29-01-2012, 06:00
(29-05-2010, 09:52)Gundi schrieb: Mich würde mal interessieren woran Atheisten ihre Moralvorstellungen festmachen? Es wird ihnen ja oftmals vorgeworfen weniger moralisch zu handeln als z.b. Christen, was ich aber aus meiner erfahrung nicht bestätigen kann und auch für falsch halte.
Aber woran macht ihr eure Moral fest? Wie ordnet ihr Dinge in (vereinfacht) Gut und Böse ein? Gibt es Werte die ihr absolut setzt?
Oder ist die menschliche Moral so wandelbar wie der jeweilige Zeitgeist?
Gibt es für euch keinerlei übergeordnete immerbeständige Werte wie z.b. die Würde des Menschen?
Ich bin zwar kein Atheist, würde aber trotzdem gerne hierzu etwas schreiben.
Im ganzen Thread wurde sehr viel über die Menschenrechte geredet, was ich nicht so ganz nachvollziehen kann, denn prinzipiell orientieren sich die Menschen anhand der Gesetze, zB Strafgesetze, Zivilrechte.
Menschenrechte sind mehr oder weniger Abwehrrechte ggü dem Staat, jedenfalls verstehe ich das darunter.
Sie geben mir aber keine Auskunft über essentielle moralische Werte, wie dass ich zB nicht hinter jemandem schlecht reden soll bzw. nicht lügen sollte.
Moral ist für mich das, was unser Gewissen prägt. Moralische Vorstellungen sind wohl in jeder Kultur einem Wandel unterworfen und verändern sich.
Was in unserer Kultur als Inzest moralisch verpönt ist, kann in einer anderen Kultur wieder anders gesehen sein.
Wenn die Nazis moralisch gesehen, kein Problem mit ihrer Ideologie hatten, dann hatte diese Einstellung sicherlich auch Einfluss auf die Moral der Leute in dieser Zeit. Allerdings gibt es auch immer Menschen, die eine andere Moralvorstellung selbst in solchen Zeiten haben können, und nicht dem allgmeinem gesellschaftlichen Trend folgen.
Bspw gab es sicher auch während der Sklaverei in den USA auch Leute, die dies moralisch eher abgelehnt haben. Auch in der Nazi-Zeit wird es solche Leute gegeben haben.
Ich finde es allerdings interessant, zu sehen, was für moralische Leitlinien Kulturen hatten, bevor sie mit den Moralvorstellungen der monotheistischen Religionen konfrontiert wurden. Da gab es Menschenopfer bei Indianern bevor die Conquestadores sie selbst massakrierten.
Auch was Sexualität betrifft, hat sich das gewandelt. Bei uns hat Homosexualität moralisch gesehen eher Akzeptanz gefunden, als das noch vor 50 Jahren der Fall war. Aber Pädophilie ist dagegen nicht moralisch akzeptiert.
Ich finde die moralischen Vorgaben der 10 Gebote, die jedenfalls auch mitbestimmend für unsere Gesetze waren, absolut in Ordnung. Dass sich diese Vorgaben mit der Zeit ändern, ist auch durchaus normal. Die Zeit wird zeigen, wie sehr sich diese ändern werden.
Bzgl. Atheisten und Moral:
Da muss man differenzieren, denke ich. Auch Atheisten sind nicht alle gleich
Ob Atheisten moralische Werte haben/entwickeln, hängt auch sehr von ihrem sozialen Umfeld, sowie Bildung ab. Bei Religiösen käme auch der religiöse Einfluss durch das Umfeld nebst Erziehung auch hinzu.
Weiters sehe ich schon ein grds. Problem darin, dass Atheisten eher dazu neigen, weniger Moral zu entwickeln.
Aber dieses Problem ist darin begründet, dass viele Atheisten, die in bildungsfernen Schichten leben und dort die Gefahr besteht, keine moralisch vernünftigen Werte vermittelt zu bekommen. Natürlich müssen diese Leute auch die Gesetze achten, das bedeutet aber nicht, dass sie mit den Gesetzen quasi als moralische Vorgaben einvestanden wären.
Ich habe dabei selbst solche Bekanntschaften gemacht und kann hier durchaus berichten, dass es sich um Personen handelt, die charakterlich auch in Vormittags-Talkshows auftreten könnten, wo es darum geht, wer denn jetzt der Vater ist oder wer es zum wie vielten Mal mit wem hinter wessen Rücken getrieben hat.

Diese Grundeinstellung, nämlich das Desinteresse an Gott oder Nicht-Gott ist bei solchen Leuten öfters auszumachen - und ich rede hier nicht mal über Menschenrechte. Die machen sich über diese Dinge auch nicht so einen Kopf darüber.
Es gibt also solche Atheisten und solche Atheisten.
Ich glaube, dass gebildete Leute eher "eigene" moralische Werte entwickelt haben werden, weil sie sich mit solchen Dingen auch beschäftigen und (auch wie hier schon öfters geschrieben wurde) danach leben: „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.“
Allerdings halte ich diese Denkweise für etwas eng betrachtet, denn wer sagt denn, dass andere nach dieser Maxime handeln? Wenn andere nicht danach handeln (vor allem bei der Arbeit bspw), wird man diese Einstellung bald über Bord werfen. Da überwiegen doch eher egoistische Motive in der Praxis.
Und gäbe es keine Zivilisation möchte ich mal sehen, welche eigens entwickelte Moral dem Recht des Stärkeren Einhalt gebieten würde. Die Menschenrechte? -> Tja, die gibts leider nicht, wenn niemand darauf schaut, ob sie eingehalten werden und sie zwangsweise durchsetzt. Die normative Kraft des Faktischen ist letzten Endes maßgeblicher.
Sorry, das wurde jetzt etwas zu lang.o.O

