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Gibt es grundsätzliche Erkenntnisgrenzen in der Physik?
(10-02-2021, 23:18)Noumenon schrieb: Im Prinzip haben wir es hier mit drei "Welten" zu tun:

1) die Welt der Dinge, Fakten, Tatsachen usf.
2) die Welt der Begriffe, Modelle, Konstrukte, Konzepte usf.
3) die Welt der Symbole, Bezeichnungen, Worte, Sprache usf.

Das ist mir auch schon aufgefallen.

Wenn man die "Welt der Wirtschaft" betrachtet:

1) Statistik der Zahl der Arbeitslosen
2) Modelle (Liberalismus, Sozialismen, Kommandowirschaft, kath. Soziallehre, etc etc etc)
3) Mathematische Symbole wie etwa der geheimnisvolle Chi Quadrat Test mit altgriechischen Symbolen die für heutige Mitteleuropäer schwer zu schreiben sind

Voelliges OT entfernt; ansonsten geht's hier um Physik, nicht um Freimaurer, den aegyptischen Totenkult, Sigmund Freud, die napoleonischen Feldzuege oder die politische Situation in Aegypten - Ulan
Begriffe und Bilder kommen oft in den Weg des Verstehens, ja, gerade wenn sie mehrdeutig sind und fuer die Beschreibung neuartiger Konzepte benutzt werden. Z.B. sind Visualisierungen des Urknalls, wie wir sie oft im Fernsehen oder Videos sind, fast immer falsch, weil wir fuer die Beschreibung dieses Vorgangs auf bekannte Bilder zurueckgreifen, die aber gar nicht richtig zu dem Modell, das beschrieben werden soll, passen. Begrifflichkeiten bekommen ein Eigenleben, das weitere Bilder in unserer Vorstellung erzeugt, die mit der urspruenglichen Sache, die beschrieben werden sollte, nichts mehr zu tun haben.
(16-12-2020, 16:28)Ekkard schrieb: Man kommt "der Realität" überhaupt nicht bei, im Wesentlichen weil unser Gehirn aus den Sinnesreizen (nicht aus den Dingen!) Modelle erzeugt, uns also Geschichten erzählt. Ihr einziger, biologischer Zweck ist das Überleben in einer Welt voller Rauschen, aus dem unsere Hirne Gefahr und Gutes (Essbares, Partner) heraus filtern müssen.

"Dinge an sich" und "Realität" sind schlichte Unterstellungen im Sinne des o. a. Zwecks. Es gibt rein gar nichts, was man gegen den Unterschied zwischen Realität (draußen in der Welt) und Weltmodellen (Eigenmythos) in unseren Köpfen tun kann. Im Gegenteil, es ist eher so, dass wir außer dem Experiment (dem Ergebnis unseres Tuns) kein Indiz für irgend eine Eigenschaft der Realität haben.

Dass mathematische (oder philosophische) "Gegenstände" (ich bevorzuge "Konstrukte") "real" sind, kann nur bezüglich der gedanklichen Tätigkeit des Mathematikers (des Philosophen) gesagt werden. Mit der empirischen Methode sind sie in der Außenwelt (also unabhängig vom menschlichen Nachdenken) in keiner Weise nachweisbar (so wenig wie "schön" oder "gut" s. 'Geobacter'). Sie sind bestenfalls in Modellen anwendbar, die experimentelle Ergebnisse bestmöglich reproduzieren (aber nie mehr!).

Ich kann deine philosophie-geschichtlichen Hinweise nur mit Staunen zur Kenntnis nehmen. Überzeugen tun sie mich nicht.

Ja natürlich sind philosophische oder mathematische Gegenstände nicht experimentell überprüfbar, weil sie eben anderer Natur sind. Mit einem Experiment kann ich nur Sachen "messen", deshalb kann ich natürlich ein mathematisches Objekt nicht "vermessen", aber das ist ja ein Zirkelschluss? Die empirische Methode, wie du sie nennst, hat natürlich keine Möglichkeit so etwas zu messen, weil es von Anfang an unmöglich ist, per Definition. Zu den naturwissenschaftlichen Axiomen gehört, laut deiner Aufzählung, z.B auch die Kausalität. Die Kausalität lässt sich aber auch nicht messen, aber trotzdem kann man mit ihr sehr gute Ergebnisse vorzeichnen.

Die Annahme, dass sich unser Universum nicht ständig ändert, ist eben keine empirisch, statistische Annahme, sondern ist für die Naturwissenschaft notwendig. In einem Universum, in welchem sich ständig alles chaotisch verhalten würde, könnten wir keine Physik mehr betreiben.
(06-03-2021, 13:27)Holmes schrieb: ...natürlich sind philosophische oder mathematische Gegenstände nicht experimentell überprüfbar, weil sie eben anderer Natur sind. Mit einem Experiment kann ich nur Sachen "messen", deshalb kann ich natürlich ein mathematisches Objekt nicht "vermessen", aber das ist ja ein Zirkelschluss?
Nein, sondern ein so genannter "Kategorienfehler". Ausgedachte Objekte haben mit unserer Realität nun mal nichts zu tun. Es sei denn, ein solches Objekt beschreibt (wie eine Sprache) einen empirischen Zusammenhang z. B. von Messdaten. So geschehen im Falles des "freien Falles" (Fallweg = g*t²/2)
Das ist aber nichts weiter, als das, was wir mit Sprachsymbolen fast ständig tun - eine willkürliche, dem Menschen eigene, Kodierung zur Mitteilung von Beobachtungen.

(06-03-2021, 13:27)Holmes schrieb: Die empirische Methode, wie du sie nennst, hat natürlich keine Möglichkeit so etwas zu messen, weil es von Anfang an unmöglich ist, per Definition.
Nicht der Definition wegen, sondern weil es Unsinn ist: Eine Messung stellt eine Frage an die Natur nicht an den Menschen! Es ist der Mensch, der schließlich Zusammenhänge in Messdaten nachmodellieren möchte. Welche gedanklichen Objekte dazu nötig sind, hängt mit seiner Denkfähigkeit zusammen, nicht mit der Natur.

(06-03-2021, 13:27)Holmes schrieb: Zu den naturwissenschaftlichen Axiomen gehört, laut deiner Aufzählung, z.B auch die Kausalität. Die Kausalität lässt sich aber auch nicht messen, aber trotzdem kann man mit ihr sehr gute Ergebnisse vorzeichnen.
Nun, man kann die Kausalität als ein Konzept oder als ein Naturgesetz auffassen. Aber Kausalität ist etwas innerhalb gewisser Grenzen nie widerlegtes Konzept.

(06-03-2021, 13:27)Holmes schrieb: Die Annahme, dass sich unser Universum nicht ständig ändert, ist eben keine empirisch, statistische Annahme, sondern ist für die Naturwissenschaft notwendig. In einem Universum, in welchem sich ständig alles chaotisch verhalten würde, könnten wir keine Physik mehr betreiben.
Nun, in der Mikrophysik müssen wir auf statistische Größen ausweichen. Dort gilt durchaus, dass sich die Dinge recht spontan (im Einzelfall unvorhersehbar) entwickeln.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(06-03-2021, 22:37)Ekkard schrieb:
(06-03-2021, 13:27)Holmes schrieb: ...natürlich sind philosophische oder mathematische Gegenstände nicht experimentell überprüfbar, weil sie eben anderer Natur sind. Mit einem Experiment kann ich nur Sachen "messen", deshalb kann ich natürlich ein mathematisches Objekt nicht "vermessen", aber das ist ja ein Zirkelschluss?
Nein, sondern ein so genannter "Kategorienfehler". Ausgedachte Objekte haben mit unserer Realität nun mal nichts zu tun. Es sei denn, ein solches Objekt beschreibt (wie eine Sprache) einen empirischen Zusammenhang z. B. von Messdaten. So geschehen im Falles des "freien Falles" (Fallweg = g*t²/2)
Das ist aber nichts weiter, als das, was wir mit Sprachsymbolen fast ständig tun - eine willkürliche, dem Menschen eigene, Kodierung zur Mitteilung von Beobachtungen.

(06-03-2021, 13:27)Holmes schrieb: Die empirische Methode, wie du sie nennst, hat natürlich keine Möglichkeit so etwas zu messen, weil es von Anfang an unmöglich ist, per Definition.
Nicht der Definition wegen, sondern weil es Unsinn ist: Eine Messung stellt eine Frage an die Natur nicht an den Menschen! Es ist der Mensch, der schließlich Zusammenhänge in Messdaten nachmodellieren möchte. Welche gedanklichen Objekte dazu nötig sind, hängt mit seiner Denkfähigkeit zusammen, nicht mit der Natur.

Dass es ausgedachte Objekte sind, ist erstmal eine Behauptung und die Position, dass "reale Objekte" einen empirischen Zusammenhang beschreiben müssen, ist die alte Position des Empirismus. Als Methode für die Naturwissenschaft is natürlich der Empirismus oder Naturalismus ein sehr nützliches Instrument, aber es ist halt eben nur eine Methode. In der Philosophie des Geistes gibt es ja extrem viele Beispiele die gegen einen Naturalismus im engeren Sinne sprechen, also Qualia z.B, denn qualitative Erfahrungen können durch ein Messgerät eben nicht eingefangen werden. Phänomenale Erlebnisse gehören auch zu den Grenzen der Naturwissenschaft, ebenso wie Moral und andere "nicht-empirische" Felder.
Bei "Moral" wuerde ich widersprechen, bzw. dort haengt es von der Definition ab. Da geht's um gesellschaftliche Normen und Regeln, bzw. wie diese das Handeln beeinflussen. Wie so etwas vereinbart wird, kann man untersuchen. Im Prinzip findet man das, natuerlich nicht in menschlicher Komplexitaet, auch bei sozialen Tieren, die auch Verhaltensweisen zeigen wie Luegen, Entschuldigen, Bestrafen, Schmeicheln, etc. Zumindest die damit verbundenen Verhaltensweisen sind der Empirie zugaenglich. Bei Ethik wuerde ich das schon weniger so sehen.
(10-03-2021, 15:12)Holmes schrieb: Dass es (in Mathematik, Philosophie, Soziologie*) ausgedachte Objekte sind, ist erstmal eine Behauptung und die Position, dass "reale Objekte" einen empirischen Zusammenhang beschreiben müssen, ist die alte Position des Empirismus.
Die ganze Crux ist, dass alles, was wir zur codierten Kommunikation brauchen, erfunden ist. Wäre da nicht die Rückmeldung durch Messungen/Beobachtungen/Fragen, wüssten wir nicht, ob unsere Gedankengänge einer Sachlage angemessen sind. Man kann nicht einfach leugnen, dass wir Menschen nicht die Realität wahrnehmen, sondern nur deren Abbild auf unsere Sinne und unser Zentralnervensystem. Was uns nicht durch irgendeine Rückmeldung die zutreffende Beschreibung signalisiert, ist und bleibt "ausgedacht". Und z. B. mathematische Objekte sind bis auf diejenigen, die eine angemessene Beschreibung liefern, von keiner anderen Qualität.

(10-03-2021, 15:12)Holmes schrieb: Als Methode für die Naturwissenschaft is natürlich der Empirismus oder Naturalismus ein sehr nützliches Instrument, aber es ist halt eben nur eine Methode.
In der Philosophie des Geistes gibt es ja extrem viele Beispiele die gegen einen Naturalismus im engeren Sinne sprechen, also Qualia z.B, denn qualitative Erfahrungen können durch ein Messgerät eben nicht eingefangen werden. Phänomenale Erlebnisse gehören auch zu den Grenzen der Naturwissenschaft, ebenso wie Moral und andere "nicht-empirische" Felder.

Was sich Philosophen ausdenken, kann in einigen Fällen nützlich sein, muss es aber nicht! Vorstellungen von moralischem Handeln, sind überhaupt nicht objektivierbar, sprich: sie sind innergesellschaftliche Vereinbarungen zwischen ihren Individuen (s. Beitrag 'Ulan'). Und wie schwach der Zusammenhang mit der äußeren Realität ist, zeigt sich in der Notwendigkeit von (Straf-) Justiz. Hier wird sehr deutlich, dass nicht die Realität regiert, sondern die Macht der gesellschaftlichen Strukturen.

Qualia: ... sind ausgedachte Strukturen des Urteilens; gelten nicht allgemein (objektiv), sondern nur für Menschen.

Phänomenale Erlebnisse: Was man dazu sagen kann, ist einzig intersubjektiv und häufig nur individuell beschreibbar. Daran ist nichts, was man im physikalischen Sinne untersuchen könnte. Solche Erlebnisse (Musik z. B.) kann man im günstigsten Falle beurteilen, wenn einem die "allgemein anerkannten Regeln" dazu eingebläut wurden. Noch weniger äußere, physikalische Realität**) geht doch kaum noch!

*) von mir zur Verdeutlichung eingefügt
**) im Sinne von "objektivierbar", etwas, auf das sich die Meisten einigen könnten.

Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(10-03-2021, 23:05)Ekkard schrieb: Qualia: ... sind ausgedachte Strukturen des Urteilens; gelten nicht allgemein (objektiv), sondern nur für Menschen.

Das ist richtig, macht aber das direkte, qualitative Erleben nicht weniger bedeutend für unsere Realität.

Wenn daran nichts ist, was man im physikalischen Sinne untersuchen könnte, und es nicht die äußere, physikalische Realität betrifft, dann zeigt das doch eine deutliche Erkenntnisgrenze in der Physik.

Genau genommen ist das direkte, qualitative Erleben im Jetzt und Hier unsere eigentliche Realität, von der aus wir uns mittels Beobachtungen, Messungen und Objektivierungen ein für uns nützliches Bild des 'Ganzen' zu machen versuchen.
Nehmen wir mal als Beispiele "Grün" oder "Wohlklang": Natürlich haben diese Qualia eine Bedeutung für uns, lassen sich sogar mit einigen physikalischen Größen verknüpfen (Licht- bzw. Schallwellenlänge), aber sie stellen keine Eigenschaften der Natur dar, sondern bestenfalls unserer Wahrnehmungsfilter.
Daraus "Grenzen physikalischer Erkenntnis" herzuleiten, dürfte einem Anspruch entsprechen, der von der Physik nicht geleistet wird: Physikalische, allgemein naturwissenschaftliche Erkenntnis schließt die Bedeutung für uns Menschen gar nicht ein.

(11-03-2021, 00:38)Mustafa schrieb: Genau genommen ist das direkte, qualitative Erleben im Jetzt und Hier unsere eigentliche Realität, von der aus wir uns mittels Beobachtungen, Messungen und Objektivierungen ein für uns nützliches Bild des 'Ganzen' zu machen versuchen.
Ich deute mal "unsere eigentliche Realität" als unser subjektives Erleben.

Denn das ist unser Problem: Wir erleben nicht die Realität, sondern nur deren Abbild auf unser Gehirn (über die Sinne).
Im Moment will mir nicht einfallen, welche Erkenntnisgrenzen die Physik haben könnte, wenn man mal von Ansprüchen in Bezug auf menschliche Befindlichkeiten absieht.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Du meinst die äußere, physikalische Realität, und deinen diesbezüglichen Aussagen stimme ich zu.

Aber unser direkter Bezug zur Realität findet nun mal im subjektiven Erleben statt.
Du schaust gerade in einen Bildschirm, und liest diesen Text. Das ist real, das passiert jetzt.

Es ist sehr vernünftig, das auszuklammern, wenn man nach allgemein naturwissenschaftlicher Erkenntnis sucht, aber 'Realität' gibt es auch darüber hinaus im Erfahrungsbereich.
Der Umstand, daß sie subjektiv ist, macht ihre Bedeutung für unser Leben nicht geringer.

Auf die Frage, wie es ist, zu Leben, kann uns Naturwissenschaft keine Antwort geben.
Aber genau diese Frage ist doch von allergrößter Bedeutung für uns, so groß, daß ich durchaus wage, hier von 'Realität' zu sprechen.

Naturwissenschaftliche Modelle der Realität (so zutreffend und nützlich sie auch sind) sind nicht selber real, unser direktes Erleben aber schon.
Richtig ist, wissenschaftliche Erkenntnis kann uns nichts darüber sagen, wie es ist, zu leben. Das kann man sich auf schreckliche Art klarmachen: Waffenentwicklung bis hin zu nuklearen Sprengkörpern. Wie man damit lebt, zeigen uns die Flüchtlingsströme. Diese Wirkungen sind natürlich real aber keine Erkenntnisgrenze!

Aber: Wie es dazu kommt, ist ein gesellschaftliches Problem der Vielen.

Das Thema lautet: Gibt es grundsätzliche Erkenntnisgrenzen der Physik. Es geht also nicht darum, was wir empfinden und wie unsere Gesellschaften, "die Vielen" oder "unser Schwarm", damit umgehen, sondern ob es Grenzen des Natur-Erkennens gibt. Es gibt ganz offensichtlich Erkenntnisgrenzen, wenn es darum geht, gesellschaftliche Tendenzen zu erkennen und zu steuern. Die gibt es vor allem, weil wir "befangen" sind. Wir verweigern wahrscheinlich aufgrund unseres evolutionären Erbes wahrzunehmen, welche Nachteile das Leben in Gesellschaft haben kann, weil die Vorteile bisher das Überleben gesichert haben.

Aber das hat nichts mit Physik zu tun. Wenn man überhaupt so will, dann ist die Physik nicht in der Lage, Erkenntnisse gesellschaftlicher Konvenienz (Herkunft, Prägung, Beeinflussung, Gruppendynamik, ...) zu modellieren. Andererseits hege ich Zweifel, dass die statistischen Methoden z. B. aus der Theorie des Magnetismus nicht doch solche Phänomene zu klären in der Lage sind.

Du hast Recht: Das sagt nichts aus über unser subjektives Empfinden. Aber das ist eine gewollte Eigenart naturwissenschaftlichen Erkennens. Diese Art der Grenze ist gesetzt!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(12-03-2021, 10:50)Ekkard schrieb: Du hast Recht: Das sagt nichts aus über unser subjektives Empfinden. Aber das ist eine gewollte Eigenart naturwissenschaftlichen Erkennens. Diese Art der Grenze ist gesetzt!

Ja es ist halt eine Grenze die sich durch die Definition der Naturwissenschaft selbst ergibt, aber ist es deshalb nicht trotzdem eine Grenze? Wenn sich die Naturwissenschaft darauf einigt über was sie sprechen kann und zu was nicht, dann müsste man ja von Grenzen sprechen können. 

Konzepte wie z.B der freie Wille und erkenntnistheoretische Fragen können ja z.B auch nicht naturwissenschaftlich geklärt werden, aber trotzdem findet man immer wieder Artikel wie: "Neurowissenschaft widerlegt freien Willen", weshalb sich so eine Debatte im öffentlich Raum mal lohnen würde bevor man wieder Forschungsgelder in Fragen steckt die überhaupt nichts mit Naturwissenschaft zu tun haben.
(18-03-2021, 23:59)Holmes schrieb: Konzepte wie z.B der freie Wille und erkenntnistheoretische Fragen können ja z.B auch nicht naturwissenschaftlich geklärt werden, aber trotzdem findet man immer wieder Artikel wie: "Neurowissenschaft widerlegt freien Willen", weshalb sich so eine Debatte im öffentlich Raum mal lohnen würde bevor man wieder Forschungsgelder in Fragen steckt die überhaupt nichts mit Naturwissenschaft zu tun haben.

Wenn eine naturwissenschaftliche Erkenntnis halt nahelegt, dass unsere Entscheidungen bereits getroffen sind, bevor wir ueberhaupt anfangen, ueber ein Problem nachzudenken, so hat das fuer philosophische Fragen Folgen, auch wenn Naturwissenschaften keine philosophischen Fragen an und fuer sich behandeln. Der Schluss, dass die Funktionsweise unseres Gehirns einen freien Willen unwahrscheinlich macht, liegt dann zumindest nahe.

Philosophie, die die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse nicht zumindest beruecksichtigt, hat in den meisten Faellen wenig Wert. Im Prinzip kommen wir bei Deinem Schluss da oben dann auch in eine Definitionsfalle. Nur weil ein Artikel ein naturwissenschaftliches Ergebnis als Ausgangspunkt hat, heisst das nicht, dass der Artikel eine naturwissenschaftliche Aussage macht. Und der Umkehrschluss ist auch verfehlt. Die Frage, die Du da ansprichst, ist ja wichtig fuer das Verstaendnis, wie unser Gehirn funktioniert; und das ist in der Tat eine naturwissenschaftliche Frage, was auch bedeutet, dass das Geld hier richtig eingesetzt wurde. Wenn dabei noch ein Baustein fuer eine Loesung einer philosophischen Frage abfaellt, umso besser.
(19-03-2021, 01:38)Ulan schrieb:
(18-03-2021, 23:59)Holmes schrieb: Konzepte wie z.B der freie Wille und erkenntnistheoretische Fragen können ja z.B auch nicht naturwissenschaftlich geklärt werden, aber trotzdem findet man immer wieder Artikel wie: "Neurowissenschaft widerlegt freien Willen", weshalb sich so eine Debatte im öffentlich Raum mal lohnen würde bevor man wieder Forschungsgelder in Fragen steckt die überhaupt nichts mit Naturwissenschaft zu tun haben.

Wenn eine naturwissenschaftliche Erkenntnis halt nahelegt, dass unsere Entscheidungen bereits getroffen sind, bevor wir ueberhaupt anfangen, ueber ein Problem nachzudenken, so hat das fuer philosophische Fragen Folgen, auch wenn Naturwissenschaften keine philosophischen Fragen an und fuer sich behandeln. Der Schluss, dass die Funktionsweise unseres Gehirns einen freien Willen unwahrscheinlich macht, liegt dann zumindest nahe.

Philosophie, die die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse nicht zumindest beruecksichtigt, hat in den meisten Faellen wenig Wert. Im Prinzip kommen wir bei Deinem Schluss da oben dann auch in eine Definitionsfalle. Nur weil ein Artikel ein naturwissenschaftliches Ergebnis als Ausgangspunkt hat, heisst das nicht, dass der Artikel eine naturwissenschaftliche Aussage macht. Und der Umkehrschluss ist auch verfehlt. Die Frage, die Du da ansprichst, ist ja wichtig fuer das Verstaendnis, wie unser Gehirn funktioniert; und das ist in der Tat eine naturwissenschaftliche Frage, was auch bedeutet, dass das Geld hier richtig eingesetzt wurde. Wenn dabei noch ein Baustein fuer eine Loesung einer philosophischen Frage abfaellt, umso besser.

Das würde jetzt in eine ganz andere Richtung führen, aber damit man von "Entscheidungen" sprechen kann muss man davon ausgehen, dass es ein Subjekt oder ein "Ich" gibt, denn Atome entscheiden sich ja nicht oder "handeln", sondern sie folgen Gesetzmäßigkeiten. Für Neurowissenschaftler gibt es aber nur das Gehirn und das Gehirn ist eben eine Ansammlung von Atomen und dass sich Atome gesetzmäßig verhalten, dass weiß ich schon bevor ich mit dem Experiment anfange, denn sonst würde eine Beobachtung keinen Sinn machen. Auch wenn sich die Atome nicht gesetzmäßig verhalten würden, würde das weder für noch gegen einen freien Willen sprechen, weil das Konzept des freien Willens kein empirisches ist. Um Handlungen überhaupt begründen zu können brauch es das Konzept schon, sonst wäre der Mensch auch zu Handlungen unfähig. Konzepte wie das "Ich" oder der freie Wille sind in solchen Untersuchung grundsätzlich schon nicht enthalten und da sind wir wieder bei den Grenzen oder den Definitionen der Naturwissenschaft. 

Wenn unser Verfassungsgericht z.B sowas schreibt:

"Die verfassungsrechtliche Leitidee der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz, auch Art. 1 der Grundrechtecharta der Europäischen Union) beruht nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auf der Entscheidungsfreiheit: „Dem Schutz der Menschenwürde liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig–sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten.“ Aus diesem Ansatz leitet das Bundesverfassungsgericht dann auch den Verfassungsrang des, jedenfalls für das deutsche Strafrecht maßgeblichen, Schuldprinzips ab"

Dann ist schon beim Satz "geistig-sittlichen Wesen" klar, dass man sowas in keinem Labor widerlegen kann. 

Richtig ist, dass es wichtig ist zu verstehen wie das Gehirn funktioniert, aber die Schlussfolgerung die man daraus ziehen will halte ich für völlig verfehlt, denn nur weil wir mit dem Gehirn denken, heißt das nicht, dass es für uns denkt.
Das ist jetzt am Problem vorbeiargumentiert. Unser Gehirn kuemmert es nicht, wie wir philosophische Konzepte definiert haben. Eventuell muss man dann halt die philosophischen Konzepte korrigieren, um der Sachlage besser Rechnung zu tragen.

Wenn wir Entscheidungen unbewusst treffen, also ohne irgendwie bewusst an dem Entscheidungsprozess beteiligt zu sein - und das ist der derzeitige Stand der Neurowissenschaften - so kann man in dem Moment keinen freien Willen mehr postulieren, egal, wie der nun politisch oder gesellschaftlich definiert sein mag.
Vielleicht wuerden wir so etwas wie freien Willen zurueckbekommen, wenn wir uns dieses Mechanismus bewusst werden wuerden, und jede Entscheidung, die wir treffen, darauf abklopfen, ob da die unbewussten Teile unseres Gehirns unsere Triebe befiriedigt haben und eine objektive Entscheidung anders lauten muesste. Allerdings scheint es sehr schwer zu sein, diese Mechanismen zu ueberwinden.

Die meisten Prozesse in unserem Gehirn laufen unbewusst ab. Das Gehirn hat sogar Mechanismen eingebaut, um erlernte Dnge in den unbewussten Bereich abzuschieben - das ist der Grund dafuer, dass ein Pianist nicht mehr nachdenken muss, wenn er Klavier spielt, oder ein Profi-Basketball-Spieler intuitiv richtig agiert - und das gilt wohl leider auch fuer inhaltliche Entscheidungen, wo wir scheinbar noch darueber nachdenken. Jedenfalls kann man bei der Gehirnbeobachtung sehen, dass die Entscheidung bereits gefaellt ist, bevor das Problem ueberhaupt im Bewusstsein angekommen ist und das Nachdenken angefangen hat. Unser Hirn ist da sehr effektiv.


Edit: Um das mal weniger theoretisch anzugehen, muss man eigentlich nur auf die Diskussionen in diesem Forum schauen. Ein Forum ist ein sehr langsames Diskussionsmedium, und ich denke, wir beide koennen uns darauf einigen, dass fuer die Beantwortung von Beitraegen genuegend Zeit zur Verfuegung steht, diese zu verarbeiten. Und dann schaut man auf die Threads und sieht, wie die Antwortschreiber die Argumente ihrer Diskussionspartner rundweg ignorieren und anfangen, ueber irgendwelche Nebensaechlichkeiten zu schreiben oder halt sich mit Allgemeinplaetzen herauswieseln wollen, nur damit sie keine konkreten Fragen beantworten muessen. Ich bin mir nicht mal sicher, dass das bewusst geschieht. Das sind tiefsitzende, psychologische Mechanismen, durch die wir unsere tiefen Ueberzeugungen gegen die Welt da draussen schuetzen. Du wirst mir wahrscheinlich jetzt genau dasselbe mit meiner Behandlung Deines letzten Beitrags vorwerfen koennen, und ich will gar nicht mal aussschliessen, dass Du da fuendig wirst, auch wenn ich mich im allgemeinen bemuehe, Argumente wahrzunehmen und diese zu adressieren. Ich habe mich auch schon selbst dabei ertappt, dass mir irgendeine Stimme im Hintergrund sagte, dass ein bestimmtes Argument schwach ist und ich gewisse Gegenargumente ausgeblendet habe, obwohl ich dann trotzdem weitergeschrieben habe. Allerdings versuche ich, so etwas dann zu korrigieren. Es ist aber nicht einfach.


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