06-07-2011, 17:39
(05-07-2011, 19:23)Karla schrieb: Die Frage, was ein Verfasser "eigentich" meinte, ist eine psychologische. Man müsste, um das herausfinden zu könenn, die Gedanken des Verfassers beim Schreiben sozusagen scannen, und ebenfalls sein Verdrängtes.
Ach so? Und das müssen wir bei jedem naturwissenschaftlichen Text dann auch machen, da der Verfasser ja auch etwas ganz anderes gemeint haben könnte als wir rauslesen?
Verstehe ich das richtig?
Mal im Ernst: Auch ein Philosoph ist in der Lage seine Gedanken so zu formulieren dass auch spätere Generationen sie zu verstehen wissen.
Philosophische Texte sind doch keine bildhaften, nebulösen Gebilde. Was hätte der Verfasser davon? Der wird doch wohl auch wollen, dass man seine Gedanken richtig herausliest.
(05-07-2011, 19:23)Karla schrieb: Das aber ist sowohl unmöglich als auch für die Rezeption von Texten nicht der entscheidende Faktor. Der entscheidende Faktor ist der Text selber.
Selbst der Lesevorgang - darin sind sich die Geisteswissenschaftler heute so gut wie einig - ist bereits ein interpretativer. Ein selektierender.
Würde ich so nicht unterschreiben. Bei Prosa und Lyrik auf jeden Fall. Bei wissenschaftlichen Texten eher nicht. Da Philosophie zum zweiteren gehört ist das Ergebniss dementsprechend.
(05-07-2011, 19:23)Karla schrieb: Wovon ich oben aber sprach, war die ideologiekritische Analyse. Die versucht, seit es sie gibt, den Text daraufhin abzuklopfen, was er ungewollt mitliefert. Da kann man den Autor fragen, solange man will: er wird darauf keine Antwort haben. Und sich vielleicht auch missvertanden fühlen. Aber nicht nur ein literarischer, auch ein philosphischer hat neben dem Oberflächentext einen Subtext. Dieser Subtext kann gelegentlich dem Oberflächentext direkt widersprechen. Und der Autor hat es nicht gemerkt.
Sicher kann man auch etwas aus einem Text herauslesen, dass dort gar nicht steht. das habe ich auch nie abgestritten.
Die Ausgangsfrage war aber, ob philosophische Texte wild umherinterpretiert werden dürfen, da du meintest sobald der Text publik ist, hat der Autor kein Mitspracherecht mehr.
Und das sehe ich anders.
Der Autor eines philosophischen Textes hat konkrete Gedanken, die auch genau so gelesen werden sollen. Nicht anders, nicht verschoben. Wenn es dennoch getan wird, ist das Missbrauch gegenüber den Gedanken des Verfassers.
(05-07-2011, 19:23)Karla schrieb: Woran willst Du denn "die Frechheit" messen? Woran dingfest machen? Ist es eine Frechheit, dass man Nietzsche als Vorläufer der Nazis las? Dass man Meister Eckhart als Vordenker der Nazizeit liest? Kann ich nicht erwarten, dass man sich informiert und feststsllt, dass man Ideologen aufgesessen ist, die Eckhart missbraucht haben?
Tut mir leid, aber ich verstehe momentan nicht mehr was du eigentlich sagen willst. Du warst es doch die meinte, man kann philosophische Texte (mehr oder weniger beliebig) interpretieren. Oder sehe ich das auf einmal falsch?
Jetzt auf einmal redest du davon dass Meister Eckhart missbraucht wurde.
Wieso auf einmal missbraucht und nicht einfach anders interpretiert?