Hans schrieb:paxinsulae schrieb:Notwehr und ihre Interpretation ist so eine offene Frage. Auch die Zwei- Reiche-Lehre.
Hallo Paxisulae,
das ist ja das besondere, das Jesus hier keinen Spielraum läßt,bei der Interpretation im Bezug zur Nächsten -und zur Feindesliebe.
Hier handelt Jesus für einen Durchschnittsbürger völlig unverständlich.
Er wird mißhandelt und schlägt nicht zurück.Er betet noch für die,die ihn mißhandeln.
Der Mensch soll wieder zu Gott zurück und dazu muß er die Liebe verwirklicht haben.
Die ist dann verwirklicht wenn der Mensch auch seine Feinde liebt.
Wenn er auch denen gutes tut ,die ihn hassen.
Liebe soll sich in der Handlung offenbaren.
Das kann keiner aus dem Stand heraus.Zu Lieben ist eine Kunst die gelernt sein will.Dazu ist es sehr hilfreich Jesus zu verstehen.
Es ist schwer weil der Mensch sich selbst dazu überwinden muß.
Er muß seinen Egoismus überwinden.
Jesus schaut bei den Menschen durch den äußeren Schein auf das Wesen des Menschen.Das Wesen des Menschen ist der Geist,die Liebe.
Das Wesen des Menschen ist seine Bedürftigkeit an seinen Mitmenschen
Hallo hans,
zunächst freue ich mich, über soviel offenbar innerer Überzeugung und "Radikalität" zur Nächstenliebe.
Erlaube bitte, dass ich etwas Wasser in diesen Wein gieße:
Nicht umsonst habe ich ja die Notwehr genannt. Man kann sich in seiner Fantasie viele schreckliche Dinge vorstellen und leider wird auch vieles sogar noch in der Realität übertroffen. Ein ganz einfaches Beispiel:
Du kommst für den Täter unbemerkt für ihn von hinten zu einem Verbrechen: Vor ihm liegen gefesselt wehrlose Menschen und er schießt einen nach dem anderen ab. Du schaust zu. Sicher kannst Du jetzt versuchen zu fragen: "Do you speak English and I would like to explain you the meaning of Jesus words for the world." Um es klarer zu machen, weißt Du, dass es sich um Unschuldige handelt, die Opfer eines Mörders werden. Was tust Du?
Das gleiche gilt wenn einer mit einer Bombe in ein öffentliches Gebäude geht wo tausende Unschuldige sich aufhalten. Du weißt es und bemerkst, wie er gleich die Bombe zünden will. Was tust Du?
Die Frage ist eben, was hat Jesus wirklich gemeint mit der Nächstenliebe. Da gibt es nicht wenige, die einiges von ihm der Erfindung Matthäus zuschreiben, wie der (immerhin) "ökumenische" Kommentar von Ulrich Luz zu den Antithesen ausführt. Immerhin hält er (und damit die Ökumene?) die fünfte und sechste Antithese für eine "Schöpfung" von Matthäus (Seiten 326 und 327 seines katholischen-evangelischen Kommentars zum Neuen Testament Mt. 1-7). Was nicht heißt, dass die ganze Nächstenliebe erfunden ist, aber die Nuancen sind das Entscheidende. Luz glaubt an die "Normalhypothese" (also Mt 5,38ff ist eine Mt-Schöpfung).
Aber Luz tut sich genau so schwer mit der Interpretation des "wahren Willens" Jesu, was die folgenden Seiten seines Kommentars zeigen (Seiten 383 bis 400).
Letztlich ist er auch hilflos und stellt den Pazifismus gleichwertig gegen/neben den Pragmatismus. Also bei unseren oben genannten Beispielen, wenn ich jetzt und hier der einzige wäre, der nicht nur Tod sondern viel Leid verhindern könnte, würde ich den Mörder umbringen? Was ist in Gottes Sinn? Unterlassen, weil ich den Feind liebe oder Töten, weil ich die Opfer liebe oder Unterlassen weil ich mich nicht entscheiden kann?
Wir alle kennen diese Fragen. Antworten gibt es bisher keine und in der angeblich christlichen Welt scheint die zwei Reiche Theorie und der Pragmatismus sich durchgesetzt zu haben. Bis hin zur präventiven indirekten Tötung aufgrund von Indizien.
Also es bleiben Fragen offen.
Es gibt auch Stimmen, die eher darauf hinauslaufen, dass Jesus das israelische Volk schützen wollte mit der Bergpredigt. Wenn sich Israeliten selbst gegenseitig zerstören, ist es bald vorbei mit dem auserwählten Volk (und damit im Sinne des Judentums und seinen Gesetzten Auge um Auge besser mit Geldstrafen auszugleichen um das kleine israelische Volk vor Zerstümmelung zu schützen) und die Feindesliebe war notwendig zum Überleben gegen einen übermächtigen Gegner (das römische Reich). Also lasst Euch nicht provozieren (zum eigenen Nutzen - nicht zum Nutzen des Feindes). Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist.
Ich glaube wir sind uns einig, dass letztere These nicht dem Sinn der Worte und Werke Jesu entspricht, aber Fragen zur Notwehr stellen sich leider noch täglich neu in dieser Welt.
Auch das (natürliche und damit gottgegebene) Silberrücken und Platzhirschdenken der Männer (und die instinktive Faszination für Macht bei Frauen) ist Ursache für viel viel Leid - nicht nur für körperliche Gewalt. Das zeigt sich täglich bei Nachbarstreitigkeiten, am Arbeitsplatz und sogar im Pfarrgemeinderat - überall.
Auch hier gilt es die Worte Jesu richtig zu interpretieren.
Ich bin erstaunt, wie die Bergpredigt immer wieder durch Religionshistoriker und Theologen relativiert wird und missgedeutet.
Außerdem geht das Wesentliche (und das ist m.E. die Nächtenliebe in vielem Unwesentlichem unter). Auch angebliche oder vermeintliche Erkenntnisse, dass Mt 5,38 und anderes vielleicht gar nicht von Jesu selbst stammen sollte oder auch andere angebliche oder wirkliche Fehler, wie sie sich gleich am Anfang des Mt schon zeigen (Bethlehemsche Kindermord, Tod Johannes des Täufers), bleiben in der Öffentlichkeit unbemerkt. Was ist hier Ökumene, wenn sie weiter Sonntag für Sonntag wörtlich verlesen werden ohne sie kritisch zu hinterfragen oder im historischen Kontext vor der Gemeinde zu kommentieren?
So gerät man wieder in den Verdacht etwas zu vertuschen, was die Kirche doch angeblich als ökumenischen Kommentar "öffentlich" vertritt. Wer in der Gemeinde versteht denn schon Luz und hat ihn zu Hause neben der Bibel stehen?
Ist Gott nur für die Wissenschaftler gemacht?
Fragen über Fragen, aber ich würde gern von Dir hans Deine Meinung zu den Grenzfällen von Pazifismus und Notwehr im christlichen Sinne wissen.
Gruß
paxinsulae
Anm. Bion: Zitate repariert.