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Zwölftafelgesetz
#1
Das Zwölftafelgesetz ist der erste mit einer Datierung verbundene Text der römischen Rechtsgeschichte. Der überlieferte Zeitrahmen zum Entstehen des Textes (451-449 vC) ist ebenso plausibel wie der behauptete Zusammenhang mit den beginnenden Ständekämpfen zwischen ↗Patriziern und ↗Plebejern

Das Zwölftafelgesetz bildete nach Auskunft des ↗Livius  Grundlage für die gesamte römische Rechtsgestaltung (fons omnis publici privatique iuris, Liv. 3,34,6). Es ist nur fragmentarisch in Zitaten aus der späteren Republik und der Kaiserzeit in modernem ↗Latein erhalten. Der originale Text ist wohl beim ↗Keltensturm 387 vC zugrunde gegangen. Die Rekonstruktion von Rudolf Schöll (Legis XII tabularum reliquiae, 1866) ist ↗hypothetisch.

Zunächst sollen zehn Tafeln auf dem ↗Forum Romanum aufgestellt gewesen sein. Vorbild für die Zwölftafelgesetzgebung waren möglicherweise griechische Stadtrechte gewesen. Die Übereinstimmungen mit attischem Recht in Bereichen des Nachbarschafts- und Vereinsrechts ist augenscheinlich und war schon den römischen Juristen aufgefallen.

Die römische Geschichtsschreibung weiß von einer Abordnung römischer Patrizier, die nach ↗Athen reiste, um die ↗Solonische Gesetzgebung zu studieren und sie als Vorlage für ein zu schaffendes Gesetzeswerk zu nutzen (vgl. Liv. 3,31,8). Wahrscheinlicher ist, dass Stadtrechte griechischer Ansiedlungen in Süditalien als Anregung gedient hatten1. Überwiegend dürfte allerdings geltendes römisches Gewohnheitsrecht aufgezeichnet worden sein (vgl. Dionysius ant. Rom. 10, 57).

Alle Gebiete des Straf- und Privatrechts - heute streng gegeneinander abgegrenzt, damals als Einheit gesehen - sind berücksichtigt. Vorgaben für das gerichtliche Verfahren waren ebenso festgeschrieben wie der Rahmen, in dem sich die Vollstreckung des gesprochenen Rechts zu bewegen hatte.

Der gesamte Inhalt der ersten drei Tafeln betrifft den Prozess und die Vollstreckung. Jene Teile des Privatrechts, die für das frührömisch-bäuerliche Gemeinwesen von Bedeutung waren, also Familienrecht, Erbrecht und Nachbarschaftsrecht, sind umfassend ausgeführt.

Von Handelsgeschäften und anderen schuldrechtlichen Verträgen ist hingegen kaum die Rede. Die wenigen Bestimmungen, die dazu in das Gesetzeswerk Eingang fanden, waren von archaischer Strenge. So drohte beispielsweise Darlehensnehmern für den Fall der Nichterfüllung eingegangener Tilgungspflichten die Schuldknechtschaft2, der Verkauf auf dem ↗Sklavenmarkt oder gar die Tötung (Bretone 73; Kunkel 40).

Nicht geregelt war die politische Ordnung der Gemeinschaft.


1) Die Entstehungsgeschichte des Gesetzeswerks ist ↗legendär.
Der Überlieferung nach soll der ↗Magistrat auf Betreiben der ↗Volkstribune einen Antrag vor die Volksversammlung gebracht haben, wonach eine Abordnung von zehn Männern (decemviri legibus scribundis) mit der Errichtung bzw. Festschreibung allgemein verbindlicher Rechtsnormen zu beauftragen sei.

2) Vergleichbare Einrichtungen sind mit der Pfändung von Einkommen aus Lohnarbeit nach Gerichtsbeschluss oder der Möglichkeit, Lohn- bzw. Gehaltsforderungen mittels einer Zession abzutreten, auch noch in gegenwärtigen Rechtssystemen anzutreffen.


Literatur:
Rudolf Düll. Das Zwölftafelgesetz.71995 Zürich. Verl. Artemis & Winkler.
Maria Bretone. Geschichte des römischen Rechts. 21998 München, Verl. C. H. Beck
Wolfgang Kunkel, Martin Schermaier. Römische Rechtsgeschichte. 132001 Köln, Verl. Böhlau.


● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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