21-06-2015, 23:17
(21-06-2015, 21:34)Ekkard schrieb: Dies geschieht durch Synchronisation der Vorstellungen von dem, was als "gut und richtig" angesehen werden soll (was "man" tut bzw. lässt). Der transzendente Glaube projiziert solche Wertvorstellungen ins Absolute, jenseits der "Welt" und ihren Einflüsterungen.
Ich bin der Meinung, dass dies keine Krücke, sondern ein wesentlicher Bestandteil gesellschaftlichen Lebens ist (Zusammenleben, Kooperation). Die bestimmte Ausformung solcher Vorstellungen und der Transport durch mythische Erzählungen mag im Einzelfall als "Krücke" angesehen werden.
Andererseits, wenn ich mir unser Gemeindeleben ansehe, ist das speziell christlich-mythologische Transportmittel nicht so wichtig, wie die allgemeinen Wertvorstellungen unseres Landes - jedenfalls an der Basis.
Es gibt heute zumindest im Westen eine auf weitgehenden Konsens stoßende Antwort auf die Frage "was gut und richtig" ist: Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die sich mir als Produkt der Vernunft darstellt, in die, wenn vielleicht auch indirekt, auch die aus der goldenen Regel abzuleitenden Werte einflossen. Religionen verkünden hingegen auch heute noch Werte, deren Ursprung keineswegs immer auf die Vernunft zurückgeführt werden kann, sondern vielfach wohl auf Emotionen von sog. Propheten und Autoren sog. heiliger Bücher zurückzuführen ist. Zudem versuchen Religionen oft die Werte längst vergangener Zeiten zu konservieren - Werte, die die individuelle Freiheit einschränken, z.T. extrem. Welche Folgen dies haben kann, können wir in Geschichtsbüchern nachlesen und Presseberichten über hauptsächlich im Vorderen und Mittleren Osten und in Nordafrika herrschende Zuständen entnehmen.
Ich bestreite allerdings nicht, dass Religion heute auch neu interpretiert werden kann und wohl auch in einigen christlichen Konfessionen wird. Die EKD mag da vielleicht sogar eine gewisse Vorreiterrolle einnehmen. Das ändert allerdings nichts daran, dass besonders monotheistische Religionen neben wenigen positiven Auswirkungen viele verheerende Aktivitäten der Vergangenheit und teils auch der Gegenwart zu verantworten haben.
Religion scheint mir als "Überlebensstrategie" in der Gegenwart nicht geeignet zu sein. Aber sie kann bei Gläubigen die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod erwecken und ist sicher Vielen ein Trost, weshalb jeder Gläubige auch das Recht haben sollte und in Westeuropa auch hat, die Gebote seiner Religion zu leben, deren Befolgung allerdings niemals erzwungen werden sollte, wie das früher sowohl im Abend- als auch im Morgenland der Fall war und im Letzteren weitgehend noch heute praktiziert wird.

