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Die historische Person hinter Mose
#1
In verschiedenen Threads hier stieß ich auf die Vermutung, dass Mose, wie alle anderen Figuren der Bibel, eine mythologische Figur sei.

Das scheint mir so nicht richtig. Hinter Mose und dem Auszug aus Ägypten lassen sich historische Ereignisse finden.

Vor etwa 3500 Jahren, einige hundert Jahre danach begannen die Israeliten mit der Aufzeichnung des Tanachs, fiel aus dem Raum des heutigen ein feindliches Volk in Ägypten ein. Die Eigenbezeichnung ist mangels eigener Schrift nicht bekannt. Die Ägypter nannten sie Hyksos, was Ägyptologen heute mal als "Herren der fremden Länder" oder "Hirtenkönige" übersetzen.

Die Hyksos errichten ein Reich im Nildelta, Ägypten ist in mehrere Kleinreiche zerfallen und nicht zu Widerstand fähig. Ein gutes Jahrhundert später nimmt der Pharao von Theben den Kampf auf. Vergeblich. Seine Mumie hat auf dem Rücken gefesselte Hände und einen eingeschlagenen Schädel.

Sein Nachfolger - hier kommt allzu früh schon die Pointe - ist dagegen erfolgreicher und erobert einige Gebiete von den Hyksos zurück. Sein Name: Kamose!!!! Nach seinem Tod kommt ein Kind auf den Thron, entweder Sohn oder jüngerer Bruder des Kamose. Sein Name: Ahmose!!!

Er vollendet später die Vertreibung der Hyksos und verfolgt sie bis ins heutige Südpalästina!

Dass sich die Hyksos danach in Luft aufgelöst haben, darf bezweifelt werden. Vielmehr waren das wohl die Vorfahren der Israeliten.

Ein paar Jahrhunderte mündliche Überlieferung machten dann aus der Vertreibung einen Auszug und aus dem Vertreiber einen Führer. 

Die langen kriegerischen Auseinandersetzung erklären auch die 40 Jahre für den Marsch über den Sinai. Der entspäche demnach einer Tagesmarschleistung von fünf Meter Icon_cheesygrin!

Hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ahmose_I.

Manning
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#2
Dass die Aufzeichnung des Tanach vor 1000 v.Chr. auch nur ansatzweise begonnen wurde, wird heute allgemein bezweifelt.

Dass Echos des Rausschmisses der Hyksos in die Exodus-Geschichte integriert wurden, ist auch die Meinung der meisten Alttestamentler. Ich habe hier aber den Eindruck, dass die Definition von "Mythos" nicht richtig gebraucht wird.

"Geschichte" faengt in der Tora so um 850 v.Chr. an. Koenig Ahab von Israel wird da gerne als Wendepunkt genannt. Ab dem Punkt kann man die Geschichten der Tora gegenchecken - es gibt ausserbiblische Referenzen, und diese bestaetigen die biblischen Geschichten in ihren Grundzuegen.

Davor liegt das Zeitalter der "Legenden". Legenden haben normalerweise einen fundierten historischen Hintergrund. Als Beispiel eines legendaeren Charakters koennte man David nennen, oder den historisch vollkommen unbekannten Salomon. David ist zumindest - hoechstwahrscheinlich jedenfalls - in einer gefundenen Stele indirekt in der Bezeichnung einer Stadt oder einer Dynastie genannt. Dass David irgendwann mal Hebron und Jerusalem geherrscht hat, wird so auch weitgehend akzeptiert. Hat er ein vereinigtes Israel regiert? Hier gibt's Zweifel. Die archaeologischen Ueberreste deuten eher auf so etwas wie einen kleinen Viehbaron hin, der in den Erzaehlungen weit ueber seine eigentliche Bedeutung hinaus aufgewertet wurde. Ich koennte mir z.B. vorstellen, dass das, was er eigentlich vereinigte, der Stamm Juda war, der in den aeltesten Erzaehlungen Israels nicht auftaucht. D.h., in Legenden sind historische Ablaeufe erkennbar, aber halt fantastisch uebertrieben.

Moses gehoert dagegen in die Kategorie "Mythos". Wenn man Ahmose I. zu Moses macht, dann wird hier der Pharao zu seinem eigenen Gegenspieler. Ich halte diese Umkehr uebrigens fuer gar nicht mal so unwahrscheinlich, und dass Ahmose I. irgendwo seinen Niederschlag in der Moses-Geschichte gefunden hat, ist auch meine eigene "Lieblingsidee" (ohne Anspruch auf Richtigkeit), weil er nicht nur den "Moses"-Anteil in seinem Namen traegt, sondern auch den biblischen Kurznamen von Jahwe (Jah; hier war aber ein damals in Theben verehrter Mondgott dieses Namens, meist Yah transliteriert, gemeint). Das Problem ist aber offensichtlich, dass der historische Ahmose mit der Exodus-Geschichte direkt so gut wie keinerlei Beruehrungspunkte hat - die einzige Verknuepfung ist die Vertreibung der Hyksos, und natuerlich auch seine Schlachtengeschichte, die wir aus den Wandinschriften im Grab eines seiner Generaele, der denselben Namen wie sein Pharao (also Ahmose) trug, wenigstens teilweise kennen. All die anderen Anteile der Exodus-Geschichte muessen aber anderen Ursprungs sein, da sie keinerlei Parallelen im Leben von Ahmose I. haben. Deshalb ist Moses eine mythologische Figur, da die Exodus-Geschichte der Bibel erkennbar nie so stattgefunden haben kann. Insofern muss man die Hyksos nicht (nur) mit den spaeteren Israeliten gleichsetzen - sie sind wahrscheinlich in vielen Rollen geendet, unter anderem auch in der - spaeter aegyptisch beherrschten - kanaanitischen Stadtbevoelkerung. Auf die Art wurden die Erzaehlungen vielfach gefiltert, und das erklaert auch, warum dann Erzaehlungen ueber einen aegyptischen Pharao dem Sympathietraeger zugeschrieben werden konnten.

Nebenbei angemerkt, ist der Namensanteil Moses bei vielen Aegyptern zu finden, neben Beamten oder Generaelen auch bei vielen Pharaohs. Fuer Kanaan waeren da Thutmosis III. zu nennen (hier ist Thot der Gott), der Kanaan in das aegyptische Herrschaftsgebiet eingliederte, oder halt auch die vielen Pharaos namens Ramses (mit Ra als Gott). Ramses III. z.B. siedelte die Philister in Kanaan an, die ja auch in der Exodus-Geschichte eine entscheidende Rolle spielen und den ahistorischen Charakter der Erzaehlung offenlegen. Mythen enthalten also sicherlich kollektive Erfahrungen, aber die eigentliche Historie dahinter ist nicht mehr zu erkennen.
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#3
Wenn es auch Deine "Lieblingsidee" ist, haben wir ja eine Gemeinsamkeit! Ich bin überzeugt, dass sich hier der Ursprung des "Auszugs" aus Ägypten findet.

Manning
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#4
Einer von vielen, was die Gesamterzaehlung angeht, ja. Moses = Ahmose I. greift aber zu kurz.

Die "vierzig Jahre" auf dem Sinai sind wohl eine Idealisierung. Die Hyksos siedelten im suedlichen Kanaan, bis Ahmose Jahre spaeter ihre dortige Hauptstadt belagerte und zerstoerte. Er war nicht stark genug, um Kanaan zu erobern, aber fuehrte wohl einen Feldzug der verbrannten Erde in Kanaan, damit keine neue Invasion von dort aus moeglich war.

Hier haben wir dann die Geschichten, die von den Leuten erzaehlt wurden, die in das Nomadentum gezwungen wurden, und nach der aegyptischen Eroberung Kanaans dann noch Jahrhunderte darauf warten mussten, dort siedeln zu koennen - was dann nach dem spaetbronzezeitlichen Kollaps im unbesiedelten Bergland passierte. Die Integration eines moeglichen Ahmose-Hymnos wuerde ich aber eher an einem der kanaanitischen, Aegypten-freundlichen Koenigshofe vermuten. Das landete dann alles irgendwann mal in einem gemeinsamen Topf.
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#5
Da das hier der Bereich Studium ist, sollte ich wohl irgendwann mal erlaeutern, warum ich zwar keineswegs denke, Ahmose I. waere Moses gewesen, aber es trotzdem fuer moeglich halte, dass ein paar Schnipsel des historischen Ahmose I. im Moses-Mythos gelandet sind; was dann doch sehr zentrale Schnipsel waeren. Das ist zwar Spekulation, aber ich denke, man kann das weiter begruenden als nur mit dem einzigen, historisch belegten "Exodus" einer grossen semitischen Bevoelkerung aus Aegypten. Dafuer braucht es einen Ausflug in gaengige Erklaerungen zur Entstehung der Exodus-Geschichte, dem Gebrauch von Gottesnamen in der Bibel, ein paar Details zu aegyptischen Pharaonen, ihren Einfluss auf kanaanitische Koenigshoefe, und wie antike Geschichten ueberliefert wurden. Das wird sich dann wohl noch etwas hinziehen.
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