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Jabne
#1
Das antike Jabne (auch Jawne; lat. Iamnia) war ca. 22 km südlich von ↗Tel Aviv, nur wenige km von der Küste einwärts gelegen. Bedeutung erlangte es nach dem ↗1. Jüdischen Krieg.  In der Zeit von 70  bis 132 nC war es Sitz der ↗jüdischen Patriarchen1. In Jabne wurden unter ↗Rabban ↗Jochanan ben Zakkai ein Lehrhaus (bet ha-midrasch) und ein ↗Bet Din eingerichtet, das als ↗Sanhedrin fungierte und u.a. die Aufsicht über den ↗Kalender zur Aufgabe hatte.  Von Jabne aus wurden von nun an Neumondtage und die Schaltjahre verkündet.

Wie es zur Wiedereinberufung des Sanhedrins und der Errichtung des Lehrhauses gekommen war, dazu gibt es verschiedene, einander zum Teil widersprechende Berichte. Geläufig ist die Erzählung, wonach sich Jochanan ben Zakkai aus ↗Jerusalem entfernt2 und ↗Vespasian ergeben hatte. Vespasian selbst soll ihm die Genehmigung erteilt haben, sich in Jabne niederzulassen und ein Lehrhaus zu errichten (Graetz Bd 4, S. 13; bTalm, Gittin 56b)3.

Von den ↗Römern dürfte der Anspruch der Führerschaft der jüdischen Gemeinschaft durch die Patriarchen innerhalb der römischen Einflusssphäre frühestens mit Rabban ↗Gamaliel II.4 anerkannt worden sein, wobei auch dieser Umstand durch Quellen nicht ausreichend gesichert ist5.


1) Mit dem Ende des ↗Bar-Kochba-Aufstandes war jüdisches Leben in ↗Palästina zunächst nur im Untergrund möglich. Nach der Regierungszeit ↗Hadrians begannen sich die römisch-jüdischen Beziehungen langsam zu verbessern. ↗Patriachat und Sanhedrin hielten sich zunächst in verschiedenen Orten in ↗Galiläa auf (zB ↗Bet-Schearim, ↗Sepphoris), um sich im 3. Jh nC in ↗Tiberias niederzulassen.

2) dazu Graetz Bd 4, S.12:
Furcht vor dem wütenden Fanatismus der ↗Zelotenpartei oder weise Vorsicht, der Lehre im Voraus eine Zufluchtsstätte zu sichern, gaben R. Jochanan den Gedanken ein, ins römische Lager überzugehen. Aber die Entfernung aus der Stadt war bei dem lauernden Argwohn der Zeloten schwer ausführbar; R. Jochanan faßte daher den Entschluss, im Einverständnis mit einem Zelotenführer, Ben-Batiach, der sein Verwandter war, sich scheinbar als Leiche aus der Stadt bringen zu lassen.

3) dazu Ben-Sasson, S 392:
Diese Überlieferung gibt jedoch ein späteres Stadium wieder, in dem "Jabne und seine Weisen" bereits eine feste Institution unter der Leitung von Rabban Gamaliel waren, dem Sohn des ↗Simeon ben Gamaliel, der die nachfolgende Dynastie der nesiim begründete. Nach älteren palästinischen Zeugnissen geriet Rabban Jochanan offenbar zunächst in Gefangenschaft und wurde gegen seinen Willen nach Jabne gebracht, das wie andere Städte, zum Beispiel Aschdod und Gophna, als Internierungslager für Juden diente, die sich den Römern ergeben hatten. Auch die Zugeständnisse, die er beim Kaiser erwirkte, scheinen nach den palästinischen Quellen sehr viel bescheidener gewesen zu sein. In einer Version heißt es, er habe lediglich um die Freilassung bestimmter Personen gebeten; anderen Versionen zufolge hat er den Kaiser ersucht, sich in Jabne niederlassen zu dürfen, um dort "seine Schüler zu unterweisen" oder "die Gebote zu erfüllen und die Thora zu lehren". Bedenkt man die allgemeine Lage und die Einstellung von Vespasian und ↗Titus, dann wirkt die in den älteren Zeugnissen enthaltene Aussage über die Anfänge von Jabne wahrscheinlicher. Zur Begründung eines nationalen Zentrums in Jabne - sei es auch nur religiöser Art - hätte Rom schwerlich seine Genehmigung gegeben.

4) Sohn Simeons ben Gamaliel  I.

5) dazu Stemberger, S. 17f.
In den Berichten, die von Jochanans Flucht aus dem belagerten Jerusalem, seinem Auftreten vor Vespasian und der Gründung des neuen Zentrums in Jabne erzählen, lassen sich zwar Geschichte und Legende nicht mehr trennen; doch ist Jochanan nach 70 in Jabne, einer Stadt am Mittelmeer im kaiserlichen Besitz, und schart dort Männer verschiedenster Richtungen um sich, ↗Priester, Schriftgelehrte, ↗Pharisäer und andere, die sich darum bemühen, jüdisches Leben ohne Tempel neu zu gestalten.
[…]
Auch haben die Römer Jochanan gewiss nie als Vertreter der Juden ↗Palästinas anerkannt, seine Tätigkeit höchstens geduldet. Die Bedeutung des in Jabne gewagten Neuanfangs sollte sich erst später zeigen.
[…]
Die Überlieferung, wonach sich Gamaliel nach ↗Syrien begab, um bei der Regierung eine Erlaubnis einzuholen, könnte sein Bemühen zeigen, sich mit der römischen Behörde gut zu stellen. Eine Anerkennung seiner Führerrolle durch die Römer ist damit aber nicht zu belegen.


Lit.:
Heinrich Graetz. Geschichte der Juden. 11 Bde. 1890-1909 Leipzig. Verlag Oskar Leiner.
Heim Hillel Ben-Sasson. Geschichte des jüdischen Volkes. 2007 München. Verlag C. H. Beck
Günter Stemberger. Das klassische Judentum. 2009 München. Verlag C. H. Beck



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MfG B.
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