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Querschnittslähmung als Strafe
#60
(11-04-2013, 09:18)Keksdose schrieb: paradox:

Ich glaube, Wiedergutmachung ist der falsche Ansatz. Einfach weil es unmöglich ist. Würde unser Strafmaß darauf beruhen, dem Täter seine eigene Tat zurückzugeben, dann müsste dafür immer ein anderer zum Täter werden, was eine schreckliche Gewaltspirale zur Folge hätte. Deshalb muss man sich fragen: Was kann eigentlich das Ziel einer Strafe sein, wenn es schon unmöglich ist, ihm seinen zugefügten Schmerz selbst zuzufügen? Die Opfer einer Vergewaltigung würden sagen: Kastriert ihn, quält ihn, bringt ihn um - um ihrem Schmerz, ihrer Wut und der Demütigung Luft zu machen. In diesem Fall würde das Strafmaß durch die derzeitige Kreativität des Opfers bestimmt, weil das garantiert das schlimmste fordern wird, das ihm einfällt. Zunächst.

Deinen Gedankengang kann ich absolut nachvollziehen. Es sollte keinesfalls allein in der Hand der Opfer liegen, wie die Strafe für den Täter auszusehen hätte. Das würde wohl zu ewiger Rache führen.

(11-04-2013, 09:18)Keksdose schrieb: Wenn Taten jahrelang zurückliegen und es die Opfer tatsächlich schaffen, ihr Leben weiterzuleben, nimmt auch der Wunsch nach blutiger Rache ab. Diese Menschen hätten nachträglich absolut nichts davon, wenn ihrem Peiniger ein Körperteil fehlt oder er nicht mehr lebt. Im Gegenteil, es gibt nur eine Sache die verhindern könnte, dass auf ihr Schmerzenskonto auch noch die Schuld einer grausamen Tat fällt: Verdrängung.

Das wird aber nicht auf jedes Opfer zutreffen. Viele leben mit der Wut und dem Hass bis an ihr Lebensende. Es wird ihr Lebensbegleiter.
Da gabs gestern eine Doku zu bekannten Justizfällen in der Geschichte.
Genannt wurde der Fall des OJ Simpsons, der in den 90ern angeklagt wurde seine Frau und deren Freund Ron Goldman ermordet zu haben.
Er kam frei, aber er wird dennoch als sehr wahrscheinlicher Täter gesehen.
2008 wurde OJ Simpson jedenfalls wegen Raubes und Entführung mit einem Strafmaß von 33 Jahren verurteilt.
Im Verhandlungssaal saßen auch die Angehörigen der Getöteten und sahen das Urteil als Genugttung für den damaligen Mord an:
Die Familie des 1994 ermordeten Ronald Goldman zeigte sich erfreut über das Urteil. Für ihn sei es ein "bittersüßer Moment", sagte Ronalds Vater Fred. "Wir haben die Befriedigung, dass dieses Monster jetzt dort ist, wo es hingehört: hinter Gitter."

(11-04-2013, 09:18)Keksdose schrieb: Statt Rachegelüsten Raum zu schaffen sollen Strafen doch eigentlich etwas ganz anderes tun: Die Gesellschaft vor dem Täter schützen und ihn sowie Andere vor ähnlichen Taten abschrecken.

Ich glaube, da werden sowieso die meisten zustimmen.
Allerdings wenn man nur darauf abstellt, erscheint es dann manchmal auch sinnlos.
Der Fall Fritzl bspw zeigt, dass er im Grunde wohl mit seinem hohen Alter für niemanden mehr eine Gefahr darstellen wird.
Oder der Fall eines früheren KZ-Aufsehers, der sich freiwillig zu dem Dienst gemeldet haben soll und jetzt im hohen Alter und nach Ende des Nazi-Regimes wohl keine Gefahr mehr für jemanden sein wird.

Eventuell schreckt es ja andere davor ab, allerdings ist ja selbst die Todesstrafe selbst offenbar nicht abschreckend genug, so dass man sich die Frage stellen kann, ob dann eine Haftstrafe abschreckend genug sein kann.
Was letztlich bleibt, ist dass eine Strafe einfach als "Strafe" im wahrsten Sinn des Wortes, nämlich als hinzunehmendes Übel für eine strafrechtlich verpönte Tat, verstanden werden sollte.
Sonst könnte man auch meinen, wenn keine Gefahr für die Gesellschaft bestehe, oder auch eine Abschreckung nicht (möglich) nötig sei, man ja dann keinen Grund mehr zum Strafen hätte.


(11-04-2013, 09:18)Keksdose schrieb: Deshalb werden Täter ins Gefängnis gesteckt oder in die geschlossene forensische Psychiatrie (die übrigens, entgegen mancher Berichterstattung im Fernsehen, alles andere als Luxus ist - strenger und abgeschlossener als jedes Gefängnis und zusätzlich psychiatrische oder therapeutische Maßnamen) nicht um die Täter der Gesellschaft wieder anzunähern, sondern um die Gesellschaft vor einem potentiellen Täter zu beschützen.

Auch das ist - jedenfalls für mich - nicht problematisch, solange eben der Täter auch in Haft für eine angemessene Zeit kommt.

(Bzgl. Luxusgefängnis gibt es da eine im österreich. Leoben und in Berlin Heidering wollte man ebenfalls eine bauen:
*http://www.krone.at/Oesterreich/In_Leoben_bleibt_man_freiwillig._da_bricht_keiner_aus-Luxus_hinter_Gittern-Story-188802

*http://www.news.at/nw1/gen/slideshows/slide/show;chronik/inland/haefn_liebe/design_knast/;kid;10?flags=nopop;1

Im ersten Artikel steht auch, bspw welche Täter da gelandet sind.


(11-04-2013, 09:18)Keksdose schrieb: Ich stimme dir im Übrigen absolut zu, dass das Strafmaß in Deutschland oft viel zu gering ist. Leider weiß ich persönlich von einigen Fällen, da Vergewaltiger beispielsweise mit einer Bewährungsstrafe davon kommen, also nicht mal einen Tag hinter Gittern sitzen. Und das ist natürlich furchtbar. Aber unser Rechtssystem lebt nach dem Motto: Lieber einen zuwenig als einen zuviel bestrafen. Und darüber hinaus behält jeder Mensch seine unveräußerliche Menschenwürde - und das ist auch verdammt gut so. Einen auch noch so schlimmen Täter der Willkür eines Geschädigten mit einer psychischen Störung (Traumafolgestörung bspw) auszusetzen, wäre grausam, nicht rechtsstaatlich - und es würde nicht zu weniger Täter führen, sondern eindeutig zu mehr. Nur dass unser Rechtssystem dann einer dieser Täter wäre.

Aber auf der anderen Seite, wo bleibt die Würde des Opfers, wenn ein reicher od. ein besonderer Angeklagter sich "freikaufen" kann?
Jeder kennt den Fall des U-Bahnschlägers, der eine sehr hohe Strafe erhalten hat.
Da gabs dann aber auch einen Sohn eines Anwalts, der eine vergleichbare Tat begangen hat, aber mit zwei Jahren Haft davongekommen ist.
Oder in einem Fall, wo ein Farbiger in einer Polizeizelle lebendig verbrannt ist, und die aufsehenden Polizisten nichts gewusst haben wollen, und damit auch freikommen.
Mag sein, dass dann die Würde dieser Täter gewahrt bleibt, wenn sie nicht verurteilt werden, aber die Würde der Opfer wurde mit Füßen getreten. Und die Ungerechtigkeit stinkt bis zum Himmel.
with great power comes great responsibility

Entscheidungen machen uns zu denen, die wir sind. Und wir haben immer die Wahl, das Richtige zu tun.
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