22-09-2016, 17:59
(21-09-2016, 19:30)Severus schrieb: Dass es gemäß biblischer Vorstellung
eine präexistente Urmaterie gebe ist mir indessen gänzlich neu.
Genesis 1
1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde;
2 die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.
Eine ungelöste und wohl auch nicht lösbare exegetische Frage lautet:
Ist Vers 1 eine Kapitelüberschrift, die den Inhalt von Gen 1 zusammenfasst, was bedeutet, dass die eigentliche Schöpfungserzählung erst mit Vers 2 beginnt? Oder beschreibt Vers 1 ein anfängliches Ereignis und Vers 2 ff. die weiteren Veränderungen bis hin zur Vollkommenheit nach dem 6. Tag?
Die Meinungen in der Fachwelt sind gespalten, manche bevorzugen die erste, manche die zweite Interpretation.
Die erste Interpretation besagt, dass die Welt, als Elohim seine Schöpfungsaktivitäten aufnimmt, aus einer chaotischen Urmaterie besteht (Vers 2), über deren Herkunft keine Aussage gemacht werden kann, d.h. entweder sie ist zeitlos präexistent oder hat einen Anfang in der Zeit, der aber relativ zur Genesiserzählung in der Vergangenheit liegt. Dementsprechend beginnt die Genesis nicht mit einer Creatio ex nihilo, sondern der göttlichen Gestaltung einer präexistenten Urmaterie.
Die zweite Interpretation besagt, dass der Schöpfungsprozess mit der Erschaffung von Himmeln (Plural!) und Erde beginnt. Allerdings weist auch dieser Modus nicht zwingend auf eine Creatio ex nihilo hin, da das hebräische ´bereschit´ (am Anfang) nicht notwendig auf einen absoluten Anfang hinweist, sondern auch einen Anfang irgendwo auf einer Zeitlinie bedeuten kann, so dass vor diesem (relativen) Anfang schon andere Dinge existiert haben und geschehen sein können, was ein ´ex nihilo´ ausschließt.
Was stark für Interpretation 1 spricht, ist der Umstand, dass Elohim die Himmel ja nicht zwei Mal geschaffen haben kann, einmal in Vers 1 und dann wieder in Vers 7.
Ich gehe in einem speziell dafür einzurichtenden Thread an anderer Stelle demnächst noch genauer darauf ein.
