24-05-2007, 15:07
Unter der Überschrift '"Ein Missionar der Ignoranz"
ist ein Kommentar des brasilianischen Befreiungstheologen Leonardo Boff zur jüngsten Brasilienreise des Papstes in der österreichischen Zeitung Der Standard abgedruckt, den ich sehr überzeugend und bedenkenswert finde.
Hier ein Auszug:
Jedenfalls lassen all diese theoretischen Unzulänglichkeiten [siehe URL unter dem Text] den päpstlichen Diskurs in Moralismus und Spiritualismus abgleiten.
Und melancholisch repetiert er stets die alte Leier:
nein zu Verhütungsmitteln; nein zur Scheidung; nein zu den Homosexuellen; nein zur Modernität; ja zur traditionellen Familie; ja zur rigiden sexuellen Moral; ja zur Disziplin ... So viele "Neins" machen eine Sendung einfach antipathisch, als gebe es sonst keine wichtigen Themen.
Diese Argumentationsweise ist Ausdruck einer "gleichgültigen Vernunft" - eine vom portugiesischen Denker Boaventura de Sousa Santos geschaffene analytische Kategorie: Vernunft ist dann gleichgültig, wenn sie die gegenwärtig relevanten Herausforderungen nicht erfasst und die guten Erfahrungen aus der Vergangenheit verpasst.
Alte Trampelpfade
Ein aufschlussreiches Verschweigen prägt den päpstlichen Diskurs: Nur einmal erwähnt er die Basisgemeinden, kein Wort zu Befreiungstheologie oder sozialem Pastoral; kein einziges Mal wird die globale Erwärmung angesprochen. Stattdessen hält er fragwürdige Vorträge über karitative Hilfswerke im Duktus der 50er-Jahre. Verschweigen ist auch eine Form des Negierens.
Die gleichgültige Vernunft,
die so typisch ist für Großinstitutionen wie die Kirche, ist kurzsichtig, weil sie keine neuen Wege sucht und immer wieder auf die alten Trampelpfade zurückkehrt (mehr Katechismus, mehr Zölibat, mehr Gehorsam), und sie ist anti-utopisch, weil sie keinen Hoffnungshorizont mehr hat und so tut, als wäre die Zukunft bloß die Verlängerung der Gegenwart.
Der Papst merkt offenbar nicht,
dass das zentrale Anliegen von heute nicht die Mission der Kirche als Selbstzweck ist, sondern dass es um die Zukunft der Erde und der Menschheit geht und um die Frage, was die Kirche zur Lösung dieser Probleme nachhaltig beitragen könnte.
Wenn der lateinamerikanische Katholizismus auf der Höhe der Zeit sein will,
dann bedarf es der Courage, die jene ersten Christen hatten, als sie den Boden der jüdischen Kultur von Christus verließen und ins Land der hellenischen Heiden auswanderten. Aus jener Verbindung entstand das heutige Christentum, das ein Ausdruck des Neuen Testaments und nicht des Alten ist. Wir brauchen jetzt einen Katholizismus mit indigen-schwarz-lateinamerikanischem Antlitz, nicht gegen, sondern in Gemeinschaft mit dem Römischen Katholizismus.(DER STANDARD, Printausgabe, 18.05.2007)
Den ganzen Inhalt findet ihr unter dieser URL:
http://derstandard.at/Text/?id=2884931
ist ein Kommentar des brasilianischen Befreiungstheologen Leonardo Boff zur jüngsten Brasilienreise des Papstes in der österreichischen Zeitung Der Standard abgedruckt, den ich sehr überzeugend und bedenkenswert finde.
Hier ein Auszug:
Jedenfalls lassen all diese theoretischen Unzulänglichkeiten [siehe URL unter dem Text] den päpstlichen Diskurs in Moralismus und Spiritualismus abgleiten.
Und melancholisch repetiert er stets die alte Leier:
nein zu Verhütungsmitteln; nein zur Scheidung; nein zu den Homosexuellen; nein zur Modernität; ja zur traditionellen Familie; ja zur rigiden sexuellen Moral; ja zur Disziplin ... So viele "Neins" machen eine Sendung einfach antipathisch, als gebe es sonst keine wichtigen Themen.
Diese Argumentationsweise ist Ausdruck einer "gleichgültigen Vernunft" - eine vom portugiesischen Denker Boaventura de Sousa Santos geschaffene analytische Kategorie: Vernunft ist dann gleichgültig, wenn sie die gegenwärtig relevanten Herausforderungen nicht erfasst und die guten Erfahrungen aus der Vergangenheit verpasst.
Alte Trampelpfade
Ein aufschlussreiches Verschweigen prägt den päpstlichen Diskurs: Nur einmal erwähnt er die Basisgemeinden, kein Wort zu Befreiungstheologie oder sozialem Pastoral; kein einziges Mal wird die globale Erwärmung angesprochen. Stattdessen hält er fragwürdige Vorträge über karitative Hilfswerke im Duktus der 50er-Jahre. Verschweigen ist auch eine Form des Negierens.
Die gleichgültige Vernunft,
die so typisch ist für Großinstitutionen wie die Kirche, ist kurzsichtig, weil sie keine neuen Wege sucht und immer wieder auf die alten Trampelpfade zurückkehrt (mehr Katechismus, mehr Zölibat, mehr Gehorsam), und sie ist anti-utopisch, weil sie keinen Hoffnungshorizont mehr hat und so tut, als wäre die Zukunft bloß die Verlängerung der Gegenwart.
Der Papst merkt offenbar nicht,
dass das zentrale Anliegen von heute nicht die Mission der Kirche als Selbstzweck ist, sondern dass es um die Zukunft der Erde und der Menschheit geht und um die Frage, was die Kirche zur Lösung dieser Probleme nachhaltig beitragen könnte.
Wenn der lateinamerikanische Katholizismus auf der Höhe der Zeit sein will,
dann bedarf es der Courage, die jene ersten Christen hatten, als sie den Boden der jüdischen Kultur von Christus verließen und ins Land der hellenischen Heiden auswanderten. Aus jener Verbindung entstand das heutige Christentum, das ein Ausdruck des Neuen Testaments und nicht des Alten ist. Wir brauchen jetzt einen Katholizismus mit indigen-schwarz-lateinamerikanischem Antlitz, nicht gegen, sondern in Gemeinschaft mit dem Römischen Katholizismus.(DER STANDARD, Printausgabe, 18.05.2007)
Den ganzen Inhalt findet ihr unter dieser URL:
http://derstandard.at/Text/?id=2884931