(11-02-2014, 08:21)Scheingreis schrieb: Nein, das ist überhaupt nicht klar. Wenn hier dauernd von Metaphern und Symbolen die Rede ist, klingt das ganz so, als lautete die hermeneutische Alternative ausschließlicher Wortsinn vs. Allegorese. Über beides ist die Bibelexegese längst hinweg.
Ja sicher. Nach Formkritik ist jetzt Genrekritik gerade vollkommen in. Oder ist es nicht das, worauf Du hinauswillst? Die Art der Exegese haengt ja nun einmal auch davon ab, was man eigentlich daraus ziehen will, und ich glaube kaum, dass Petronius da nach Glaubensinhalten schuerft; Ekkard wiederum wahrscheinlich schon, was dann auch einen anderen Ansatz zur Folge hat.
(11-02-2014, 08:21)Scheingreis schrieb: Das desavouiert diese spätantiken und mittelalterlichen hermeneutischen Ansätze nicht per se. Was mich daran eher stört, ist vielleicht ihre Verhaftung in der Erkenntnistheorie des Mittel- und Neuplatonismus. Also ein nicht sehr demokratisches Modell, das stark auf der intellektuellen Ungleichheit der Menschen basiert. Darum glaube ich trotz der Arroganz, die sich in diesem Forum immer wieder äußert (ist in Foren ja generell nicht unüblich) kaum, daß Ihr Euch in diese Tradition zu stellen beabsichtigt.
Das kommt jetzt so ein bisschen rueber wie, nur weil eventuell nicht jeder der Sache folgen kann, kann man einen bestimmten Ansatz nicht verfolgen, oder meinst Du hier etwas anderes? Warum macht es einen Ansatz per se suspekt, nur weil er "undemokratisch" ist? Was hat das denn mit der Fragestellung zu tun? Hier will doch niemand (oder zumindest nicht jedermann) einen Predigttext erstellen. Einige der Bibelautoren wahrscheinlich aber schon, und die Naehe zu platonischen Gedanken ist an einigen Bibelstellen recht deutlich (siehe Apg).
(11-02-2014, 08:21)Scheingreis schrieb: Also ist doch wohl die Frage angebracht, über was genau wir hier eigentlich diskutieren wollen. Ist es denn wirklich zu viel verlangt, sich mal ein bißchen präzise auszudrücken, ohne daß man Euch jeden Popel einzeln aus der Nase ziehen muß?
Das wiederum kann ich unterschreiben; da war der gestrige Tag nicht gerade ein stellares Beispiel der Diskussionskultur, auch wenn die Diskussion recht lebhaft war und ich da eher andere Leute meine. Nicht jede Gegenfrage ist ein Angriff. Manchmal will man wirklich nur etwas verstehen.
(11-02-2014, 08:21)Scheingreis schrieb: Aber wenn z.B. Jesus ein Gleichnis erzählt, dann ist das gerade keine Metapher. Und es greift auch zu kurz, das als bildliche Ausdrucksweise zu begreifen. Die Vergleiche stammen ja nicht selten direkt aus der konkreten Lebenswelt des Publikums. Die Frage ist also, ob man von dieser Lebenswelt abstrahieren muß, um zu verstehen, was das Gleichnis meint, oder ob die Lebenswelt selbst Teil des Gemeinten ist (i.d.R. das Reich Gottes). Gar so einfachhin ist das oft gar nicht zu beantworten.
Diese Argumentation erschliesst sich mir jetzt nicht. Metaphern funktionieren nur, wenn die Vergleiche aus der Lebenswelt des Publikums gegriffen sind, also wuerde ich diesen Punkt gegenteilig interpretieren. Das Markus-Evangelium wiederum erklaert zwar oft genug, dass in Gleichnissen geredet wird, um den wahren Sinn zu verschleiern, aber das hat theologische Ursachen, da der Text wohl als "Teaser" gedacht war, und stimmt so sicherlich nicht. In den naechsten beiden Evangelien wird schon besser erklaert, bis Jesus schliesslich bei Johannes zum direkten Dozieren uebergeht.
(11-02-2014, 08:21)Scheingreis schrieb: An Stellen wie Exodus 13,14 oder Deuteronomium 6,20f., also schon im AT selbst, kann man z.B. sehen, wie mit narrativen Texten umgegangen wurde und wie ihre Vergegenwärtigung bis heute funktioniert. Nämlich als Erinnerung, durch die man sich selbst in das Geschehen einlebt. Die Frage nach der historischen Faktizität muß dabei gar nicht mehr geklärt werden. Man ist ja selbst mittendrin. Religion als Rollenspiel eben.
Ja gut. Aber das beantwortet jetzt nicht die Frage des Threadstarters, der, glaube ich, nicht wissen wollte, wie die Bibel versucht, Glaubensinhalte zu vermitteln. Ihm ging es wohl tatsaechlich um Historizitaet, da ihn die Glaubensinhalte nicht wirklich interessieren. Das ist schon durchaus ein interessantes Thema, aber zumindest urspruenglich in diesem Thread nicht gemeint.
(11-02-2014, 08:21)Scheingreis schrieb: Nochmal zu den Gleichnissen: Die funktionieren auch nicht alle gleich. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter wird erzählt, als jemand wissen will, wer sein Nächster sei. Was folgt, ist eine Lehrerzählung, die gar keine Bilder, geschweige denn Metaphern enthält und eigentlich auch insgesamt kein Bild ist. Sie stellt ja einen höchst konkreten Fall dar.
Das ist schlicht falsch. Gute Bilder sind immer konkret.
Man kann das Ganze ja auch vollkommen anders interpretieren. Schau mal in The Homeric Epics and the Gospel of Mark (Dennis MacDonald, Yale University Press, 2000). Da wird das Markus-Evangelium zu einer Nacherzaehlung der Odyssee mit alttestamentarischen Bildern und einer Erneuerung des homerischen, mittlerweile etwas verstaubten, Wertesystems; die juedische Variante der roemischen Aeneis, sozusagen. Das klingt erst einmal vollkommen verrueckt, hat aber teilweise erstaunliche explanatorische Kraft, auch wenn man der These insgesamt nicht folgen mag.

