06-11-2011, 22:26
(06-11-2011, 21:49)Ekkard schrieb:(06-11-2011, 21:17)Gundi schrieb: Ich denke es ist schwer Menschen mit denen einen nichts verbindet Liebe entgegenzubringen.Das ist nicht ganz die Threadfrage! Jedenfalls ist es so, dass die von dir betonte "Unmöglichkeit" scham- und bedenkenlos der von mir vorher beschriebenen Staatsdoktrin des Römischen Reichs und seiner Nachfolger ausgenutzt worden ist. Auch heute folgt auf die christliche Forderung, Nächstenliebe einzuüben, reflexartig die Aussage: unmöglich! Gleichwohl gibt es gute, in unsere gesellschaftlichen Organisationsstrukturen integrierte Beispiele dessen, was im christlichen Sinne Nächstenliebe ist: Menschen mit einer Grundversorgung versehen, Kranke behandeln, Alte und Behinderte pflegen, Sterbende begleiten, Friedensverträge aushandeln, Hilfe leisten. Man blicke einfach mal über den Tellerrand des Reflexes: "unmöglich". Zum Beispiel steckt Vieles bereits in unserer Rechtspflege, in der der Einzelfall des Angeklagten und alle Entlastungsmomente betrachtet werden müssen. Lieber mal einen Kriminellen "laufen lassen", als ein Unrecht an einem unschuldig Belasteten begehen.
Daher muss mMn der biblische Liebesbegriff heute eventuell auch differenzierter betrachtet werden. Was genau ist damit gemeint?
Vieles ist möglich. Vor allem: Vieles wäre bereits im Römischen Imperium und seinen Nachfolgern möglich gewesen. Doch die Machthaber waren nicht willens, das ausgebeutete Volk überhaupt zur Kenntnis zu nehmen - außer wenn man die Leute für Kriegszüge brauchte. Und das Schlimmste: Die religiös verkleisterte hierarchische Staatsdoktrin zementierte diesen Zustand - und das, wie der Reflex "unmöglich" zeigt: bis heute!
Ich widerspreche ganz eindeutig der eingangs zitierten These, man könne Unbekannten keine Liebe entgegen bringen! Viele Menschen können weit mehr als das: Sie können in ihrem Umfeld in Familie, Dorf, Verein usw. an den Stellschrauben unserer Gesellschaft drehen. Und das so, dass auch die Benachteiligten nicht "hinten herunter fallen".
Danke für deine ausführliche Antwort.
Mein "unmöglich" war keineswegs reflexartig. Über die Frage wie sich christliche Nächstenliebe denn ausdrücken kann habe ich schon hin und wieder nachgedacht. Und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich meinem nächsten Respekt, Achtung, Rechte und dergleichen entgegenbringen kann, aber nicht einfach so Liebe.
Lieben tut man Menschen mit denen man etwas verbindet dass enger ist als das gesellschaftliche Miteinander. Seien es Erfahrungen, Verwandschaft, Partner...
Einfach nur den Nächsten lieben weil er auch ein Mensch ist, ist mMn unmöglich (da eine gemeinsame Ebene fehlt) und wer für sich meint dies zu können verdient meine Hochachtung.
(06-11-2011, 21:49)Ekkard schrieb: Ich widerspreche ganz eindeutig der eingangs zitierten These, man könne Unbekannten keine Liebe entgegen bringen! Viele Menschen können weit mehr als das: Sie können in ihrem Umfeld in Familie, Dorf, Verein usw. an den Stellschrauben unserer Gesellschaft drehen. Und das so, dass auch die Benachteiligten nicht "hinten herunter fallen".
Wahrscheinlich haben wir unterschiedliche Ansichten was den Begriff Liebe angeht. Das von dir beschriebene hat viel mit Verantwortung zu tun. Insofern stimmt es mit der Liebe überein.
Auf das Individuum bezogen kannst du mir aber nicht erzählen, dass du für jeden fremden Menschen zb. in der U-Bahn Liebe empfindest.
Da betrachte ich die Menschen als Individuen, welche Respekt und Achtung verdienen und auch bestimmte Rechte haben. Das ist für mich aber keine Liebe, sondern folgt einfach aus der Tatsache, dass in meinen Augen alle Menschen gleich sind.
Einem Bekannten gegenüber habe ich immer andere Gefühle als einem Fremden gegenüber.
Die Bibel bedient sich leider häufiger, in meinen Augen nicht erfüllbarer Forderungen: Liebe deinen nächsten wie dich selbst (auch deine Feinde) stellt für mich eine nicht zu realisierende Aufgabe dar, oder aber der Begriff der Liebe muss uminterpretiert werden.