04-06-2016, 00:39
Die Frage zur Zeit Jesu lautet(e): Was muss ich tun, um ein "gottgefälliger Jude" (ein guter Mensch) zu sein? Da waren erst einmal die Zehn Gebote einzuhalten, dann die erwähnten 613 Regeln und schließlich alle Interpretationen der mündlichen Überlieferung. Selbstverständlich kannte Jesus sie alle. Man darf davon ausgehen, dass er sie auch einhielt, so gut es ging. Aber er fand eben auch, dass die vielen ins Detail gehenden Interpretationen der mündlichen Überlieferung eher geeignet waren, "das Himmelreich zu verschließen". Jesus und die so genannten "Liebespharisäer" waren eher bestrebt, die Interpretation mit Betonung der menschlichen Notwendigkeiten vorzunehmen, wie das Ährenraufen am Sabbat verdeutlicht. "Gott liege das Wohlergehen aller Menschen am Herzen", so ungefähr könnte man diese Haltung definieren. Oder: Zuerst kommt der Mensch und dann die Menschenordnung, wie es im 'Hauptmann von Köpenick' heißt. Jesus ging also zurück zu den Wurzeln des Regelwerks und wollte die Regeln so angewandt wissen, dass man damit leben kann. Oder mehr noch, dass sie lebensförderlich sind. Paulus interpretiert ihn so, dass der christgläubige Mensch keine Regeln mehr braucht als diese, seine Mitmenschen zu lieben. Jedes denkbare Gebot der Thora folgt aus diesem Liebesgebot. Solange also ein Verhalten dem Liebesgebot nicht zuwider läuft, ist es erlaubt. Nicht Jesus hat "das Gesetz" überwunden, sondern diese Interpretation des Paulus.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard

