwendung von unreinem Glas untersagt." Brille - Wikipedia

"Das Galilei-Fernrohr, auch holländisches Fernrohr genannt, wurde vom holländischen Brillenmacher Hans Lipperhey um 1608 erfunden" Fernrohr - Wikipedia

Nun, Du hattest die Wissenschaftsfreundlichkeit der Sephardim an dem Bann gegen Spinoza festgemacht. Der tatsaechliche Beitrag Spinozas zur Loesung des Problems von Aberrationen durch den Wissenschaftler Christiaan Huygens und den Mathematiker Johannes Hudde, mit denen er zusammenarbeitete, ist in der Forschung umstritten, aber gut, wir sind uns eh einig, dass das nicht gemeint sein kann.

Leider hat die Gemeinde Spinozas uns nicht verraten, warum genau sie ihn gebannt hat. Da er aber das juedische Gesetz fuer ungueltig hielt und nicht an einen Gott glaubte, der in die Geschicke der Menschheit eingreift, kann man sich vorstellen, dass die Differenzen zentrale religioese Vorstellungen betrafen. Im Prinzip war der Bann wohl auch aus seiner Sicht eine passende Entscheidung. Wer mit der juedischen Gemeinde keine religioesen Vorstellungen mehr teilt, braucht dort auch kein Mitglied zu sein. Er hat ja auch wohl gesagt, dass alles, was der Bann bewirkte, sowieso in seinem eigenen Interesse sei. Sein Verlassen der Stadt hat wohl eher mit seinen einflussreichen Feinden in calvinistischen Kreisen Amsterdams zu tun.
Falls es um die Autorenschaft des Moses ging, verwies Spinoza ja darauf, dass schon ein mittelalterlicher juedischer Kommentator im 12. Jhdt. die Anachronismen im Pentateuch erwaehnt hatte, er also lediglich schon bekannte Dinge zitierte, die er nicht zuruecknehmen muss.
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#5
(30-03-2019, 16:53)Ulan schrieb: Sein Verlassen der Stadt hat wohl eher mit seinen einflussreichen Feinden in calvinistischen Kreisen Amsterdams zu tun.


Der berühmte niederländische Forscher Theun de Vries (gest. in Amsterdam 2005) war da anderer Meinung:
"Nach den Erfahrungen mit den Rabbinern, dem zweiten Bann und durch die Erkenntnis, daß auch wohlgesinnte Regenten ihn nicht ganz vor Verfolgung schützen konnten, wurde Spinoza vorsichtig. " Vries. 77

Theun de Vries war übrigens Kommunist:
"Theun de Vries war Mitglied der Kommunistischen Partei der Niederlande (CPN), für die er im Gemeinderat von Amsterdam saß." Theun de Vries - Wikipedia

Spinoza wurde in einer Kirche begraben. Vgl. Vries. 151 (Und zwar in der Stadt Den Haag)

Quelle:
Vries, Theun de. Baruch de Spinoza. 10. Aufl., Reinbek bei Hamburg Januar 2004. Rowohlt Taschenbuch Verlag

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Es ist auffällig, wie die Synagoge von Amsterdam einen von ihr aus dem Judentum ausgestoßenen Mann - der aber dennoch niederländischer Staatsbürger bleibt - aus der Stadt verbannen kann. Dies widersprach niederländischem Recht.

Die berühmte Jewish Encyclopedia (New York 1906) erwähnt eine Morddrohung:
". . . it is reported that a fanatical Jew even raised a dagger against him . . .
Spinoza was thus cast out at the age of twenty-three from all communion with men of his own faith and race" Jewish Encyclopedia / Spinoza

Was hatte ihm den unerbittlichen Haß der Juden zugezogen? Spinoza hatte Gott als "Substanz" bezeichnet. Eine materialistische Weltanschauung, krasser Atheismus in Opposition zu den Büchern Mose

Die Protestanten bekämpften Spinoza nicht, sie waren froh, die katholische Inquisition verjagt zu haben und wollten keine neue Religionspolizei gründen

Kehren wir zur Diskussion (Beitrag # 1) zurück:
Soo "wissenschaftsfreundlich" war das sephardische Judentum wohl auch nicht, wie in dem in Beiitrag # 1 zitierten Artikel getan wird

Ich sehe da gar keinen Unterschied zwischen sephardischem und aschkenasischem Judentum
Wer Gott als "Substanz" bezeichnete und damit degradieren wollte, dies noch dazu öffentlich publizierte, wurde hier wie da verfolgt

Wie ist "Wissenschaft" definiert? Kann Spott unter der Maske der Wissenschaft auftreten?
Baruch Spinoza starb 1677 - er ist seit 350 Jahren tot. Die heutige Menschheit hat sich an seine Aussagen gewöhnt
Aber wenn ich heute nachdenke - viel nachdenke - erschließt sich mir nicht, was er damit meinte, daß Gott eine "Substanz" sei. Warum diese seltsame Wortwahl ??
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#6
Prof. Steven Nadler, der sich ausfuehrlich mit Spinoza beschaeftigt hat, sieht den Fall des Banns anders als was Du ueber Theun de Vries erzaehlst. Es gab z.B. ein Dekret in der juedischen Gemeinde Amsterdams, das die Diskussion von Glaubensangelegenheiten mit Christen untersagte, damit die errungenen Freiheiten fuer die Juden nicht gefaehrdet wurden. Dagegen hatte Spinoza offensichtlich verstossen. Die calvinistischen Autoritaeten waren auch zeit des weiteren Lebens Spinozas intrumentell in dem Versuch, die Verbreitung seiner Schriften zu verhindern. Spinoza ging diesen weitgehend aus dem Weg, und die christlichen Kontakte, die Du erwaehnst, waren gemaessigte Reformierte wie Remonstranten und Quaker.

Neben dem Verstoss gegen ein geltendes Dekret hatte ihm seine juedische Gemeinde auch uebel genommen, dass er eine Familienangelegenheit nicht vor den rabbinischen Autoritaeten geklaert hatte, sondern ein weltliches Gericht aufgesucht hatte, wo er sich offiziell vom vaeterlichen Erbe losgesagt hatte. Das war notwendig geworden, um zumindest den Zugriff auf sein muetterliches Erbe zur Schuldenbegleichung im Zuge der Nachwehen von geschaeftlichen Schwierigkeiten seiner Familie zu verhindern. Spinoza hatte die Gemeinde wohl auch schon laenger nicht mehr besucht vor seinem Bann, hatte die jaehrlichen Zuwendungen zuerst aufs absolute Minimum reduziert und zuletzt gar nichts mehr gezahlt, was wohl auch nicht gut kam.

Die aus Spanien zugewanderten Juden blieben uebrigens auf Spinozas Seite. Die Hardliner, die auf seinem Bann bestanden, kamen von woanders.

(30-03-2019, 21:43)Sinai schrieb: Kehren wir zur Diskussion (Beitrag # 1) zurück:
Soo "wissenschaftsfreundlich" war das sephardische Judentum wohl auch nicht, wie in dem in Beiitrag # 1 zitierten Artikel getan wird

Ich sehe da gar keinen Unterschied zwischen sephardischem und aschkenasischem Judentum
Wer Gott als "Substanz" bezeichnete und damit degradieren wollte, dies noch dazu öffentlich publizierte, wurde hier wie da verfolgt

Wie ist "Wissenschaft" definiert? Kann Spott unter der Maske der Wissenschaft auftreten?
Baruch Spinoza starb 1677 - er ist seit 350 Jahren tot. Die heutige Menschheit hat sich an seine Aussagen gewöhnt
Aber wenn ich heute nachdenke - viel nachdenke - erschließt sich mir nicht, was er damit meinte, daß Gott eine "Substanz" sei. Warum diese seltsame Wortwahl ??

Du umgehst meine Frage an Dich. Was hat der Fall Spinoza mit "Wissenschaft" oder dem Stellenwert von Wissenschaft im sephardischen Judentum zu tun?

Spinoza war Philosoph, hauptsaechlich beeinflusst von den Ideen eines Descartes, und er hatte die Ideen von Descartes weiterentwickelt. Philosophie und Religion befassen sich im Prinzip mit fast den gleichen Fragen und ueberlappen zu grossen Teilen. Eine andere Idee ueber die Natur Gottes ist kein "Spott", so dass Deine ganze Argumentationslinie sinnlos wird. Spinoza fand die Idee eines persoenlichen Gottes, der in die Geschicke der Menschen eingreift, als nicht haltbar. Da seine Aussagen direkt religioese Kernthemen betrafen, sind seine Probleme mit den religioesen Autoritaeten doch ganz normal; auch die Religionsgemeinschaften untereinander haben da vollkommen unterschiedliche Vorstellungen, die sie unter Umstaenden auch brutal miteinander ausfechten.

Ansonsten scheiterst Du schon an grundlegenden Begrifflichkeiten. Was ist Dein Problem mit dem "Substanz"-Begriff? Die Definition der Trinitaet verwendet den "Substanz"-Begriff; sie definiert Gott als "eine Substanz - drei Personen". Spinoza lehnt hier nur den "Personen"-Teil ab. Auch die Kirchen selbst benutzen die Begrifflichkeiten der griechischen Philosophie.


Weiterhin komme ich mir in letzter Zeit hier vor wie beim "Groundhog Day". Wieso kommen immer wieder dieselben Topics hoch, die wir alle schon mal von Dir hatten (Assmann, Fusswaschung, Spinoza)?
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#7
Die Wahrheit ist, daß Spinoza nicht deshalb aus dem Judentum ausgestoßen wurde, weil er unerwünschte Kontakte mit Christen hatte und weil er knausrig war, sondern weil er Engel als Phantome bezeichnete, und die Seele als sterblich

Siehe hier:

" . . . This was probably after his heretical views had been formally ascertained, according to rabbinical law, by two of his companions, who put questions to him which elicited his opinion that, according to the Scripture, angels were merely fantoms, that the soul is identified in the Bible with life and is regarded as mortal"
Jewish Encyclopedia / Spinoza

Natürlich gibt es heute zahlreiche Strömungen im Judentum, und jede Richtung hat ihre Experten

Ich denke, es ist legitim, wenn ich der berühmten Jewish Encyclopedia (New York 1906) folge.
Der dortige Artikel über Spinoza wurde von Joseph Jacobs geschrieben, dem einstigen President of the Jewish Historical Society of England

Spinoza wurde ausgestoßen, weil er herätische Ansichten (heretical views) verkündete
Das Leugnen der Engel und das Leugnen der unsterblichen Seele war das Kennzeichen der Sadduzäer zur Zeit des Tempels - und das rabbinische Judentum (die Nachfahren der Pharisäer) war nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 in der Diaspora stark genug, diese sadduzäische Ansicht zu bekämpfen

Aber wenn Dich die Diskussion über Spinoza langweilt, müssen wir sie nicht führen.
Du warst es, der das Thema "Spinoza" zu diskutieren begonnen hat
Ich hatte Spinoza in Beitrag # 1 nur am Rande (in drei Zeilen) erwähnt, weil er aus der sephardischen Gemeinde ausgestoßen worden war

Sein Cherem war aber nicht bloß die Ausstoßung aus "seiner" sephardischen Gemeinde, sondern aus allen sephardischen Gemeinden der gesamten Diaspora - und automatisch auch aus allen aschkenasischen Gemeinden der gesamten Diaspora. Spinoza war zur "Unperson" gemacht worden, er war ruiniert

Christ war er keiner (von seinen Ansichten betreffend Engel und Seele wären die Christen auch nicht begeistert gewesen und hätten ihn nicht getauft) - und Jude war er auch keiner mehr - vor 350 Jahren eine schlimme Position

Doch kehren wir gerne wieder zum Hauptthema zurück: Haskala bei Aschkenasim und Sephardim

Es ist ja wirklich sehr interessant, daß die Haskala bei den Aschkenasim entstand

Die Haskala entstand in Norddeutschland - das ist unbestritten
Aber in Berlin (vorwiegend askenasisch) und eben nicht in Hamburg (vorwiegend sephardisch)
Von Berlin strahlte die Haskala dann in den Osten nach Königsberg aus und nach Süddeutschland (München) und Sonnenfels machte die Ideen in der Kaiserstadt Wien salonfähig
"Josephs von Sonnenfels’ Vater Lipman Perlin (1705–1768), ein Sohn des Landesrabbiners von Brandenburg" Joseph von Sonnenfels - Wikipedia

Brandenburg war ebenfalls aschkenasisches Gebiet
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#8
(31-03-2019, 02:02)Sinai schrieb: Die Wahrheit ist, daß Spinoza nicht deshalb aus dem Judentum ausgestoßen wurde, weil er unerwünschte Kontakte mit Christen hatte und weil er knausrig war, sondern weil er Engel als Phantome bezeichnete, und die Seele als sterblich

Die eigentliche Wahrheit ist, wie ich bereits geschrieben habe, dass niemand den exakten Grund kennt. Die Erklaerung zum Bann benennt die Gruende nicht, und die "Apologia", die Spinoza als Antwort geschrieben hat, ist uns nicht erhalten. Daran aendert auch nichts, dass der Artikel auf der Jewish Encyclopedia von Joseph Jacobs geschrieben wurde. Die anderen von mir genannten Gruende werden auch von Experten auf dem Gebiet vertreten, und letztlich werden nur aus dem Rueckblick von spaeteren Schriften Spinozas Vermutungen angestellt.

(31-03-2019, 02:02)Sinai schrieb: Aber wenn Dich die Diskussion über Spinoza langweilt, müssen wir sie nicht führen.
Du warst es, der das Thema "Spinoza" zu diskutieren begonnen hat
Ich hatte Spinoza in Beitrag # 1 nur am Rande (in drei Zeilen) erwähnt, weil er aus der sephardischen Gemeinde ausgestoßen worden war

Du hast Deine Hauptthese im Originalbeitrag am Beispiel Spinoza aufgehaengt, und das Beispiel passt halt nicht, weshalb ich nicht umhin kann, genau das festzustellen.

Aber gut, geh' zum Thema "Haskala" ueber. Man koennte ja z.B. damit anfangen, zu erklaeren, was das genau war und wie sich das genau ausdrueckte.
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#9
Haskala - als Wort nicht zu "übersetzen", es gibt mehrere konkurrierende Bedeutungen:

Laut Jewish Encyclopedia / Haskala:

"HASKALAH (lit. "wisdom" or "understanding," but used in Neo-Hebrew in the sense of "enlightenment," "liberalism"):
Generally, "haskalah" indicates the beginning of the movement among the Jews about the end of the eighteenth century in Eastern Europe toward abandoning their exclusiveness and acquiring the knowledge, manners, and aspirations of the nations among whom they dwell. ( . . . )"


An Definitionsversuchen und Wortklaubereien sollten wir uns nicht festhalten - ob die Bedeutung "wisdom" die treffende ist, oder die Bedeutung "enlightenment"
Die Haskala war (und ist?) ein "movement" (eine Bewegung) im Judentum die ungefähr am Ende des 18. Jahrhunderts ("about the end of the eighteenth century") begann - laut Jewish Encyclopedia in "Eastern Europe"

Berlin zu Osteuropa zu zählen, ist aber nicht zutreffend.
Laut Wikipedia entstand die Haskala außerdem eine Generation früher, in den 1770er Jahren:
"Die Haskala ( . . . ) war eine Bewegung, die in den 1770er und 1780er Jahren in Berlin und Königsberg entstand und sich von dort nach Osteuropa ausbreitete."
Haskala - Wikipedia

Inhaltlich gesehen ergibt sich folgendes Bild:

"As long as the Jews lived in segregated communities, and as long as all avenues of social intercourse with their Gentile neighbors were closed to them, the rabbi was the most influential, and often also the wealthiest, member of the Jewish community. To the offices of religion he added the functions of civil judge in all cases in which both parties were Jews, as well as other important administrative powers. The rabbinate was the highest aim of every Jewish youth, and the study of the Talmud was the means of obtaining that coveted position, or one of many other important communal distinctions.

The extraordinary success achieved by Moses Mendelssohn as a German popular philosopher and man of letters revealed hitherto unsuspected possibilities of influence for the cultured Jew. An exact knowledge of the German language was, of course, necessary to secure entrance into cultured German circles . . . "
Laut Jewish Encyclopedia / Haskala

War bis dahin der Rabbi Richter, höchstes Verwaltungsorgan, Seuchenbekämpfer im Ghetto - "The rabbinate was the highest aim of every Jewish youth" - so strebten nun junge Juden zu Berufen außerhalb - sie besuchten Universitäten, um Jura und Medizin zu studieren

Dabei gerieten sie von Anfang an in Konflikt mit der jüdischen Tradition

Das Studium des Römischen Rechts und des alten Deutschen Rechts sowie des Kirchenrechts als Beispiel
Rechtsbegriffe mit völlig anderem Inhalt

Das Studium der Medizin barg extrem viel Konfliktstoff für 17-jährige Studenten, die bei ihren jüdischen Eltern wohnten
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#10
Zitat:- er hatte die Ideen von Descartes weiterentwickelt. Philosophie und Religion befassen sich im Prinzip mit fast den gleichen Fragen und ueberlappen zu grossen Teilen. Eine andere Idee ueber die Natur Gottes ist kein "Spott", so dass Deine ganze Argumentationslinie sinnlos wird. Spinoza fand die Idee eines persoenlichen Gottes, der in die Geschicke der Menschen eingreift, als nicht haltbar. Da seine Aussagen direkt religioese Kernthemen betrafen, sind seine Probleme mit den religioesen Autoritaeten doch ganz normal; auch die Religionsgemeinschaften untereinander haben da vollkommen unterschiedliche Vorstellungen, die sie unter Umstaenden auch brutal miteinander ausfechten.
Schalom allerseits Icon_lol 
m.E. trifft das den Kern des Problems mit Spinoza
Die die aus Spanien-Portugal verjagten Sephardim-Juden (auch verwandt mit sizilian.-Sued-Italien, arab.-islam. besetzt gewesenen Juden, welche Karl dGr nach Speyer, Worms, Mainz einlud, um ihm die Reichs-Verwaltung aufzubauen) waren unter islam. Bedingungen "Ghimmi" (d.h. doppelte Kopf-Steuer, sich aeusserlich der Muslim-Mehrheit anpassend, aber ansonsten beruflich frei) ja nicht unter europ. Kaiser-Gesetz auf reine Geld-Beschaffung begrenzt und daher in vielen Berufen, auch mal Dichter, Gelehrte, Aerzte (wie Rabbi Mosche ben Maimun ="Maimonides"), Diplomaten oder Uebersetzer bei Hof, in Staedten, im Gross-u.Fern-Handel (aber nicht nur dies) besser verdienend, Allgemein-Bildungs-offener, und bei der 1492-1525-Ausrottung juedischer (und ebenso getaufter Leute jued. Abstammung) in Spanien - dann auch Portugal - entflohen manche mit den Conquistadores-Schiffen in die "Neue Welt" (aber die span.-koenigl. (zwecks Enteignung zugunsten der Krone) eigenmaechtige Inquisition (ohne Erlaubnis vom Hl Stuhl zu Rom, der Zwangs-Taufen verbietet, folgte ihnen leider auch dorthin, da "verschwanden" etliche sogar unter die suedlichen Indianer-Staemme N-Amerikas (und lebten als Indianer mit denen (wie Anfang 20. Jhd, sogar 1 ganzer jued. Unter-Stamm entdeckt wurde), andere schafften es in die Tuerkei, wo man sie bei Osmanen gern aufnahm, um den Staat wirtschaftl. besser zu strukturieren, andere entkamen nach Polen, wo sie zu demselben Zweck gern empfangen u.ziemlich frei behandelt wurden, schon getaufte Sepharden (span. "Marranen", wenn sie noch jued. Ritus und Beziehungen beibehalten hatten) nahm sogar England auf, wo Juden als solche (ca 1298? bis Anfang 19. Jhdverboten waren) - und calvinistNederlande nahmen sie auch als Juden-gebliebene Gemeinden auf. 
Man koennte (wie ein jued. Schul-Geschichts-Buch es praezisierte) theologisch als "stark verweltlicht" angesehn werden, allerdings trotzdem religioes observant, mit viel Sinn fuer Schoenheit, gute Hymnen und Lieder, die heute grad auch zu Pessach und den Herbst-Feiertagen Allgemeingut sind, hatten gern grosse Bibliotheken (sogar die Sonder-Ansicht, dass es kein verbotener "Diebstahl" sei, sich einen Text, den jemand einem Lernenden nicht freiwillig gibt, kurz mal ungefragt "auszuleihen" (um ihn abzuschreiben *g*), eigne Singe-Melodien aus dem Orient und Afrika her, und sprachen untereinander ein "Spaniol" (aehnlich dem Jiddischen aber auf Basis von Spanisch, die am und beim Hl Land wohnhaft Gebliebenen sprachen eine jued. Version von Aramaeisch, das sind keine "Sephardim", aber trafen jued. Pilger aus beiden Bereichen und beide kamen dort mit Talmud-Aramaeisch zurecht) 
  • - ich seh das so, dass der Junge Spinoza sich mit Descartes-Philosophie (statt nur mit Talmud-Thora) befasste, Unterschied zwischen Geist und Materie, dies ja vom Elternhaus aus auch regulaer bei einem Philosophie-Lehrer studieren konnte, und dadurch kam er zu solchen abstrakten Frage-Stellungen zum "Wesen" G0TTES (das Wort "Substanz" besagt nichts Materielleres als "Licht vom Licht" im grossen Credo), und wollte ganz unbefangen mit Leuten darueber disputieren, und erst hiermit kam er in Konflikte mit der Gemeinde Amsterdam. Solche hoch-spezifischen Philosophen-Fachwoerter wuerden normal-schlichte Mitglieder der Gemeinde wohl doch irritiert haben, denk ich, und das sah diese als Problem an, den eignen Mitgliedern den Umgang mit ihm aufzukuendigen. - Wie erwaehnt nahm er den "Bann" hin, ohne sich zu streiten, und lebte dann eben mehr eremitisch abseits der Gemeinde, aber wurde auch niemals Christ. (Als spaeter erwogen wurde, diesen Bann (was auch posthum seine Schriften fuer Juden zu lesen untersagt) aufheben zu lassen, war er schon lange gestorben, aber diese Koerperschaft "Synod von Amsterdam" gab es aber auch nicht mehr, und einen "Cherem" (Bann) aufheben kann nur die identische "juristische Person"). 
Wiederum, die Aschkenazim des roem. Reichs haben eine ganz andere Historie der Entrechtungen und Begrenzung ihrer Taetigkeiten hinter sich, mit Ghetto-Zwang, Landwirtschafts- und Zunft-Handwerks-Verboten, ohne Recht auf auch nur eine kleine Wiese "kaiserlichen Erdbodens", selbst das Brennholz im Winter kaufen muessend, zur Finanz-Beschaffung fuer Kaiser und Fuersten (als "Kammer-Knechteeinzeln verleihbar!), auf Waren-Geld-Handel und Geld-Verleih-Geschaeft (durfte kein Jude verweigern) allenfalls Schmiede und Koehler (wo auch gute Aerzte herkamen) in Waeldern sein duerfend, durften nur an 2 Hochschulen in Italien studieren (Padua (Franziskaner) und Bologna (Dominikaner)?) - Haushalte im Ghetto wurden immer mal wieder wegen der Schuld-Scheine und Pfaender ueberfallen, ausgeraubt und abgebrannt (undenkbar, dort groessere Buechereien zu halten), nach den Kreuzzuegen und nach der Einfuehrung der "christlichen" Seefahrt fuer "Hanse" und "Levante" in den (bis 1806 vorgeschriebenen) immer enger belegten Zwangs-Ghettos wohnend, manches hier bearbeitend, "Lumpen" aller Art ansehnlich reparieren, oder einiges neu-herstellend, auf taeglichen Wanderungen mit "Kurz-Waren"-Handel ueber Stadt und Land zu Kaeufern bringend (in manche Gebiete nur tags-ueber hineingehen duerfend und fuer nachts wieder raus), Geschaefte vermitteln oder als Boten gehend, Maerkte besuchen, Bargeld-Verleih und Geld-Wechseln anbieten, oder im Ghetto hergestellte Waren zum Kauf oder Tausch (manche Schulden konnte der sich-Geld-Leihende auf dem Lande in Gestalt von Lebens-Mitteln "abstottern", und Juden als einzige sesshafte Untertanen ohne Acker und Gaerten konnten so an Nahrungsmittel fuer ihre Familien kommen), oder in Fernhandels-Trecks auf die 10'000 km-"Seiden-Strasse"-Jahres-Tour begrenzt (d.h. durch Sued-Russland (erst spaeter russ.), Ur-Waelder, riesige Suempfe, Raeuber-und Pest-Endemie-Gebiete, und danach eine unvorstellbar harte Wueste, durch etliche fremde Voelker und sehr viele Zoll-Grenzen hindurch) nach N/W-China - es sei denn, fuer den Kaiser-Geburtstag puenktlich ein lebendiges Nashorn aus Afrika oder Indien nach Augsburg zu holen (- bei manchen Sonder-Wuenschen hiess es einfach, "andernfalls man das ganze Ghetto-Volk wieder-mal aus der Stadt vertrieben wuerde") - sie waren auch fuer die Geld-Wirtschaft noetige Grenz-Passanten (Christen durften von Christen keinen Zins erheben, Muslime auch von Muslmen nicht, aber Christen von Muslimen, und vice versa, wobei der Jude (der auch nicht von Juden nehmen soll) es fuer 3 Seiten vermitteln konnte) - fuer diese Nord-Judenschaft (Aschkenazim) war das Thora-Mischna-Lernen (womit schon 3-Jaehrige begannen, weil viele ab 12-jaehrig mit auf Handelstour gehn mussten, z.B. damit je-10-Mann 1 Minjan (d.h. vollwertige Gemeinde) sind, die lernten ihre Themen dann staendig beim Wandern weiter, eine tragbare Heimat und zugleich ein geistlich-frommer Schutz vor Aengsten und Kummer. sich fuer Normal-Untertanen fast unsichtbar, auf separaten Strassen (Reiten und Verteidigungs-Waffen verboten) und an strikt separate Herbergen halten muessend und ueber Sabbath auch ruhen wollend, sie sprachen untereinander Jiddisch (auf Basis von Mittel-Hochdeutsch, regional "gefaerbt" durch Vokabeln des Landes, wo man ueberwiegend lebt, z.B. mit Italienisch oder Polnisch) 
Thora, Mischna, Talmud und viele hebraeische Kommentar-Literatur waren beiden "Arten" von Juden gemeinsam, darueber vergewisserte man sich von Zeit zu Zeit durch Rund-Reisende, doch der Umgang damit war verschieden 
- bis zum Zeitalter der "Aufklaerungs"-Philosophie war auch anlaesslich der Aufhebung des Hl Roem. Reichs Deutscher Nation und "Emanzipation" der Judenschaften verordnet worden, und zugleich Jiddisch unerwuenscht, die voerher beliebten jued. Hauslehrer aus z.B. Polen und Litauen (auch Jiddisch-sprachig, mit eigen-jued. Lern-Schwerpunkten des Mittelalters) sollten jetzt nicht mehr nach Preussen kommen duerfen: "nur wer Hochdeutsch beherrscht darf Buerger-Rechte erhoffen" das betraf auch die andren Sonder-Sprachen der Zimmerleute, Maurer, Viehhaendler etc und Regional-Dialekte(als Hilfe dafuer schrieb Moses Mendelssohn auch eine hoch-deutsche Bibel-Uebersetzung in hebr. Schrift auf, ungefaehr-gleiche Buerger-Rechte setzten sich aber erst bis etwa 1843 ueberall durch). Dass Professor Immanuel Kant (der Sattler-Sohn, der so stur war, nur auf Deutsch zu lehren und auch seine Dissertation zuerst auf Deutsch (nicht Latein) eingereicht hatte, meistens in Koenigsberg, Ostpreussen, blieb, und das evtl (und tatsaechlich) interessierte Normal-Volk in offene Vorlesungen einlud) den "Seiden-Fabrikant" Philosophen Mendelssohn zum Gast-Lehren mit sich in die Uni Koenigsberg nahm, war noch ein "Schock" fuer die Studenten, so etwas loeste in der Nord-Judenschaft einige historisch-neue Probleme aus. 
- Die noch russisch-regierten Juden waren im 19.Jhd zwecks einer "einheitlich russ. Landes-Kirche der Nation" von ueberall im erweiterten russ. Reich her in russ. regierte Laender wie kath. Polen (russ. Drittel) und Litauen, sowie luth. evgl. Baltikum ("Livland") und die roem.-uniert-orthodoxe Ukraine zu den andren nicht-russ.-orthodoxen Voelkern "verschoben" worden, z.B. weg von der gut-eingespielten Seiden-Strasse im Sueden wirtschaftlich entwurzelt und bitterlich arm in kleinen "Staedteln" (nannten sich selbst-ironisch "Luft--Menschen") - diese entwickelten bei soviel aufgezwungener Armut und Untaetigkeit eine eigene jued.-akribische Denker-Schule, und im poln. Umfeld entstanden die "Chassidim"-Schulen mit grosser Lehrer-Verehrung. 
- Die in Dt Landen entzweiten sich in 3 Gruppen: traditionell-mittlere, "orthodox-juedische", die nun jede Zutat in Brauch und Ritus (aus fast 2000 Jahren in dieser Region, z.B mit den Roemern - und nach Untergang Staat Judaeas als Frauen mit Kindern als Teil des Solds gegeben, nach Trier und Koeln gekommen) entfernen wollten, und "liberal-juedische", die im Gegenteit so nah wie moeglich an Staats-Protestanten angeglichen zu praktizieren und viele der "613" Gebote samt andren Unterscheidungs-Zeichen zu unterlassen wuenschten (einige wollten sogar den Sabbath am Sonntag feiern, weil in der Handwerker-Zunft christliche 6-Arbeits-Tage-Woche war und juedische Lehrlinge damit faktisch ausgeschlossen wurden, obwohl Politiker genau das forderten, dass Juden etwas Anderes als irgendwie Kaufmann werden) woraufhin es sogar zu Kloppereien kam, bis die Frage beigelegt war), eine z.B. preussische Volks-Schule fuer 4 Grund-Schul-Faecher lehrte 6-8 J lang soweit Hochdeutsch, einfaches Rechnen und Heimat-Erdkunde sowie Preussen-Geschichte, dass es spaeter fuer einfache Soldaten "genuegen" sollte, unter Kriterien der grundsaetzlichen Religions-Freiheit Pflicht, zu der man notfalls polizeilich abgeholt wurde (aber alles darueber hinaus Gelernte konnte als "unsittliches Verhalten" geruegt werden, wenn Juden zuhause am Nachmittag ihren Kindern mehr Wissen mitgeben wollten), die Minderheiten Juden oder Katholiken mussten sich 1 Schullehrer und 1-Klasse-Schule teilweise teilen, je nachdem, welche Gemeinde mehr Schueler haette (Maedchen und Behinderte, die ja keine Soldaten wuerden, hatten gleich kein Schul-Recht, letztere erst zu meinen Zeiten in der Bundes-Republik, es gab seltene Ausnahmen wie Zenta Maurina). 
- Wiederum, sog. "Hof-Juden" gab es auch praktisch immer, in gross und klein, etwa Juweliere und Gold-Schmiede, in der Elite-Ebene der "Aufklaerungs"-Zeit bekamen trotzdem nur Getaufte (noch lange im 19.Jhd) Zugang zu Beamten-Berufen und akademischen Laufbahnen, fuer manches, wie Arzt und Jurist, konnte man sich in Italien oder Oesterreich qualifizieren, dann konnte man eventuell auch in die Politik. Juedinnen boten Internate fuer junge Damen an, womit der Zugang fuer Frauen zur Hoeheren Bildung auch fuer Maedchen zur Grundschul-Bildung auch generell gefoerdert wurde (was es vor 1800 schon auch mal gab, z.B. im Fuerstbistum Muenster). 
- Es gab eine Industriellen-und Intellektuellen-Schicht, auch in den Haupt-Staedten und Hof-nah, wo man auch "problemlos" Jude sein konnte, und so mischte es sich nach Aufhebung des Ghetto-Zwangs und der Berufs-Verbote in Stadt und Land auch zwischen Sephardim und Aschkenazim im deutschen Alltag, manche passten sich maximal an eine agnostische Lebens-Philosophie an ("lassen wir mal religioese Fragen ganz beiseite, Glaube ist etwas sehr Innerliches"), es gab ab 19.Jhd aber auch positiv-religioese Stroemungen und sogar nennenswert viele Uebertritte ins Judentum (relativ oft evgl. Theologen der Bibel wegen) oder in die roem.-kath Kirche (beruehmt wurden Kardinal Newman, zuvor Anglikaner-Kirchenmann im 19.Jhd, und im 20.Jhd Philosophie-Professorin St Edith Stein, vorher Juedin) - um "Regeln halten wollen zu duerfen". 

- "Haskala" (von Ssekhel, Verstand) ist  vor diesem Hintergrund nicht ganz dasselbe wie "Aufklaerung" bei den anderen, das Talmud-Studium foerdert genaues Aufpassen und nuechtern-logisches Folgern, jeder Schritt muss gedanklich nachvollziehbar sein, antike Griechen z.B. machten sich gerne Spaesse mit Leuten, die nicht woertlich hingehoert hatten (auch mal zu deren geschaeftlichem Schaden bis vor Gericht) und galten in der Apostel-Zeit deshalb als "Spoetter", und dann war ein Unterschied, dass das Christentum sich im Logik-Stand des Philosophen Plato argumentierend entwickelte. 
- Das Judentum in Judaea machte, vom Aegypter-Koenig dazu ermutigt, zuvor das Hellenisieren und Missionieren einer griech. Bibel-Uebersetzung (LXX) eine kurze Zeit lang mit, aber bemerkte, dass angeborene Gemeinsamkeit, die sich an nicht-hinterfragbare Abmachungen der Gruendungs-Vorfahren haelt, wesentlich mehr aushaelt als eine, die auf Ueberzeugt-worden-Sein (Moment) beruht, auch werden die Gebote eher aus Tradition als auf rationale Gruende hin gehalten, also hoerten Pharisaeer-Schulen auf, Judentum als "weise Sitten-Lehre" zu missionieren (es gab damals schon in fast jeder roem. Stadt des Caesaren-Reichs auch eine kleine jued. Gemeinde), und nach der Zerstoerung des Staats Judaea blieben "hellenische" Juden kaum noch uebrig, viele gingen wohl ins im Ausland etwas einfachere Christentum ueber, eben weil durch Argumente dazu gewonnen, und nur das fuer Rom (ab 70 ndZ unter Imperator Vespasianwieder zugelassene (auf vor Herodes dGr rekonstruierte) "hebraeische" (Pharisaeer)-Judentum ("Kategorie" 1-G0TT-Religions-Nations-Volk der Schrift, ohne Tempel und eigenes Land, aber mit anerkanntem Frei-Gericht), das damals den 60 Baende-Talmud (mit dem Themen-Reichtum einer ganzen Universitaet) erstellte, gibt es bis heute. 
- Ab dem "scholastischen" Mittel-Alter kam Aristoteles (der zu Lebzeiten (*384-322^vdZ) weniger beachtete Schueler des Plato, aber Haus-Lehrer und Berater Alexander dGr (*356-323^vdZ)), ueber gelehrte Muslime (aus dem bekaempften Ost-Rom erlangte Manuskripte, nicht verbrannt, sondern verkauft, von "babylonischen" (Bagdad Harun al Raschids), persischen (Isfahan) und "arabischen" (Kairo) Gelehrten, beachtet, und im 12.Jhd im Fatimiden-Sultan-Reich Aegyptens) wissenschaftlich und technisch mit Vorteil genutzt, in die christlichen Hoch-Schulen, und als Uebersetzer (aus Griechisch und Arabisch ins Verwaltungs-und Schul-Latein) eigneten sich wiederum Juden (zumal der Uebersetzer auch wissen sollte um was es geht, und diese waren "von Haus aus" mit Wissenschaftlern vom Talmud her (eben nicht Hellenisten) genug versorgt). Dessen Logik-Lehre, die nur 4 Beweis-Schritte zulaesst, ist sehr diszipliniert, juedische Rechtsprechung und Forschung anerkennt 7 bzw 13 Regeln, die z.B. auch "gesicherten Sprach-Gebrauch" zulassen, kommt etwas schneller zum Ziel) womit die Aristoteles-Schule dann sehr viel Natur beschrieb, und auch eine Argument-Ebene entwickelte, die 3 Monotheismen (im Vergleich Judentum, Christentum und Islam) des selben 1 G0TT vom Sinai einander tolerieren zu koennen (und als allesamt-Nachfahren solcher, die die Konfessionen gruendeten, logischerweise auch bleiben koennen muessen, Vorreiter waren Dominikaner wie St Thomas von Aquin und Franziskaner, und seitens der Juden der Leibarzt des aegypt. Sultans in Kairo, Philosoph und Thora-Kommentator, Maimonides), aber das erste Koenigreich, von dem gesagt wird, dass es auf eine Disputation hin das Judentum als Staats-Religion waehlte, war das Chazaren-Reich nord-oestlich am Schwarzen Meer, soweit ich weiss). 
- "Haskala"-Aufklaerung praegte eine Zeit lang mehr Juden Ostsee-Europas, sich in "Verstand vs Seele" "Ratio vs Mystik" von nord-polnisch-juedischen Chassidim unterscheiden wollend, wie gesagt, durch russ. Massnahmen bedingt auch aus der Seidenstrasse im Sueden weg nach dorthin in die West-Peripherie des Russ. Reichs Nord-Europa, zu den "andren Nicht-recht-glaeubigen" zwangs-verlagert (incl. versprengter Chazaren), und z.B. schickten Juden aus dt Landen ihre Soehne zum Talmud-Studium nach Litauen (z.B. "Tagebuch der Juettel v Hameln" Kaufmanns-Bankiers-Witwe Goldschmied schon vor 1666 aus Altona-(Hamburg), im Alter und um 1700 noch Gattin des Muenzmeisters vom Elsass, beide starben voellig verarmt in Mainz), oder nach Italien oder Sued-und-Ost-Frankreich (wo Raschi v Worms im 15.Jhd der wichtigste Talmud-Kommentator der Aschkenasim geworden war), oder holten sich (auch ins Rheinland) "Haus-Lehrer auf Saison" jedes Jahr aus Polen (auch fuer Toechter und Frauen zum Thora-Mischna-Lernen) von dort nach hier (bis ins 19.Jhd), es gab ja auch infolge Handels-Messe-Besuchen da-entlang Handels-und Familien-Beziehungen, und dies unter Einbeziehung der Hof-Judenschaft des Kaiserhofs in Wien
- Das Zustandekommen der christlich-europaeischen "Aufklaerungs"-Philosophie erfuellt vernuenftige Anliegen, die es eigentlich schon sehr lange gab (z.B. der engl. Philosoph John Locke (*1622-1704^) hielt Wissen auf Basis von Sinnes-Erfahrung (Empirik) fuer entscheidend, und bahnte 1689 mit "Zwei Abhandlungen betreffs des Regierens" die spaetere Verfassung der USA an, bahnte Menschenrechts-Deklarationen in USA und Frankreich, Emanzipation der JudenBeendigung der Sklaven-Kaeufe, der Hexen-Prozesse (deren wichtigste logische Kritik kam anonym von dem Jesuiten Friedrich v Spee, was niemand zu seiner Zeit gelesen haette, wenn sie gewusst haetten, dass es ein "Hexen"-Beichtvater aus Koeln gesagt hat) und der Glaubens-und Rassen-Diskriminierung etc, den Weg (aber auch so etwas war damit, dass es im Druck erschien und gelesen wurde, noch lange nicht in Gesetzen realisiert und fuer die Bevoelkerung umgesetzt). 
- Wir stehn z.Zt. vor aehnlichen Problemen mit der "Auslaender-Integration" und "Behinderten-Inklusion", etwas "paenomenologisch Fremdes" zum Vor-(oder auch Nach)-Teil der davon Betroffenen zu realisieren. Haette man es nicht so verfremdend formuliert, um es von "oben" fuer "alle" zu regeln, haette "Volk" es "auf unterer Ebene, Nachbarn zu sein", menschlich auch schon immer gekonnt (z.B fast alle wichtigen Personen der Bibel waren mal Vertriebene, politische oder auch Wirtschafts-Fluechtlinge, einige auch behindert: Isaak war blind, Jakob schon lange geh-behindert, ehe er (sozusagen auf "Green-card" weil dem Gastgeber-Land nuetzlich) mit der ganzen Gross-Familie nach Aegypten "fuer vorlaeufig 3-4 Generationen" einwanderte, sein Vater und Grossvater waren beide schonmal einer Hungersnot ausgewichen ... - nachdem sie am Nil technisch und wohl auch Wirtschafts-politisch viel dazu gelernt hatten, ist ein Landstrich, der einen Auswanderer Abraham-Haushalt kaum ernaehrte, selbst fuer ein 3 Millionen-Volk durchaus zur Versorgung ausreichend) 
- fast alle Buerger der USA stammen von Fluechtlingen oder Vertriebenen, Rom gruendeten gestrandete "Soeldner"-Phoenizier, es als "Asyl-Geber-Stadt" mit (so-besehn-beliebigen) "Fremden" bevoelkernd, und sieht man genauer hin, ca 3 Millionen aus vorherigem Ost-Deutschland Vertriebene wurden nachkriegs in der Kriegs-demolierten BRD und DDR untergebracht (u.a. auch ich als Baby), was war das fuer ein Umstand, heimisch zu werden, denn "fremd" zu sein verliert sich in 4 Generationen, es sei denn, man selbst will oder soll es nicht.  

- Jetzt kommen wir wieder zu Pessach an, gehn wieder weg (aus Aegypten, dem "Sklaven-Haus", was es zuletzt fuer uns wurde, genau in der 4.Generation seit dem Einzug, aber das war so mit Abraham abgemacht, unser "Weg" und Recht, eine Nation 1 G0TTES in eignen Landes-Grenzen zu werden (auch dafuer gab es damals Voelker-Regeln, was Aegypten dann ja bis nach Koenig Salomo respektierte) und wir denken in der Seder-Nacht an so vieles, auch einen Moment der Trauer um die Aegypter-Wagen-Armee, die ertrank, weil "man" uns denn doch nicht weg-lassen und wieder einfangen wollte, oeffnen die Tuer und "schuetten weg unsern Zorn, dass man Jakob (uns) immer aufisst (ausnuetzt)" und werden lustig - "diese Nacht" war ja nichtmal ein Weglaufen aus Protest wegen der zuletzt so ungnaedigen Behandlung am Nil im Einsatz als rechtlose "Maurer" - nachher stellte sich raus, dass fast jeder Verein dort ohne uns nicht mehr funktionierte ("Gericht ueber alle Vereins-Geiste Aegyptens") 
- wir gingen ja erstmals zum G0TTES-Berg Horeb und hatten keine Ahnung, was uns von dem "hoeheren Wir-Wesen" Abrahams, Isaaks und Jakobs dann als Gesetze gegeben werden wird - es war offensichtlich recht erkennbar schon das, was schon Abraham von sich aus so hielt, Menschen moeglich, machbar, wir haben es dann auch zweimal akzeptiert und gewaehlt (vor und nach den 40 Jahren Wanderung mit dem "politischen Fluechtling" Moscheh Amram-Sohn (in "dieser Nacht" immerhin (woertlich genommen) schon 80 Jahre alt, und Wildnis-fachkundig begleitet von dessen im Exil angeheirateter "Sippe", die dann ihrerseits auch auswanderte und bei Israel wohnen blieb) 
- jedes Jahr fallen mir neue Aspekte dieses Festes auf. 

Hhag sameahh, Pessahh schalom 
mfG WiT 
(/*-*\) ;))),
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#11
(19-04-2019, 04:35)WiTaimre schrieb: - "Haskala" (von Ssekhel, Verstand) ist  vor diesem Hintergrund nicht ganz dasselbe wie "Aufklaerung" bei den anderen, das Talmud-Studium foerdert genaues Aufpassen und nuechtern-logisches Folgern, jeder Schritt muss gedanklich nachvollziehbar sein


Ist die Haskala nicht die Revolte gegen den Talmud ? Und auch gegen die Thora - und überhaupt gegen den Tanach ?

Nein - ist sie nicht

Die Haskala ist die Revolte gegen 80 % des Talmud, Teile der Thora und überhaupt so mancher Teile des Tanach

Die Haskala sucht sich die Rosinen heraus !

Diejenigen Gedanken, die ihr passen, gefallen ihr gut

Ein interessantes Phänomen

Echte Juden (orthodoxe Juden) sehen die Haskala als Haus das auf Sand gebaut ist

Die Frage stellt sich, ob es nachvollziehbar ist, Teile der Thora zu predigen, wenn man andere Teile der Thora ablehnt

Eigentlich eine nicht unberechtigte Fragestellung von Seiten der orthodoxen Juden
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#12
(19-04-2019, 04:35)WiTaimre schrieb: strikt separate Herbergen


Die mittelalterlichen Juden wollten doch strikt separate Herbergen.

In einer normalen Gastwirtschaft wollten sie nicht essen und nächtigen. Sie wollten keinen Linsentopf aus einer Küche in der Schweinefleisch tranchiert wird und das Schweineblut an den Messern und Schneidbrettern und Löffeln und Töpfen und Küchentüchern klebt . . .

Koscheres Essen stellt immense Anforderungen! Und damals vor 1800 waren alle Juden orthodox
Eine Gastwirtschaft würde selbst durch freiwilligen Verzicht auf Schweinefleisch nicht koscher !
Da ist viel mehr vonnöten. Das fängt beim Brotteig an und endet bei der Milch und beim Wein. Die verwendete Seife im Waschraum der Gäste muß ebenfalls koscher sein, es muß durch rabbinisches Diplom garantiert sein, daß nicht einmal Spuren von Schweinefett in der Seife sind.
Die israelische Armee hat ihre liebe Not, da müssen bezahlte Rabbiner in der Kasernenküche anwesend sein die alles ständig überwachen
Die Leintücher in den Gastwirtschaften müssen (der Thora entsprechend) reinrassig sein: pflanzliche Fasern (Leinen) und tierische Fasern (Wolle) dürfen nicht vermischt sein - und daß das auch tatsächlich so ist, muß ein Rabbiner garantieren.
Rindfleisch ist zwar erlaubt aber das Tier muß geschächtet werden ! Und zwar von einem speziell ausgebildeten Fleischer mit Diplom.
Fleisch und Käse dürfen keinesfalls auf dem selben Teller liegen ! Pizza mit Parmesan hat da schlechte Karten, Cheeseburger ebenfalls.
Und es bedarf getrennter Spülbecken (!) für Teller auf denen einmal "milchiges" gelegen ist und für Teller auf denen einmal "fleischiges" gelegen ist, und es müssen zur zuverlässigen Unterscheidung Teller in verschiedenen Farben sein ! Und noch allerlei mehr Hokuspokus
Es ist ein ganzes Buch, was da alles in einer jüdischen Küche zu beachten ist. Und nicht nur in der Küche, sondern auch bei den Zulieferanten
Solche Ansprüche kann man daheim in der eigenen Küche stellen - aber auf Reisen ist das nicht gewährleistet
Aus all diesen Gründen mieden Juden christliche Herbergen und hatten ihre eigenen Herbergen
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