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Diese Form der Diskussion führt nicht weiter, denn einseitige Medienberichte
führen zwangsläufig zu Klischees.
Ich denke man sollte Unterschiede machen und das Motto "Leben und Leben
lassen" stets beachten.
Eine andere Frage ist aber ob einige Glaubensgemeinschaften überhaupt eine
echte Alternative zum Establishment bilden können. Das wäre eine Frage
der inhaltlichen Glaubenslehre und Glaubensausrichtung.
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Im Prinzip ja. Wir haben die Diskussion in diesem Thread ja nur, weil in Deutschland oder Oesterreich Staat und Kirche bis zu einem gewissen Grad verbandelt sind, die offiziellen Strukturen demnach auf dieses Modell zugeschnitten sind, was folgerichtig dazu fuehrt, dass alle anderen Glaubensgemeinschaften aus dem Raster fallen.
Die letzten Jahre haben da zwar, auf Druck der europaeischen Gesetzgebung, zu gewissen Anpassungen gefuehrt. Trotzdem werden aber auch sehr alte Glaubensgemeinschaften, wie die verschiedenen Richtungen des Islam oder des Judentums, mehr oder weniger dazu gezwungen, eine Organisationsstruktur aufzubauen, wobei es ein offenes Geheimnis ist, dass diese kuenstlichen Organisationen im Prinzip nichts zu sagen haben, da die Gemeinden selbst sie oft nicht anerkennen. Das ist aber nur ein Beispiel dafuer, wie das durch die beiden Grosskirchen vorgegebene Modell an seine Grenzen stoesst.
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Hallo 'Kreutzberg'
Welche Antworten hast Du auf die Frage der inhaltlichen Glaubensleere und Glaubensausrichtung ?
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20-09-2019, 20:54
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 20-09-2019, 21:02 von Geobacter.)
Ich bezweifele, dass es echte und falsche Alternativen gibt und dass dann auch noch immer die Medien schuld daran sein sollen, wenn die Leute eine falsche Meinung haben, bestreite ich wehement.
Das Bild, welches diese sogenannten Religionsgemeinschaften von sich nach Außen zeigen, ist meist ganz anderes, als die interne Realität. Dass vielen Menschen diese Unstimmigkeiten nicht entgehen, kann man ihnen nur hoch anrechnen.
Ich habe zwei Religionsgmeischaften-Suizide in meinem Bekannten und Familienkreis miterlebt. Dabei haben die Medien sogar immerschon ausdrücklich wie eindringliche davor gewarnt, sich naiv und dumm auf solche Psycho-Alternativen einzulassen.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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Es ist an dieser Stelle jedoch noch erklärungsbedürftig, welcher Anreiz dazu geführt hat sich einer derartigen Glaubensgemeinschaft überhaupt anzuschließen. Die Unzufriedenheit mit der Zivilgesellschaft und den beiden großen Konfessionen allein scheint hier nicht ausschlaggebend gewesen zu sein.
b) Es wäre sicherlich gut, wenn Neulinge im Prinzip überall eine gewisse Probezeit (freiwillige) eingehen würden, damit Sie Ihren eigenen Anspruch mit dem der Glaubensgemeinschaft abgleichen und reflektieren können.
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Solche Sekten bieten oft so etwas wie eine Ersatzfamilie, da die Beziehungen zwischen den Sektenmitgliedern oft genug viel enger sind (und damit auch die Sozialkontrolle) als in typischen katholischen Gemeinden, besonders in der Stadt. Probezeit nuetzt meist nichts, und viele Glaubensgemeinschaften bieten so etwas ja sogar an. Waehrend dieser Zeit sind alle unheimlich nett, lieb und hilfsbereit. Die Daumenschrauben und der psychische Druck kommen spaeter, wenn der Fang geglueckt ist. Zoegerliche koennen das auch noch vor dem Eintritt erleben, weil da ein wenig "Entscheidungshilfe" geleistet wird, bevor gebeten wird, zu gehen.
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24-09-2019, 17:37
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 24-09-2019, 18:06 von Geobacter.)
(24-09-2019, 13:57)Kreutzberg schrieb: Es ist an dieser Stelle jedoch noch erklärungsbedürftig, welcher Anreiz dazu geführt hat sich einer derartigen Glaubensgemeinschaft überhaupt anzuschließen. Die Unzufriedenheit mit der Zivilgesellschaft und den beiden großen Konfessionen allein scheint hier nicht ausschlaggebend gewesen zu sein.
b) Es wäre sicherlich gut, wenn Neulinge im Prinzip überall eine gewisse Probezeit (freiwillige) eingehen würden, damit Sie Ihren eigenen Anspruch mit dem der Glaubensgemeinschaft abgleichen und reflektieren können.
Deine Vorstellungen von der ganzen Sache sind deutlich naiv.
"Radikalisierung"
Was geht dieser Radikalisierung voraus:
Wir leben in einer Welt in der Erfahrungswerte das Eigentliche und auch das einzig Wirkliche sind. In dieser Welt führen einzig und allein Irrtümer zur Gewissheit. Ausschließlich und immer. Auch in der Wissenschaft.
Vor allem deswegen sind wir Gemeinschaftswesen. Die Irrtümer anderer sichern unsere Existenz. Manche Irrtümer können fatal sein. Andere auch sehr peinlich. Vor allem, wenn man sie öfters wiederholt.
Aber wir kommen nicht drum herum uns, ständig zu irren. Das liegt einfach daran, dass es keine Matrix gibt und also keine Vorbestimmung dessen, wie sich die Dinge zukünftig entwickeln werden. In einer Welt in der alles in Bewegung ist, herrscht ständig das deterministische Chaos. Da kann fortwährend alles passieren. Die Zukunft ist unbekannt..
Man kann zwar an Hand ausgesuchter Bewegungsmuster und bisherigen Erfahrungswerten Wahrscheinlichkeitmodelle erstellen, wie sich die Zukunft entwickeln wird, aber leider nur über sehr kurze Zeitspannen.
Deswegen gibt es so viele Menschen die mit dieser fiesen Wirklichkeit mental einfach nicht klar kommen. Im Glauben kompensieren sie ihre Ängste vor dieser Wirklichkeit. "Da muss es doch etwas heheres geben". "Jemanden der einen Plan hat". Etwas Allmächtiges, Allwissendes.. eine große allumfassende und absolute Wahrheit".
Und nun betrachten wir uns mal den Menschen selbst etwas genauer.
Was bewegt den Menschen am allermeisten? Lassen wir die fundamentalen Grundbedürfnisse mal beiseite.
Jeder Mensch strebt gerne nach emotionaler Ausgeglichenheit. Die allermeisten zumindest.
Ein ganz wichtiger Teil dieser emotionalen Ausgeglichenheit besteht darin, eine möglichst gute bis allerbeste Wertvorstellung unseres Selbst zu haben. Werte sind aber relativ und also vom Vergleich mit anderen Refrenzwerten abhängig.
Und das bewegt natürlich gar einige unserer Artgenossen, solchen ideologischen "Clubs der Auserwählten" beizutreten, die wir als Sekten, oder auch als Religionsgemeinschaften bezeichnen. Der meist unterbewusste Fortpflanzungstrieb spielt bei all dem auch eine ganz große Rolle. Vor allem bei den Männern. Einstmals wurden eher Begatter bevorzugt, die von den Göttern auserwählt schienen. Auch heute noch ziehen Frauen mächtige Männer den schönen vor.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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24-09-2019, 21:17
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 24-09-2019, 21:21 von Sinai.)
(24-09-2019, 13:57)Kreutzberg schrieb: Es ist an dieser Stelle jedoch noch erklärungsbedürftig, welcher Anreiz dazu geführt hat sich einer derartigen Glaubensgemeinschaft überhaupt anzuschließen. Die Unzufriedenheit mit der Zivilgesellschaft und den beiden großen Konfessionen allein scheint hier nicht ausschlaggebend gewesen zu sein.
Interessante Frage. Habe ich mir auch schon oft gestellt.
Allerdings - was ist "die Zivilgesellschaft" ??
Prag 1402 - da entstanden die Hussiten
Münster 1534 - da entstand das Reich der Wiedertäufer
Amsterdam 1617 - da beschlossen die aus England vertriebenen Puritaner, ins ferne Amerika auszuwandern
Die feindliche "Zivilgesellschaft" kann mal das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sein, mal das Anglikanische (protestantische) Königreich England, ein ander Mal die protestantische Republik Holland, dann wieder das Russisch Orthodoxe Reich des Zaren, wieder ein anderes Mal die demokratische Republik Amerika - wo die Zeugen Jehovas im Zweiten Weltkrieg als Wehrdienstverweigerer ins Gefängnis kamen
Sogar in der Deutschen Demokratischen Republik wurden die Zeugen Jehovas verfolgt, im Jahre 1950 sogar schwer
Ich denke, den Sekten ist es egal, wie ihre Umwelt aussieht - egal ob die sie umgebende Gesellschaft kaiserlich, königlich, republikanisch, demokratisch, autokratisch, römisch katholisch, russisch orthodox, anglikanisch oder was auch immer ist
Die Sekten gehen in Opposition, weil sie nur unter Verfolgung leben können
So wie ein Tiefseefisch den enormen - für andere Fische tödlichen - Wasserdruck von 500 Meter Tiefe braucht
Als die Zeugen Jehovas in der BRD den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) erhielten, tat ihnen das nicht gut. Jetzt müssen sie Teil des bisher von ihnen gebrandmarkten 'Systems' sein, da sie sonst ihren Status (der mit sehr vielen Rechten verbunden ist) gefährden würden. Ihre Sprache wurde vorsichtig, wurde juristisch . . .
Man vergleiche die heutigen Schriften samt den Illustrationen mit denen aus 1970
Nun gibt es bereits manche Unzufriedene in ihren Reihen, da wird es bald eine Abspaltung geben die frisch wieder von vorne die Rolle des Tiefseefisches / Märtyrers spielen wird
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Die Idee der emotionalen Ausgeglichenheit ist sicherlich ein wichtiges Motiv bei vielen.
Allerdings haben wir auch sehr viele rationelle Bürger die sowohl konfessionslos als auch christlich geprägt sind.
Das ist auch der Grund weshalb man hier keine eindeutigen Aussagen treffen kann.
Für mich stellt sich überdies die Frage, ob man nicht auch unterscheiden sollte zw. harmlosen Glaubensgemeinschaften
und gefährlichen ...
> wer Methoden anwendet die nahe an zentraler Kontrolle und Gehirnwäsche heranreichen setzt bewusst auf
vertrauenszersetzende Umgangsformen. Es ist für mich jedoch immer noch unklar, ob diese Formen der Sektenstruktur
nicht eher die unangenehmen Ausnahmen bilden, die man als Instrument nutzen kann um generell hier Basching
zu betreiben.
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04-12-2022, 23:06
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 04-12-2022, 23:31 von Sinai.)
(10-09-2019, 17:07)Kreutzberg schrieb: Nach meinem Eindruck waren Sekten früher ja als Opposition zum Mainstream zu verstehen
1.) Was verstehst du unter "früher" ?
Vor 500 Jahren oder vor 2000 Jahren oder vor 3500 Jahren oder vor 4000 Jahren ??
2.) Nicht jede Opposition zum Mainstream wurde zu allen Zeiten und überall auf der Welt als "Sekte" diffamiert und bekämpft, solange sie sich friedlich und kultiviert verhielt.
Wenn aber Mord und Brand zum Repertoire gehörten, dann wurden sie - verständlicherweise - erschlagen.
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Beitrag #38
(24-09-2019, 21:17)Sinai schrieb: . . . . Ich denke, den Sekten ist es egal, wie ihre Umwelt aussieht - egal ob die sie umgebende Gesellschaft kaiserlich, königlich, republikanisch, demokratisch, autokratisch, römisch katholisch, russisch orthodox, anglikanisch oder was auch immer ist
Die Sekten gehen in Opposition, weil sie nur unter Verfolgung leben können
So wie ein Tiefseefisch den enormen - für andere Fische tödlichen - Wasserdruck von 500 Meter Tiefe braucht
Als die Zeugen Jehovas in der BRD den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) erhielten, tat ihnen das nicht gut. Jetzt müssen sie Teil des bisher von ihnen gebrandmarkten 'Systems' sein, da sie sonst ihren Status (der mit sehr vielen Rechten verbunden ist) gefährden würden. Ihre Sprache wurde vorsichtig, wurde juristisch . . .
Man vergleiche die heutigen Schriften samt den Illustrationen mit denen aus 1970
Nun gibt es bereits manche Unzufriedene in ihren Reihen, da wird es bald eine Abspaltung geben die frisch wieder von vorne die Rolle des Tiefseefisches / Märtyrers spielen wird
Ein rein soziologischer (wenn man so will atheistischer) Aspekt, der dennoch nicht vom Tisch gewischt werden sollte.
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Ich denke dass sollte man sicherlich einmal näher beleuchten : liberale Sekten - das ist für viele ein Widerspruch in sich. Allerdings würde das zeigen dass die Selbstisolation und Radikalisierung keineswegs Charaktereigenschaften einer Sekte sein müssen.
Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass eine Sekte einen Verfolgungswahrnehmung zwingend braucht um sich zu radikalisieren.
Die Kritik aus der Bevölkerung hat sicherlich mehrere Quellen. Nach meiner Auffassung spielen dabei folgende Sachtatbestände eine wichtige Rolle :
a) Erfahrungsberichte ausgetretener
b) Medienberichte mit oberflächlichem Focus auf bestimmte Besonderheiten
c) das ausgeprägte Bedürfnis unter sich zu sein.
Wenn diese Annahme zutrifft dann braucht man in der Tat einen Blick fürs Detail und es stellt sich die Frage ob überhaupt eine Person welche nicht aus dem Sektenzirkel kommt dazu etwas kompetentes sagen kann.
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Nun, wenn wir also dann den heute gebraeuchlichen Sektenbegriff nehmen wollen, dann geht's darum, was Geobacter schon ausgefuehrt hat: die Absonderung von der allgemeinen Gesellschaft. Bei christlichen Sekten liegt das oft an einer Orientierung an den biblischen Schilderungen der Urgemeinde und einigen Aeusserungen Jesu, wie die, dass Du Deinen Vater und Deine Mutter hassen sollst. Abweichler werden radikal kalt gestellt.
Als Beispiel nimm', wie Mormonen oder Zeugen Jehovas mit Mitgliedern umgehen, die gegen ihre Regeln verstossen. Persoenlich habe ich das zum Beispiel von einer Mormonin gehoert, die aus der Kirche geworfen wurde, weil sie an der Uni mal im Dormitorium fuer die maennlichen Studenten erwischt wurde. Der Rauswurf bedeutete, mal abgesehen von ihrem Rauswurf an der Uni, dass die meisten ihrer Freunde und vor allem auch die eigene Familie, also Vater, Mutter, Geschwister, etc., von der Kirche Kontaktverbot zu ihr hatten. Das bedeutet einen fast vollstaendigen Verlust des sozialen Netzwerkes, auf das ein Mensch dieses Alters sich zeit seines Lebens verlassen konnte. Das mag zwar im NT so als Jesuswort vorgeschrieben sein, aber die Grosskirchen haben sich von solcherlei radikalen Ansaetzen schon lange verabschiedet.
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(05-12-2022, 21:06)Ulan schrieb: Als Beispiel nimm', wie Mormonen oder Zeugen Jehovas mit Mitgliedern umgehen, die gegen ihre Regeln verstossen. Persoenlich habe ich das zum Beispiel von einer Mormonin gehoert, die aus der Kirche geworfen wurde, weil sie an der Uni mal im Dormitorium fuer die maennlichen Studenten erwischt wurde. Der Rauswurf bedeutete, mal abgesehen von ihrem Rauswurf an der Uni, dass die meisten ihrer Freunde und vor allem auch die eigene Familie, also Vater, Mutter, Geschwister, etc., von der Kirche Kontaktverbot zu ihr hatten. Das bedeutet einen fast vollstaendigen Verlust des sozialen Netzwerkes
Unsinn! Nach dieser "Definition" würde auch der Islam in dieses Raster fallen
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05-12-2022, 22:39
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05-12-2022, 22:43 von Sinai.)
(05-12-2022, 17:45)Kreutzberg schrieb: Ich denke dass sollte man sicherlich einmal näher beleuchten : liberale Sekten - das ist für viele ein Widerspruch in sich.
Ja, auch eine Gruppensex-Gruppierung wie seinerzeit Longo Maï kann eine Sekte sein.
Die hatten einen unglaublichen Drill - wer sich körperlich verweigerte und nicht mitspielte, oder gar Sonntags zur Kirche ging, flog raus
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