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Apokryphon des Johannes (Geheimschrift des Johannes)
#1
Apokryphon des Johannes (AJ).

Gnostische Offenbarungsschrift, die offenbar nachträglich zu einem Gespräch zwischen ↗Jesus und ↗Johannes umgeschrieben wurde.

Überwiegend liegt mit der Schrift ein Monolog vor. Es wird Gedankengut der ↗Sethianischen Gnosis vorgetragen. Der Text ist in vier ↗koptischen Handschriften überliefert. Den Texten NHC III,1 und BG 2 liegt ein kürzerer, den Texten NHC II,1 und IV,1 ein längerer ↗griechischer Grundtext zugrunde. Die Einzelschriften weichen zum Teil erheblich voneinander ab. Die Übersetzer haben offenbar nicht immer den Sinn der griechischen Urschriften erfasst, womit sich einige kaum verständliche Textpassagen des Werkes erklären lassen (Markschies 48). Der in NHC II,1 gegenwärtige Dialog wurde später in den Text eingebunden. Eine Endredaktion des AJ hat offenbar nicht stattgefunden.

↗Irenäus (AH 1,29) fasst nur einen Teil des AJ zusammen. Allgemein wird das als Hinweis verstanden, dass der von Irenäus zusammengefasste Text ursprünglich alleine gestanden hat und erst später mit einem anderen Text vereinigt wurde.

Die im AJ vorgestellte Ideenwelt passt gut mit der (von Irenäus beschrieben) valentianischen ↗Gnosis zusammen, sodass manche Fachgelehrte den Ursprung des AJ zunächst bei ↗Valentinus oder in dessen Umfeld vermuteten. Davon ist heute aber kaum mehr die Rede.

In der Rahmenhandlung polemisiert ein ↗Pharisäer namens Arimanios gegen die Lehren Jesu.

Jesus habe seine Jünger in die Irre geführt, ihre Herzen mit Lügen verschlossen und sie der ↗Tradition der Väter entfremdet, hält er Johannes vor.

Johannes wendet sich ab und geht in die Wüste. Dort öffnet sich der ↗Himmel und eine Lichterscheinung, die mehrfach ihr Aussehen verändert, kommt in Dreigestalt herab und spricht zu ihm:

Warum fürchtest du dich? Ich bin der Vater, ich bin die Mutter, ich bin der Sohn. Ich bin gekommen, um dich  zu lehren, was ist, was war und was sein wird.

Dann wird Johannes über das Entstehen der göttlichen Wesen1 des Oberen und Unteren Kosmos' aufgeklärt.

Zuerst war die Einheit, das Unsichtbare, das Unvergängliche, das über allem ist. Das reine Licht, das kein Auge schauen kann. Es ist ewig und außerhalb der Zeit. Dieses unbeschreibbare, unbegreifliche Licht, ist Er. Es ist nicht richtig, Ihn als einen Gott zu denken, denn Er ist mehr als ein Gott.

Danach erfährt Johannes wie die göttlichen Wesen, die Äonen2 genannt werden, entstanden sind.

↗Barbelo, das weibliche Abbild der höchsten Göttlichkeit, die ins reine göttliche Licht schaute und auf diese Weise ↗Christus empfing, der aus ihr hervorging. ↗Adam, das himmlische Vorbild des Erdenmenschen, sein Sohn ↗Seth und dessen Same. Die vier Lichtengel der Gnade (Amorzel), der Einsicht (Oriael), der Wahrnehmung (Daveithei) und der Klugheit (Eleleth). Und ↗Sophia, die Weisheit, aus der ↗Jaldabaoth3 hervorging, der aus dem oberen Kosmos entfernt und zum Schöpfer der (unteren) Welt wurde.

Eine merkwürdige Konstruktion ist die Fehlleistung eines göttlichen Teilaspekts, der Weisheit, durch die Jaldabaoth, der unvollkommene Schöpfergott und Beherrscher des Unteren Kosmos'  (der fassbaren Welt) entstand.

 
1) Was polytheistischen Anschein hat, will durchaus monotheistisch verstanden werden. Hinweise finden sich im Text (zB in BG 2, p. 26f.): "Was soll ich dir über ihn, den Unbegreiflichen, sagen?[…] Sein Äon ist unvergänglich, in Ruhe existierend, im Schweigen still seiend, derjenige, der vor allem ist. Er ist das Haupt aller Äonen, wenn noch etwas außer ihm existiert.[…] Er betrachtet sich selbst in seinem eigenen Licht, das ihn umgibt, nämlich die Quelle lebendigen Wassers, das Licht voll Reinheit. Die Quelle des Geistes strömte vom lebendigen Wasser des Lichtes. Er versorgte alle Äonen und Welten. In jeder Richtung betrachtete er sein eigenes Bild, indem er es im reinen Lichtwasser sah, das ihn umgibt." (Schenke 81f.)
2) Äon (griech. αἰών, Aion = Lebenszeit; auch: lange Zeit, Ewigkeit). In der gnostischen Literatur sind Äonen in sich geschlossene göttliche Ewigkeiten, von der höchsten Gottheit ausgeflossene (emanierte) göttliche Geisteswesen. Ihre göttliche Kraft verringert sich in dem Grad, in dem sie sich von der höchsten Gottheit entfernen; der Weltschöpfer des ↗Alten Testaments ist einer der geringsten, der Erlöser, Christus, einer der höchsten Äonen.
3) In seiner Emanation Sabaoth (Zebaoth) der Schöpfergott des AT.


Literatur:
Christoph Markschies. Die Gnosis. 22006 München. Verl. C. H. Beck.
Hans-Martin Schenke u.a. Nag Hammadi Deutsch, Studienausgabe. 2007 Berlin. Verl. De Gruyter.



● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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