(22-03-2012, 11:52)paradox schrieb: Wir haben ein ähnliches Problem bei der Auslegung von Gesetzen.
Sorry, paradox,
aber das heißt wieder mal, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Bei der Auslegung von Gesetzen gehen "wir" nämlich grundsätzlich davon aus, dass diese durch und durch menschlichen Ursprungs sind. Und weil das so ist, haben wir auch klare Kriterien, die wir an solche Texte anlegen können, um eine Vorstellung zu entwickeln, was die Autoren mit diesen Texten gemeint bzw. beabsichtigt haben könnten.
paradox schrieb: Mit Hilfe von historischer, systematischer, teleologischer und grammatikalischer Interpretation wird hier versucht diese Probleme zu umgehen, und mittles Analogie Lücken zu schließen.
Genau das macht die historisch-kritische Methode der Bibelauslegung doch auch: Verschiedene Kriterien auf Basis einer möglichst sauber definierten Methodik auf die Bibeltexte anwenden, um herauszubekommen, wer dort wann und wo in welchem historischen Kontext was geschrieben und gemeint haben könnte.
Das Unangenehme dieser Methode ist nur, dass bei ihrer Anwendung ein geradezu deprimierend ernüchterndes Bild des historischen Jesus entsteht: Ein jüdischer(!) Rabbi, geboren in einem völlig bedeutungslosen Kaff namens Nazareth, vermutlich Schüler Johannes des Täufers, erst relativ spät (etwa um das dreißigste Lebensjahr) und geographisch ziemlich begrenzt öffentlich aufgetreten, um dann ungeschickterweise gleich bei seinem ersten größeren Auftritt in Jerusalem den Bogen zu überspannen und von der Besatzungsmacht wegen Aufruhr hingerichtet zu werden.
Vom übers Wasser laufenden Gottessohn, der als "Lamm Gottes" mit seinem Blut die Sünden der Welt zu tilgen hatte, bleibt in dieser Lesart nicht viel mehr übrig als der gleichermaßen verständliche wie absurde Versuch seiner Anhänger, dem überraschend frühen Dahinscheiden ihres Meisters irgendwie einen tieferen Sinn zu verleihen.
paradox schrieb: Ich persönlich sehe es allerdings so, dass man aus der Bibel selbst auch einen gewissen Rahmen ableiten kann, wie eben etwa aus den Geboten und einer speziellen Passage in Markus 12.
Alles andere würde ich mit Vorsicht begegnen, weil auch ich hier den Einfluss von menschlichen Vorstellungen stark vermute.
Und wenn Du mir jetzt noch sagen könntest, woran Du festmachst, welche Passsagen vermutlich dem "Einfluss menschlicher Vorstellungen" unterliegen und welche dann doch eher göttlichen Ursprungs sind - dann könnte ich hier nach vielen Jahren vielleicht tatsächlich nochmal ein Stück in meiner Spiritualität weiter kommen ...
Sangus

