Hallo Harpya,
Dieses Rätsel der biblischen Textkritik, fachlich bekannt als Pericope Adulterae hat schon viele Personen beschäftigt. Sie ist eine von drei längeren, längstbekannten, etwas problematischen Textstellen, die herangezogen werden, um die Unzuverlässigkeit und Korruption biblischer Überlieferungen zu demonstrieren. Die anderen zwei Beispiele sind die sekundären Endungen des Markusevangeliums (Markus 16.9-29), so wie das sogenannte Comma Johanneum (1. Johannes 5.7).
Mag sein, dass einige Christen (und andere Personen) tatsächlich schockiert sind davon zu erfahren, aber wir haben es hier nicht mit irgendwelchen bahnbrechenden, modernen Erkenntnissen zu tun, die das Christentum oder die Bibel in ihren Grundfesten erschüttern können. Im Gegenteil, schließlich können wir an Hand unserer vorliegenden Textzeugnisse sehr gut nachvollziehen was, wann, wo, wie verändert wurde und finden nur einen solch geringen, derartig veränderten Teil vor. Keines dieser drei markanten Einschübe spricht für die gravierenden Veränderungen, die Bibelgegner in der Regel annehmen und proklamieren, um die Bibel zu diskreditieren.
Diese wenigen Beispiele zeigen, dass trotz damaliger, mangelnder Kontrollinstanz, die meisten frühen Kopisten herzlich wenig "das Feur eröffneten" und alle möglichen Veränderungen nach Herzenslust vornahmen. (Was übrigens dein Zitat verschweigt, ist das z. B der Codex Vaticanus, immerhin eines der wichtigsten Textzeugnisse, genau an der Stelle wo diese Geschichte in späteren Texten auftaucht, ein sogenanntes diakritisches Zeichen eines Kopisten vorweist, um damit auf ein textliches Problem aufmerksam zu machen. Zumindest eine andere (problematische) Textvariante musste also bereits damals im Umlauf gewesen sein.) Aber ich schweife ab...
Aufmerksame Leser diverser Bibelübersetzungen finden bei Johannes meist einen Hinweis auf ein textliches Problem im Kleingedruckten. Die Einheitsübersetzung merkt in einer Fußnote zum Beispiel an:
7, 53 - 8,11 Dieses Stück gehört nicht zum ursprünglichen Bestand des Johannesevangeliums; die besten Textzeugen überliefern es nicht. Die Erzählung stellt aber wohl eine alte Überlieferung dar und gehört inhaltlich zum Evangelium.
Die revidierte Lutherbibel von 1984 enthält lapidar die Anmerkung im Text, gleich zu Beginn der Perikope: Der Bericht 7,53 - 8,11 ist in den ältesten Textzeugen des Johannes-Evangliums nicht enthalten.
Selbst die Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas veweist darauf und verbannt Joh 7,53 - 8,11 komplett in eine Fußnote mit einem vollständigen Zitat.
Dass die Geschichte, die in keinem Jesusfilm fehlen darf, anscheinend einen späteren Einschub im Johannesevanglium darstellt, wirft natürlich trotzdem einige Fragen auf. Erstmalig taucht diese Story nachweislich in einer außerbiblischen Quelle auf, die sogenannte Didaskalia Apostolorum, eine frühchristliche Gemeindeordnung aus Syrien. Diese kann frühestens aus dem Jahre 230 n. Chr. stammen, basiert aber selbst auf ältere Quellen. Es ist also durchaus annehmbar, dass wir es hier mit einer sehr alten, mündlichen Überlieferung zu tun haben, die im Umlauf war und die nicht unbedingt fiktiv sein muss. Die Story selbst ist ja durchaus nicht ungewöhnlich oder unglaublich im Kontext vergleichbarer Situationen, die Jesus zum Beispiel mit seinen Gegnern erlebte.
Was auffällt, ist das diese Geschichte lange Zeit in den Evangelien keinen festen Platz hatte. Sie kommt in unterschiedlichen Varianten (Mal wird zum Beispiel erklärt was Jesus schrieb) in den späteren, uns erhaltenden Manuskripten u.a. vor bei Lukas 21:38, 24:53; oder Johannes 7:36, oder gar am Ende des Lukas- oder Johannesevangeliums. Dies deutet darauf hin, dass wir es hier duchaus mit einer älteren, weit verbreiteten Story zu tun haben, die, warum auch immer, irgendwann durch einen Einschub schriftlich festgehalten wurde. (Mitunter wird angenommen das verstärkte Auftreten der Perikope könnte mit der frühkirchlichen Bußpraxis und die daraus resultierenden Streitigkeiten im vierten Jahrhundert zusammen hängen. Wie sollte man mit Christen, die Ehebruch, Mord, usw. begingen, verfahren? Manche hielten Exkommunikation für die einzige Lösung. Andere wollten solche Mitglieder nicht vollends abschreiben und noch ein Mal "Gnade vor Recht" walten lassen. Dementsprechend gewann diese Geschichte an Attraktivität und Aufmerksamkeit.)
Einige Gelehrte nehmen an, dass der Text eher dem Stil von "Lukas" gleicht oder zu einen der Quellen gehörte, die "Lukas" zusätzlich nutzte, bevor es den Sprung ins Johannesevangelium schaffte. Fast alle sind sich jedoch einig, dass "Johannes" nicht der ursprüngliche Autor sein kann und die Geschichte eher den Textfluss stört. Und es ist diese Frage, welche (für Christen) im Vordergrund stehen sollte: Was hat "Johannes" tatsächlich geschrieben? Dank des reichlichen Quellenmaterials können wir diese Geschichte jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen.
So beliebt wie die Story auch ist und so historisch (oder inspiriert) sie auch ursprünglich sein mag, ist dies eine Textvariante auf der man theologisch, wie auch historisch, nicht viel bauen kann - und auch nicht muss.
Dieses Rätsel der biblischen Textkritik, fachlich bekannt als Pericope Adulterae hat schon viele Personen beschäftigt. Sie ist eine von drei längeren, längstbekannten, etwas problematischen Textstellen, die herangezogen werden, um die Unzuverlässigkeit und Korruption biblischer Überlieferungen zu demonstrieren. Die anderen zwei Beispiele sind die sekundären Endungen des Markusevangeliums (Markus 16.9-29), so wie das sogenannte Comma Johanneum (1. Johannes 5.7).
Mag sein, dass einige Christen (und andere Personen) tatsächlich schockiert sind davon zu erfahren, aber wir haben es hier nicht mit irgendwelchen bahnbrechenden, modernen Erkenntnissen zu tun, die das Christentum oder die Bibel in ihren Grundfesten erschüttern können. Im Gegenteil, schließlich können wir an Hand unserer vorliegenden Textzeugnisse sehr gut nachvollziehen was, wann, wo, wie verändert wurde und finden nur einen solch geringen, derartig veränderten Teil vor. Keines dieser drei markanten Einschübe spricht für die gravierenden Veränderungen, die Bibelgegner in der Regel annehmen und proklamieren, um die Bibel zu diskreditieren.
Diese wenigen Beispiele zeigen, dass trotz damaliger, mangelnder Kontrollinstanz, die meisten frühen Kopisten herzlich wenig "das Feur eröffneten" und alle möglichen Veränderungen nach Herzenslust vornahmen. (Was übrigens dein Zitat verschweigt, ist das z. B der Codex Vaticanus, immerhin eines der wichtigsten Textzeugnisse, genau an der Stelle wo diese Geschichte in späteren Texten auftaucht, ein sogenanntes diakritisches Zeichen eines Kopisten vorweist, um damit auf ein textliches Problem aufmerksam zu machen. Zumindest eine andere (problematische) Textvariante musste also bereits damals im Umlauf gewesen sein.) Aber ich schweife ab...
Aufmerksame Leser diverser Bibelübersetzungen finden bei Johannes meist einen Hinweis auf ein textliches Problem im Kleingedruckten. Die Einheitsübersetzung merkt in einer Fußnote zum Beispiel an:
7, 53 - 8,11 Dieses Stück gehört nicht zum ursprünglichen Bestand des Johannesevangeliums; die besten Textzeugen überliefern es nicht. Die Erzählung stellt aber wohl eine alte Überlieferung dar und gehört inhaltlich zum Evangelium.
Die revidierte Lutherbibel von 1984 enthält lapidar die Anmerkung im Text, gleich zu Beginn der Perikope: Der Bericht 7,53 - 8,11 ist in den ältesten Textzeugen des Johannes-Evangliums nicht enthalten.
Selbst die Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas veweist darauf und verbannt Joh 7,53 - 8,11 komplett in eine Fußnote mit einem vollständigen Zitat.
Dass die Geschichte, die in keinem Jesusfilm fehlen darf, anscheinend einen späteren Einschub im Johannesevanglium darstellt, wirft natürlich trotzdem einige Fragen auf. Erstmalig taucht diese Story nachweislich in einer außerbiblischen Quelle auf, die sogenannte Didaskalia Apostolorum, eine frühchristliche Gemeindeordnung aus Syrien. Diese kann frühestens aus dem Jahre 230 n. Chr. stammen, basiert aber selbst auf ältere Quellen. Es ist also durchaus annehmbar, dass wir es hier mit einer sehr alten, mündlichen Überlieferung zu tun haben, die im Umlauf war und die nicht unbedingt fiktiv sein muss. Die Story selbst ist ja durchaus nicht ungewöhnlich oder unglaublich im Kontext vergleichbarer Situationen, die Jesus zum Beispiel mit seinen Gegnern erlebte.
Was auffällt, ist das diese Geschichte lange Zeit in den Evangelien keinen festen Platz hatte. Sie kommt in unterschiedlichen Varianten (Mal wird zum Beispiel erklärt was Jesus schrieb) in den späteren, uns erhaltenden Manuskripten u.a. vor bei Lukas 21:38, 24:53; oder Johannes 7:36, oder gar am Ende des Lukas- oder Johannesevangeliums. Dies deutet darauf hin, dass wir es hier duchaus mit einer älteren, weit verbreiteten Story zu tun haben, die, warum auch immer, irgendwann durch einen Einschub schriftlich festgehalten wurde. (Mitunter wird angenommen das verstärkte Auftreten der Perikope könnte mit der frühkirchlichen Bußpraxis und die daraus resultierenden Streitigkeiten im vierten Jahrhundert zusammen hängen. Wie sollte man mit Christen, die Ehebruch, Mord, usw. begingen, verfahren? Manche hielten Exkommunikation für die einzige Lösung. Andere wollten solche Mitglieder nicht vollends abschreiben und noch ein Mal "Gnade vor Recht" walten lassen. Dementsprechend gewann diese Geschichte an Attraktivität und Aufmerksamkeit.)
Einige Gelehrte nehmen an, dass der Text eher dem Stil von "Lukas" gleicht oder zu einen der Quellen gehörte, die "Lukas" zusätzlich nutzte, bevor es den Sprung ins Johannesevangelium schaffte. Fast alle sind sich jedoch einig, dass "Johannes" nicht der ursprüngliche Autor sein kann und die Geschichte eher den Textfluss stört. Und es ist diese Frage, welche (für Christen) im Vordergrund stehen sollte: Was hat "Johannes" tatsächlich geschrieben? Dank des reichlichen Quellenmaterials können wir diese Geschichte jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen.
So beliebt wie die Story auch ist und so historisch (oder inspiriert) sie auch ursprünglich sein mag, ist dies eine Textvariante auf der man theologisch, wie auch historisch, nicht viel bauen kann - und auch nicht muss.