(29-01-2019, 16:41)Bion schrieb: [ -> ]In christlich-theologischer Verwendung des Begriffs steht die (Erwartung der endzeitlichen) Ankunft Christi im Vordergrund (lat. adventus).
Genau! Den Jüngern wurde ja verhießen, daß manche von ihnen den Menschensohn in seiner königlichen Macht kommen sehen werden
Ich denke, bereits unmittelbar nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu im Jahr 33 war die Erwartung auf eine baldige Rückkehr Jesu bei allen Christen sehr groß. Als dann im Jahre 66 römische Legionäre in den Tempel eindrangen und aus dem Tempelschatz 435 Kilogramm Silber beschlagnahmten, wurde unter den Christen die Erwartung auf die Rückkehr Jesu noch stärker. Und als dann im Jahre 70 der Tempel zerstört wurde, rechneten nun wohl alle Christen mit der sofortigen Rückkehr Jesu und der Errichtung des Gottesreiches
Ein Jahr später - im Jahre 71 - erkannten die Christen aber, daß Jesus eben doch nicht wiedergekehrt war
Das Quellenmaterial darüber ist spärlich - aber ich kann mir vorstellen, daß nun viele Christen ratlos waren
Die Jahre zogen ins Land
Langsam begannen die Jünger sukzessive wegzusterben. Als der letzte verstorben war, fragten sich die vielen Christen, denen von den Jüngern die Verheißung Jesu an die Jünger "von denen, die hier stehen, werden manche den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn in seiner königlichen Macht kommen sehen" erzählt worden war, warum die Verheißung noch nicht eingetreten ist
Matthäus schrieb diese mündliche Verheißung Jesu an die Jünger später nieder, siehe Matth 16:28
Der genannte theologische Artikel zum Thema Parusie schreibt in
"9. Zum Problem des Ausbleibens der Parusie Christi
Während in der zweiten urchristlichen Phase die Naherwartung der Parusie Christi in ihre Stetserwartung überführt wurde, setzen sich am Übergang von der zweiten zur dritten, erst recht aber in der dritten urchristlichen Phase vermehrt Texte mit dem innerchristlichen Zweifel an der göttlichen Präsenz in der erhofften zukünftigen Geschichte auseinander, wobei nur 2Petr 3,3f auf die grundsätzliche Infragestellung der Parusie Christi eingeht." (gekürzt)
2Petr 3,3f
"Ihr sollt vor allem wissen, dass in den letzten Tagen Spötter kommen werden, die ihren Spott treiben, ihren eigenen Begierden nachgehen und sagen: Wo bleibt die Verheißung seines Kommens? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Schöpfung gewesen ist."
Sehr viel trägt Petrus auch nicht zur Beantwortung der Frage bei
Zwar schreibt er weiter hinten, in Vers 8 "daß ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag", und in Vers 9 "der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß jedermann zur Buße finde", aber das erklärt keineswegs das Nichtkommen Jesu in Widerspruch zu der Verheißung Jesu an die Jünger "von denen, die hier stehen, werden manche den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn in seiner königlichen Macht kommen sehen"
Petrus desavouiert alle, die sich nun (berechtigte) Fragen stellen, als "Spötter"
Damit traute sich kaum jemand zu fragen
Aber das war nicht fair. Wo geht denn da jemand eigenen Begierden nach, wenn er in Erinnerung ruft, was ihm vor gar nicht langer Zeit von den Jüngern gesagt worden war ??
Wo geht denn da jemand eigenen Begierden nach, wenn er auf das versprochene baldige Gottesreich hofft ??
Die bösartige Wortwahl "Spötter" und "eigene Begierden" sollte wohl alle Fragen abwürgen und alle Fragesteller mundtot machen