03-01-2005, 23:51
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02.01.2005
Debatte: Umfrage wartet mit positivem Eindruck auf
Studie bringt neue Fakten über Lebenswirklichkeit junger Musliminnen - Von Zeynep Gökhan
(iz)In den letzten Wochen hat man immer wieder Schreckensreportagen über die angeblich im Islam unterdückten und von ihren Familien eingeengten muslimischen Frauen und Mädchen in Deutschland gelesen. Ein Höhepunkt dieser Kampagne war wohl die Spiegel-Titelstory mit dem Titel "Allahs rechtlose Töchter". Einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Debatte leistet nun die Mitte Dezember vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgestellte wissenschaftlich-empirische Studie "Viele Welten leben. Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen mit griechischem, italienischem, jugoslawischem, türkischem und Aussiedlerhintergrund." Die komplette Studie sowie eine Zusammenfassung kann übrigens unter www.bmfsfj.de eingesehen beziehungsweise heruntergeladen werden. Die Parlamentarische Staatssekretärin in diesem Ministerium und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marieluise Beck, hat die Ergebnisse der Studie gemeinsam mit de!
n beiden beteiligten Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Boos-Nünning, Universität Essen, und Prof. Dr. Karakasoglu, Universität Bremen, vorgestellt. In den gedruckten Medien wurde die Studie leider nur wenig hervorgehoben, dafür allerdings in den Abendnachrichten des Fernsehens gewürdigt. Für die Studie wurden erstmalig junge Migrantinnen im Alter von 15 bis 21 Jahren repräsentativ zu etlichen Themen befragt, wie zu Bedingungen des Aufwachsens junger Migrantinnen und zur Bedeutung der Familie, Schule und Ausbildung, Partnerschaft und Religiosität. Die Befragten Musliminnen in der Studie sind vor allem türkischer, aber auch (ex-)jugoslawischer Herkunft. In der aktuellen Debatte wird vor allem solchen jungen muslimischen Frauen, die eine enge religiöse Bindung oder eine starke Familienorientierung haben, ein eben dadurch mangelndes Interesse an Integration, Bildung oder an ihrem Lebensumfeld unterstellt. Dass dies der Realität und der Selbstwahrnehmung dieser jungen Frauen überha!
upt nicht entspricht, wird durch die Studie nun auch der Öffentlichkei
t nachgewiesen.
Bei der Präsentation der Studie kritisierte Frau Prof. Boos-Nünning ausdrücklich die vorherrschende Bild, das die Medien gerade von muslimischen Frauen und Mädchen zeichnen. Durch die Aneinanderreihung von Einzelschicksalen werde der Eindruck erweckt, Unterdrückung und Zwangsverheiratung sei in muslimischen Familien gewissermaßen an der Tagesordnung. Dies wurde durch die Befragungsergebnisse jedoch widerlegt. Gerade auch junge Musliminnen haben oft ehrgeizige Ziele bezüglich Bildung und Berufstätigkeit und zählen zu den "Bildungsaufsteigerinnen". Sie wollen an der Gesellschaft partizipieren. Die muslimischen Eltern unterstützen ganz überwiegend ihre Töchter dabei. Musliminnen fühlen sich in ihrer Religion überwiegend akzeptiert und nicht unterdrückt, sehen ihre Zukunft zum großen Teil in Deutschland, möchten aber die Kultur ihrer Eltern und die enge Familienbindung, die ihnen wichtig ist, nicht aufgeben. Die Eltern haben für die befragten jungen Musliminnen eine sehr hohe Be!
deutung, und die enge Bindung zu den Eltern und der Familie hat eine große Wichtigkeit. Das Zusammenleben in der Familie und das Verhältnis zu den Eltern wird überwiegend als harmonisch erfahren. Der oft vermutete massive Generationskonflikt findet demnach also so nicht statt. Eine Mehrheit der jungen Musliminnen bezeichnet sich als als sehr stark oder stark religiös, ist dabei aber tolerant gegenüber anderen Religionen und stark am interreligiösen Austausch interessiert. Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung wurden von türkisch-muslimischen Mädchen häufiger gemacht als von den anderen befragten Migrantinnengruppen. Als eine der Folgerungen der Ergebnisse wird von den Verfassern genannt, dass die Mehrheitsgesellschaft mehr Respekt vor den Werten und Einstellungen der Befragten zeigen müsse. Im Gespräch mit der IZ bestätigten in der islamischen Frauen- und Mädchenarbeit tätige Frauen, dass das eigentliche Problem junger Muslimininnen nicht die eigene Religion ist. Au!
ch nicht die Familie, in der sie, anders als in der mehr materialistis
ch orientierten Gesellschaft, Geborgenheit und Liebe finden. Es ist vielmehr die mangelnde Anerkennung und Diskrminierung durch die Mehrheitsgesellschaft ist - eine Situation, die durch die Art der Medienberichterstattung noch angeheizt und verstärkt wird. So finden Musliminnen, die ein Kopftuch tragen, trotz ausgezeichneter Abschlüsse und Qualifikationen in der Regel kaum oder nur unter massiven Schwierigkeiten eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle. Was das Interesse am Erlernen beziehungsweise Verbessern der deutschen Sprache betrifft, so bestehe dies durchaus, nur fehlten oft die Möglichkeiten, da für bessere Sprachkenntnise auch der Zugang zur Mitte der Gesellschaft gewährt werden müsse, wohingegen es derzeit an Akzeptanz seitens der Mehrheitsgesellschaft fehle.
Die Erfahrungen alltäglicher Diskriminierung hätten zudem noch zugenommen. Und was das bedrückende Phänomen der Heiraten unter Zwang betrifft, die islamisch nicht gerechtfertigt werden können, so berichten muslimische Frauen, die mit Betroffenen arbeiten und eine möglichst einvernehmliche Lösung zu finden versuchen, dass hier mit behutsamem Vorgehen unter Einbeziehung der Eltern und dritter Vertrauenspersonen der Familie die besten Ergebnisse erzielt werden können. Es sei eine Angelegenheit, die vor allem innermuslimisch angegangen werden müsse, und in die auch die Moscheegemeinden und Imame einbezogen werden sollten. Ein Problem dabei sei aber, dass solche Fälle von Zwangsheiraten gerade eher unter weniger religiösen Familien vorkämen, die man nicht oder nur bedingt über die Moscheegemeinden erreichen kann. Ob die neuen, empirisch untermauerten Erkenntnisse über die tatsächliche Situation junger muslimischer Frauen in Deutschland zu einer Änderung der bisherigen diffamierenden Berichterstattung und der entsprechenden populistischen Ausnutzung von Politikern führen, bleibt abzuwarten. Und um negative Stereotype und Ressentiments in der Bevölkerung, wie das der unterdrückten und rückständigen muslimischen Frau, das auf jahrelanger Desinformation beruht, tiefgreifend zu ändern, dürfte wohl noch viel mehr nötig sein.
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http://www.islamische-zeitung.de
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02.01.2005
Debatte: Umfrage wartet mit positivem Eindruck auf
Studie bringt neue Fakten über Lebenswirklichkeit junger Musliminnen - Von Zeynep Gökhan
(iz)In den letzten Wochen hat man immer wieder Schreckensreportagen über die angeblich im Islam unterdückten und von ihren Familien eingeengten muslimischen Frauen und Mädchen in Deutschland gelesen. Ein Höhepunkt dieser Kampagne war wohl die Spiegel-Titelstory mit dem Titel "Allahs rechtlose Töchter". Einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Debatte leistet nun die Mitte Dezember vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgestellte wissenschaftlich-empirische Studie "Viele Welten leben. Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen mit griechischem, italienischem, jugoslawischem, türkischem und Aussiedlerhintergrund." Die komplette Studie sowie eine Zusammenfassung kann übrigens unter www.bmfsfj.de eingesehen beziehungsweise heruntergeladen werden. Die Parlamentarische Staatssekretärin in diesem Ministerium und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marieluise Beck, hat die Ergebnisse der Studie gemeinsam mit de!
n beiden beteiligten Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Boos-Nünning, Universität Essen, und Prof. Dr. Karakasoglu, Universität Bremen, vorgestellt. In den gedruckten Medien wurde die Studie leider nur wenig hervorgehoben, dafür allerdings in den Abendnachrichten des Fernsehens gewürdigt. Für die Studie wurden erstmalig junge Migrantinnen im Alter von 15 bis 21 Jahren repräsentativ zu etlichen Themen befragt, wie zu Bedingungen des Aufwachsens junger Migrantinnen und zur Bedeutung der Familie, Schule und Ausbildung, Partnerschaft und Religiosität. Die Befragten Musliminnen in der Studie sind vor allem türkischer, aber auch (ex-)jugoslawischer Herkunft. In der aktuellen Debatte wird vor allem solchen jungen muslimischen Frauen, die eine enge religiöse Bindung oder eine starke Familienorientierung haben, ein eben dadurch mangelndes Interesse an Integration, Bildung oder an ihrem Lebensumfeld unterstellt. Dass dies der Realität und der Selbstwahrnehmung dieser jungen Frauen überha!
upt nicht entspricht, wird durch die Studie nun auch der Öffentlichkei
t nachgewiesen.
Bei der Präsentation der Studie kritisierte Frau Prof. Boos-Nünning ausdrücklich die vorherrschende Bild, das die Medien gerade von muslimischen Frauen und Mädchen zeichnen. Durch die Aneinanderreihung von Einzelschicksalen werde der Eindruck erweckt, Unterdrückung und Zwangsverheiratung sei in muslimischen Familien gewissermaßen an der Tagesordnung. Dies wurde durch die Befragungsergebnisse jedoch widerlegt. Gerade auch junge Musliminnen haben oft ehrgeizige Ziele bezüglich Bildung und Berufstätigkeit und zählen zu den "Bildungsaufsteigerinnen". Sie wollen an der Gesellschaft partizipieren. Die muslimischen Eltern unterstützen ganz überwiegend ihre Töchter dabei. Musliminnen fühlen sich in ihrer Religion überwiegend akzeptiert und nicht unterdrückt, sehen ihre Zukunft zum großen Teil in Deutschland, möchten aber die Kultur ihrer Eltern und die enge Familienbindung, die ihnen wichtig ist, nicht aufgeben. Die Eltern haben für die befragten jungen Musliminnen eine sehr hohe Be!
deutung, und die enge Bindung zu den Eltern und der Familie hat eine große Wichtigkeit. Das Zusammenleben in der Familie und das Verhältnis zu den Eltern wird überwiegend als harmonisch erfahren. Der oft vermutete massive Generationskonflikt findet demnach also so nicht statt. Eine Mehrheit der jungen Musliminnen bezeichnet sich als als sehr stark oder stark religiös, ist dabei aber tolerant gegenüber anderen Religionen und stark am interreligiösen Austausch interessiert. Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung wurden von türkisch-muslimischen Mädchen häufiger gemacht als von den anderen befragten Migrantinnengruppen. Als eine der Folgerungen der Ergebnisse wird von den Verfassern genannt, dass die Mehrheitsgesellschaft mehr Respekt vor den Werten und Einstellungen der Befragten zeigen müsse. Im Gespräch mit der IZ bestätigten in der islamischen Frauen- und Mädchenarbeit tätige Frauen, dass das eigentliche Problem junger Muslimininnen nicht die eigene Religion ist. Au!
ch nicht die Familie, in der sie, anders als in der mehr materialistis
ch orientierten Gesellschaft, Geborgenheit und Liebe finden. Es ist vielmehr die mangelnde Anerkennung und Diskrminierung durch die Mehrheitsgesellschaft ist - eine Situation, die durch die Art der Medienberichterstattung noch angeheizt und verstärkt wird. So finden Musliminnen, die ein Kopftuch tragen, trotz ausgezeichneter Abschlüsse und Qualifikationen in der Regel kaum oder nur unter massiven Schwierigkeiten eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle. Was das Interesse am Erlernen beziehungsweise Verbessern der deutschen Sprache betrifft, so bestehe dies durchaus, nur fehlten oft die Möglichkeiten, da für bessere Sprachkenntnise auch der Zugang zur Mitte der Gesellschaft gewährt werden müsse, wohingegen es derzeit an Akzeptanz seitens der Mehrheitsgesellschaft fehle.
Die Erfahrungen alltäglicher Diskriminierung hätten zudem noch zugenommen. Und was das bedrückende Phänomen der Heiraten unter Zwang betrifft, die islamisch nicht gerechtfertigt werden können, so berichten muslimische Frauen, die mit Betroffenen arbeiten und eine möglichst einvernehmliche Lösung zu finden versuchen, dass hier mit behutsamem Vorgehen unter Einbeziehung der Eltern und dritter Vertrauenspersonen der Familie die besten Ergebnisse erzielt werden können. Es sei eine Angelegenheit, die vor allem innermuslimisch angegangen werden müsse, und in die auch die Moscheegemeinden und Imame einbezogen werden sollten. Ein Problem dabei sei aber, dass solche Fälle von Zwangsheiraten gerade eher unter weniger religiösen Familien vorkämen, die man nicht oder nur bedingt über die Moscheegemeinden erreichen kann. Ob die neuen, empirisch untermauerten Erkenntnisse über die tatsächliche Situation junger muslimischer Frauen in Deutschland zu einer Änderung der bisherigen diffamierenden Berichterstattung und der entsprechenden populistischen Ausnutzung von Politikern führen, bleibt abzuwarten. Und um negative Stereotype und Ressentiments in der Bevölkerung, wie das der unterdrückten und rückständigen muslimischen Frau, das auf jahrelanger Desinformation beruht, tiefgreifend zu ändern, dürfte wohl noch viel mehr nötig sein.
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http://www.islamische-zeitung.de