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Herrenworte und Christenverfolgung
#1
Zu Mt 10, 27-39 stellt Du folgende These zur Diskussion:

Karla, Beitrag 239 aus: Was ist Gott? schrieb:Ich lese aus diesem Text heraus, dass die hier angesprochenen Christen praktisch permanent "abgeholt" und gefoltert oder ermordet werden konnten, dass sie furchtbare Angst hatten.

Weiter lese ich heraus, dass eventuell Familienmitglieder untereinander uneins waren, vielleicht die einen sogar die anderen anzeigten.

Ich lese den Text so, dass ein Ist-Zustand beschrieben wurde. Denn der Text wurde ja zwischen 60 und 100 nach Christus geschrieben, also zu einem Zeitpunkt, wo die Ermordung der Christen im vollen Gange war.

Und der Prediger legt nun Jesus etwas in den Mund, was die Gemeindemitglieder in ihrer Verzweiflung aufrichten sollte. Jesus hat also nicht wirklich gefordert, dass die Familien zerstört werden sollten, sondern der Prediger hat denen, deren Familien bereits zerstört waren, einen Trost bieten wollen.

Jetzt kommt aber das Entscheidende, was ich sagen wollte:

Falls meine - und eventuell auch Deine - Lesart stimmt, dann war dieser Text nur für die bestimmt, die in dieser Notsituation waren. Nur für sie machte der Text Sinn.

Ein gutes Argument, "unangenehmen" Herrenworten die Schärfe zu nehmen.

Was spricht gegen diese These?

Der historische Befund!

Quelle für die gegenständlichen Herrenworte ist bei Mt u. Lk Q, die Logienquelle, deren Entstehen die meisten Fachgelehrten mit 70 nC (oder kurz danach) ansetzen. Frühdatierungen (60-65 nC zB v. Salomon oder Berger) sind Minderheitsmeinungen.

Das MtEv selbst ist nach überwiegender Meinung der befassten Fachgelehrten zw. 80 und 90 nC entstanden, einige (zB. R. Schnackenburg) engen den Zeitraum des Entstehens des Textes mit 85-90 nC weiter ein. Als Entstehungsort wird überwiegenden Antiochia angenommen, jedenfalls aber ein Ort Syrien.

In der Zeit des Entstehens des Textes sind Christenverfolgungen historisch nicht belegt. Schon gar nicht sollte angenommen, dass in der Zeit des Entstehens des Textes

'praktisch permanent "abgeholt" und gefoltert oder ermordet'

worden wäre.

Es war das die Zeit, in der Christen systematisch aus den Synagogen gedrängt wurden. Mehr war damals offenbar nicht!

Christenverfolgungen unter Domitian (81-96) werden manchmal christlicherseits ohne Beleg behauptet, belegt sind solche erst unter Trajan (98-117).

Aber auch zu den Verfolgungen unter Trajan ist es übertrieben zu behaupten, dass 'praktisch permanent "abgeholt" und gefoltert oder ermordet' worden wäre.

Trajan schreibt an Plinius (Plin. ep. X, 97):

Aufspüren soll man sie nicht; wenn sie angezeigt und überführt werden, soll man sie bestrafen, doch so, dass demjenigen, der leugnet… - mag er in der Vergangenheit noch so verdächtig gewesen sein – auf Grund seiner Reue Verzeihung gewährt wird.

Anonyme Schriften dürfen bei keiner Anklage berücksichtigt werden. Denn das ist ein sehr schlechtes Beispiel und unseres Jahrhunderts nicht würdig.

MfG B.
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Nachrichten in diesem Thema
Herrenworte und Christenverfolgung - von Bion - 25-10-2011, 11:17
RE: Herrenworte und Christenverfolgung - von Karla - 25-10-2011, 13:04
RE: Herrenworte und Christenverfolgung - von Karla - 25-10-2011, 15:35
RE: Herrenworte und Christenverfolgung - von Karla - 26-10-2011, 02:16

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