31-03-2013, 22:54 
		
	
	(31-03-2013, 21:01)Meryem schrieb: Kolonisierte Staaten: Aber für Länder die kolonialisiert und ausgebeutet wurden, lernen nicht eine Demokratie aufzubauen oder sich zu verwalten.
Ich bin mir nicht sicher, ob man das so allgemein sagen kann. In zahlreichen einstmals spanischen Kolonien sind Demokratien entstanden - nicht immer stabil, zugegebenermaßen, aber immerhin. Vielleicht liegt das innere Versagen beim Aufbau einer Demokratie auch in der betreffenden Gesellschaft selbst begründet, und die koloniale Ausbeutung war zweitrangig. Immerhin hat die Kolonialzeit auch zu Bildung und Ausbildung eines (zugegebenermaßen sehr kleinen) Teils der Kolonisierten im westlichen Sinn und im Westen geführt, besonders im 20. Jahrhundert; das theoretische Wissen und Können ist also vorhanden. Nur: Wie formt man eine Stammesgesellschaft mit den entsprechenden Loyalitäten um zu einem Staatswesen, das den Bürgern ein abstraktes Ding ist und dem gegenüber sie daher keine Loyalität entwickeln? Ein demokratischer Staat kann doch nur funktionieren, wenn der Einzelne sich als Teil der gesamten Gesellschaft fühlt, der gegenüber er zwar Rechte, aber auch Pflichten hat. Jemand, der seine Rechte und Pflichten nur innerhalb von Sippe und Stamm gewahrt sieht, ist untauglich für die Demokratie - außer vielleicht einer innerhalb von Sippe und Stamm.
Zitat:Wie lange braucht eine Demokratie um sich zu entwickeln?- Reichen 10 Jahre oder sind es eher 10 Jahre?
Ich meine, es sind eher Jahrhunderte, wenn der Boden nicht zuvor dafür bereitet wurde. Nehmen wir die muslimischen Gesellschaften (sage ich lieber als "islamisch"): Seit Muhammads Zeiten werden sie auf allen Ebenen zentralistisch regiert. Zwei Beispiele:
a) Die Städte. Sie wurden im muslimischen Bereich von Gouverneuren regiert, die von den jeweiligen Herrschern eingesetzt wurden. Die Stadtbewohner waren gehorsamspflichtige Untertanen. Unter solchen Umständen kann sich kein Verantwortungsbewusstsein und kein demokratisches Verhalten entwickeln.
In Europa verwalteten sich die Städte selbst, und zwar durch einen gewählten Rat von angesehenen Bürgern. Natürlich war das noch keine Demokratie, es war aber eine ausbaufähige Vorstufe.
b) Die Hochschulen. Die muslimischen madaris (Medressen) waren Stiftungen, die vom Stifter oder seinen Nachfolgern oder einer anderen eingesetzten Person geleitet wurden. Der Schüler/Student hatte zu lernen, an der Verwaltung war er nicht beteiligt.
In Europa war die Universität von vornherein als Korporation organisiert: als Zusammenschluss von Professoren und Studenten, die gemeinsam für das Wohl und Wehe der Universität verantwortlich waren und deren Verantwortliche durch Wahl zu ihren Posten kamen, die sie durch Abwahl wieder verloren. Auch hier haben wir in Europa eine Institution, in der sich seit acht Jahrhunderten Methoden der Demokratie einüben ließen.
Zitat:Hätten wir eine Demokratie ohne die Amerikaner geschafft
Uneingeschränkt ja. Wir hatten ja zuvor schon eine, ganz ohne die Amerikaner. Und wir hatten zuvor diese Demokratie, weil wir das eben erwähnte Rüstzeug dafür hatten.
