03-10-2017, 12:05
(02-10-2017, 21:14)Ekkard schrieb: Was du glaubend bekennst, ist allein deine Sache.Dem kann ich vorbehaltlos zustimmen. Daher wundert es mich immer ein wenig, wie du deine Weltsicht darstellst (aber vielleicht interpretiere ich da auch nur etwas hinein):
(02-10-2017, 21:14)Ekkard schrieb: Gott ist quasi Selbstverpflichtung, Verantwortung zu übernehmen.Diesen Leitsatz habe ich bei dir schon des Öfteren gelesen. Aber auch das halte ich für eine sehr persönliche Sicht, die nicht so ohne weiteres auf andere allgemeingültig übertragbar ist.
Ich, zum Beispiel, tue mich mit dieser Vorstellung ein wenig schwer, sie hilft mir bei der Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen, nicht wirklich weiter. Eher unterstützt mich in meinem Handeln die Auffassung, bei jeder Entscheidung auf mich allein (und mein Gewissen) gestellt zu sein. Da gibt es keine übersinnliche Instanz, die mich dabei in irgendeiner Weise führt und anleitet. Rat kann ich mir nur von meinem Mitmenschen einholen, aber die letztendliche Entscheidung liegt bei mir.
Auch das Gewissen betrachte ich nicht als eine solche Instanz, sondern als Bestandteil meiner Persönlichkeit, der teilweise anerzogen ist und teilweise durch andere gesellschaftliche Interaktionen erlernt wurde.
Den Gedanken, dass mir ständig ein Beobachter im Nacken sitzt, der alles, was ich tue oder lasse, beurteilt (und am Ende womöglich eine Rechnung präsentiert), finde ich auch eher bedrückend. Das erzeugt doch genau diese diffusen Ängste, die alexela im Zusammenhang mit Gotteslästerung beschrieben hat. In meinen Augen erzeugt das eine Athmosphäre aus Orwells berühmter Dystopie: man weiß nie genau, was diese übergeordnete Instanz von einem erwartet, macht sich aber jederzeit auf unangenehme Konsequenzen gefasst. Da finde ich das Gefühl, mit sich selbst im Reinen zu sein, viel motivierender, sich moralisch zu verhalten.
(02-10-2017, 21:14)Ekkard schrieb: Gewiss ist nur, dass wir (mit Gott hinter/über uns) mit unserer Mitwelt zurecht kommen und unser Leben bewältigen müssen.Bei dem Satz kommt mir spontan eine Assoziation:
*http://www.mumag.de/gedichte/les_ge01.html
Bei diesem lustigen kleinen Gedicht von Lessing kann man wunderbar erkennen, dass die Vorstellung eines Gottes "über uns" nicht unbedingt davon abhält, verantwortungslos zu handeln, im Gegenteil: in diesem Fall befeuert der Gedanke den jungen Verführer sogar in seiner Verantwortungslosigkeit. Leitspruch: "Gott wird's schon richten." Sicher, man kann nicht alles planen, aber "Verantwortung übernehmen" bedeutet für mich, die möglichen Optionen, mit denen man die Folgen seines Tuns bewältigen könnte, zumindest gedanklich zu erfassen.
(02-10-2017, 21:14)Ekkard schrieb: Eine Gotteslästerung ist ein „Ammenmärchen“! Gott ist kein Wesen, das du beleidigen könntest. Dazu ist Gott „ein Bisschen“ zu groß.Unter der Voraussetzung, dass Gotteslästerung wirklich nur "Beleidigung Gottes" bedeutet, gebe ich dir vollkommen recht. Im Dialog mit Christen habe ich jedoch den Eindruck gewonnen, dass das moderne Verständnis von Gotteslästerung ein etwas anderes ist: nämlich "Selbstentfremdung vom Glauben". Jemand, der Gott lästert, bringt damit zum Ausdruck, dass ihm der Gott, an den er früher fest geglaubt hat, plötzlich suspekt geworden ist.


