Hallo Jolly,
ich schneie hier mal rein, obwohl ich mich in einer Art Urlaub befinde. Aber ich möchte versuchen, auf Deine Frage zu antworten, ich habe mich früher mit dieser auch abgequält. Inzwischen aber sehe ich, dass sie eine Falle ist, eine rein logische Sackgasse. Begriffe, wenn sie nicht genau untersucht werden, führen immer wieder in solche Fallen.
Du fragst, ob dies nicht ein Widerspruch sei:
Freier Wille - Eingreifen Gottes in das Geschehen.
Aber genauso gut kann man sagen: Aldriwaquordi ist ein Widerspruch zu Faghalmasch.
Weder ist die Vorstellung "Freier Wille" genau untersucht noch die Vorstellung von "Geschehen", und schon gar nicht die Vorstellung von "Gott". Darum ist das zunächst eine leere Behauptung, dass da ein Widerspruch vorliegt.
Irgendwie scheint man vorauszusetzen, dass "Freier Wille" bedeutet, wir können die Sachen selber lenken, wenn nicht Gott sie lenkt.
Habe ich den Freien Willen, mit drei Beinen durch die Welt zu stapfen? Nein, weil der menschliche Körper in der Regel nur zwei Beine hat.
Habe ich den Freien Willen, nicht mit Wut zu reagieren, wenn zwei Männer auf eine Frau einschlagen?
Nein, weil der Mensch Aggressionen von Natur aus hat, und diese eine Hilfe sind.
Habe ich den Freien Willen, morgen mit der S-Bahn oder mit dem Bus zu fahren?
Hier wird's haarig, weil der Stolz des Menschen verlangt, diesen Freien Willen zu haben. Aber vermutlich wähle ich das Verkehrsmittel, das zuerst kommt. Oder das mir im Moment bequemer erscheint. Ein genaues Durchdenken aller meiner Entscheidungen und vor allem des Prozesses des Entscheidens hat mir gezeigt, dass die hehre "Freiheit des Willens" da gar nicht vorlag, sondern das Lust/Unlust-Prinzip. Wir Menschen sind ständig im Wachsen begriffen, körperlich, geistig, seelisch. Deshalb brauchen wir permanent Nahrung, auf allen diesen Stufen, und immer wieder andersgeartete. Vor allem aber sehr komplexe:
Ich überlege, ob ich mit dem Bus fahren soll oder die drei Kilomenter laufen. Jedem entspricht ein Bedürfnis. Busfahren geht schneller, ich habe mehr Zeit für mich selber. Laufen ist gesünder für den Körper. Beides gleichzeitig geht nicht, also muss "ich" das "wählen", was an Bedürfnis überwiegt. Der sogenannte Entscheidungsprozess wägt ab, welches Bedürfnis im Moment größer ist, und dem folge ich. Hier liegt also genaugenommen kein freier Wille vor, sondern mein Selbst bemüht sich,, den komplexen Bedürfnissen meiner Natur optimal zu folgen. Im Grunde ist es meine Natur selber, die mich steuert.
Und nun kommen die beiden nächsten Gedanken.
1. Meine "Natur" ist eine vom Wesen her göttliche, es ist das Göttliche selber, das sie steuert, oder mich steuert.
2. Meine "Natur" besteht nicht nur aus meiner Person, sondern auch aus meinem Hund, meinem Kind, meinen Eltern, meinem Land, irgendwann aus allen Menschen. Ich habe nicht nur das Bedürfnis, meine eigene Natur auszubilden und auszuleben, sondern auch die Natur aller Menschen. Es ist nicht wahr, dass wir geborene Egoisten sind. Wir kommen alle aus dem selben Muspott, aus der selben Ursuppe, und vieles, was wir wollen und tun, tun wir nicht, um unsere Ego-Bedürfnisse zu stillen, sondern um insgesamt die Welt ins Lot zu kriegen. Das tun wir unbewusst, aber wenn man sich beobachtet, kann man es wirklich erkennen. Unsere physischen Körper sind geschieden, aber unser Unterbewusstsein (wir haben dafür ja nicht einmal einen Plurail) ist nicht im gleichen Maße unterschieden von dem des anderen. Da besteht eine Wechselwirkung, eine Beeinflussung in kaum auszudenkendem Maß.
Was will ich mit all dem sagen?
Vor allem dies: diese Wechselbeziehung ist schon immer da, sie ist jede Sekunda da. Jede unserer "Entscheidungen", also unserer Handlungen, hat ohne Unterlass eine Wirkung auf das Gesamtgeschehen. Der Begriff "Freier Wille" ist ein Kunstwort, das gebildet wurde, um der Manipulation des Menschen durch einen anderen Grenzen zu setzen, auf der Ebene unserer Gesellschaft. Begebe ich mich aber in die unausgeloteten Tiefen und Untiefen der menschlichen Psychen, ist dieser Begriff nicht mehr anwendbar, er verliert dort seinen Sinn.
Um in Deinen Beispielen zu bleiben:
Zitat:Was wenn sich jemand entscheidet besoffen in ein Auto zu steigen und dem Christen der um Bewahrung bittet ins Auto reinfährt, bei diesen Autounfall sterben alle Insassen. Kann Gott hier eingreifen und den besoffenen überzeugen nicht ins Auto zu steigen? Wenn ja wo ist der freie Wille? Oder kann Gott nur den Christen ein unterschwelliges Gefühl vermitteln doch erst in 5 Minuten los zu fahren, (wodurch der Unfall verhindert würde) er hat seinen freien Willen ja mit der Fürbitte abgegeben.
Du scheinst zu unterstellen, dass der Besoffene einen freien Willen hat, wenn er so ins Auto steigt und auch den freien Willen hatte, die Insassen sterben zu lassen - und Gott dann diesem Besoffenen den freien Willen genommen hat, indem er ihn am Einsteigen hinderte.
Das aber war doch nicht der Fall. Wenn er volltrunken war, überschätzte er vermutlich seine Fahrtauglichkeit, hat im Traum nicht vorgehabt, mittels freiem Willen seine Mitfahrer und sich selbst umzubringen. Es wäre halt nur passiert, aber es war nicht seine Entscheidung. Seine Absicht war lediglich, seine Mitfahrer und sich selbst ans Ziel zu bringen.
Nun sprichst Du von einem "betenden Christen", der vor der Autofahrt um Schutz bittet (ich hoffe, auch darum bittet, niemandem zu schaden). Du scheinst zu meinen, wenn er um diesen Schutz nicht bittet, handelt er "frei", wenn er aber "beschützt" wird, gibt er seinen freien Willen ab.
Aber, wie ich oben zeigte, sehe ich nicht, dass ein Mensch, der in ein Auto steigt und sich auf die Autobahn begibt, dies "frei" tut. Er tut es aus verschiedenen Zwängen heraus. Ein Gebet, das nicht nur um eigene Unversehrtheit, sondern auch um die Unversehrtheit der Begegnenden bittet, kann selbstverständlich zu dieser Unversehrtheit beitragen. Das Wohl hört eben da nicht auf, wo der eigene Körper aufhört. Ein Gebet macht besonnen, rücksichtsvoll, verhilft der eigenen Psyche, auch den anderen zu erreichen. Ist der Fahrer des anderen Autos aber wirklich lebensmüde, dann wird der mit dem Gebet das nicht außer Kraft setzen können. Das alles ist ein Zusammenspiel. Manche nennen dieses Zusammenspiel Gott oder das Göttliche. Ich selber nenne es nicht so, aber für mich liegt ebenfalls dieses Zusammenspiel vor. Ich kann mit meinen "guten Wünschen" den anderen stärken, es gibt nicht einen egoistischen freien Willen, er gilt nur für die gesamte Menschheit. Wir alle müssen frei werden. Einer alleine geht nicht.
Zitat:Nach meinem Verständnis kann es ein Eingreifen Gottes in das Weltgeschehen nicht ohne Einwilligung aller betroffenen Personen geschehen kann, sonst kann es doch keinen freien Willen geben. Wenn der Kranke Gott nicht erlaubt ihn zu heilen darf er es nicht tun, wenn der besoffene Autofahrer Gott nicht bittet heil ans ziel zu kommen darf Gott doch auch hier nicht eingreifen?
Um anhand dieses Zitates von Dir noch einmal meine "Antwort" zusammenzufassen:
Du scheinst mir das Göttliche und die göttliche Freiheit mit der Übereinkunft von Staatsbürgern zu verwechseln. Wenn ein Kranker sterben will, dann darf der Arzt ihn nicht künstlich am Leben halten. Das haben Menschen so vereinbart. Aber mit Gott ist das nicht vereinbart worden, und Gott hat so einen Vertrag nie unterschrieben. Es steht nicht in der Macht des Menschen und gehört nicht zu seiner Freiheit, den Tag seines Todes zu bestimmen. Genauso wenig, wie er bestimmen kann, sein Kind mit drei Beinen zur Welt bringen zu lassen. Unsere Natur ist ein Teil des Göttlichen, also ist es auch der Tod. Das Sterben ist ein göttlicher Vorgang. Das Leben ist aber auch ein göttlicher Vorgang. Es passiert also eigentlich nie etwas Nicht-Göttliches.
Was sich wirklich in einem besoffenen Autofahrer abspielt, weiß keiner von uns. Was da an Toldessehnsucht, Verzweiflung oder einfach nur Fahrlässigkeit eine Rolle spielt, ist von außen nicht erkennbar. Wenn ein besonnener Autofahrer vor der Fahrt darum gebeten hat, nicht zu verletzen und nicht verletzt zu werden, dann kann diese Kraft natürlich bewirkt haben, dass der Besoffene im letzten Moment nicht einsteigt. Oder dass der Entgegenkommende durch das Gebet geistesgegenwärtiger war als die meisten Autofahrer und rechtzeitig gebremst hat. Nur sehe ich in all diesen Kombinationen überhaupt nirgendwo die Freiheit des Willens im Spiel, sondern lediglich situationsbedingte Handlungen, die je nach Entscheidung so oder anders abgelaufen sind. Ein besoffener Autofahrer ist eben nicht "frei, Menschen umzubringen", sondern einfach nur dumm. Hat die Folgen nicht übersehen.
Aber vielleicht treffen diese Beispiele für Dich noch immer nicht den Kern. Nehmen wir einen Menschen, der vorhat, am nächsten Morgen Flugzeug XY zu besteigen, welches dann am selben Tag abstürzen wird. Weil dieser Mensch in der Nacht vorher um "Schutz" gebetet hat, "verschläft" er, kriegt das Flugzeug nicht, stirbt also nicht.
Nach Deiner Frage hat Gott diesem Menschen die Freiheit genommen, in das Flugzeug einzusteigen.
Und meine Antwort darauf ist: der Mensch war so oder so nie durch diese Aktion "frei". Selbst wenn er nicht auf Dienstreise sollte, sondern Urlaub machen wollte, war durch dieses Verschlafen nicht sein freier Wille gebrochen worden, weil er ja schon nicht frei war, als er urlaubsreif wurde. Verstanden? :)