30-06-2018, 09:19
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01-07-2018, 18:21 von Ulan.
Bearbeitungsgrund: Grammatik
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(30-06-2018, 08:02)aion schrieb: Interessant ist die Annahme, dass irgendwelche Geschichten erzählt werden, die es mit der Wahrheit nicht ganz so genau nehmen. Interessant deshalb, weil Du von Deiner Erfahrungswelt ausgehst. In Deiner Erfahrungswelt scheint es häufiger vorzukommen, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen.
Ich gehe hier nicht von meiner persoenlichen Erfahrungswelt aus. Die ist dafuer unerheblich. Meine Ansichten basieren hier auf zwei Saeulen:
1. Mein Studium der Geschichte von Religionen allgemein, nicht nur des Christentums. Gerade fuer Religionen und Bewegungen, die geschichtlich naeher an unserer Zeit sind, ist da die Quellenlage ungleich besser, so dass wir mehr ueber den Charakter und die Beweggruende der Gruender wissen. Man kann sich neuzeitliche Bewegungen wie die LDS, Adventisten, die Zeugen Jehovas, Wicca oder Scientology anschauen, und man findet eine ganze Reihe von Beweggruenden, warum und wie diese Religionen oder Kirchen entstanden, und einige davon gehoeren immer noch zu den am schnellsten wachsenden Religionsgemeinschaften der Welt. Sagen wir mal so: der Befund sieht fuer Anhaenger von Historizitaet von Glaubensgrundlagen nicht gut aus.
Das Christentum ist alt genug, dass seine Urspruenge nur noch durch weitaus spaeter entstandene Texte ueberliefert sind. Wir koennen hier also nur rueckprojizieren, und die Kaempfe um die Botschaft und darum, was da eigentlich geschehen ist, laesst sich nur noch in den Evangelien und in den Texten der Kirchenvaeter erschliessen. Da sich diese Texte nicht einig sind, muss man zwangslaeufig interpretieren. Der im NT am haeufigsten zu Wort kommende Apostel schweigt zum groessten Teil ueber die Anfaenge, hilft uns also auch nicht weiter. Sein Glaube ist allein durch Visionen gespeist.
2. Die Erkenntnisse der modernen Forschung dazu, wie unser Gehirn und unser Gedaechtnis funktionieren. Es ist relativ leicht, jemanden dazu zu bringen, in lebendigen Bildern Vorgaenge zu erinnern, die nie stattgefunden haben oder an denen er nie teilgenommen hat. Blindes Vertrauen in Ueberlieferung ist deshalb grundsaetzlich unangebracht (das gilt auch fuer vorgeblich rein historische Texte; fuer Texte, die diesen Anspruch gar nicht erst erheben, gilt das noch viel mehr). Dies erklaert auch die Aussage, warum wir hier nicht von Luegen sprechen sollten; der Glaube an die Echtheit der falschen Erinnerungen ist ja nicht gespielt, sondern echt. Wir muessen uns leider damit abfinden, dass selbst viele unser eigenen Erinnerungen, denen wir vertrauen, falsch sind.
(30-06-2018, 08:02)aion schrieb: Da es hier aber gerade, wie man in vielen Diskussionen in diesem Forum nachlesen kann, mal wieder und eben wiederholt darum geht, den christlichen Glauben zu diskreditieren, macht eine Diskussion, die darüber hinaus geht, Euch auf Eure Schranken hinzuweisen, keinen Sinn. Deshalb darf die Frage, bei jemandem, der sich hinsichtlich einer in der Geschichte offenbarten Religion, auf seine eigenen, dem widersprechenden Erfahrungswerte beruft, ja schon die Frage entgegnet werden, wo er denn seine eigenen Erfahrungswerte bezüglich biblischer Ereignisse herholt.
Und dafuer ziehst Du eine Geschichte heran, die selbst die meisten Theologen als Maerchen erkennen? Ich moechte darauf hinweisen, dass wir beide diese Diskussion jetzt nur haben, weil Du Dich mal wieder in der Diskussion nicht zurueckhalten konntest, ad hominem zu argumentieren (sonst haette ich mich hier herausgehalten). Dein urspruenglicher Hinweis darauf, dass die christliche Heilsbotschaft von den (meisten) Glaeubigen als historisches Faktum gesehen wird, ist so ja durchaus richtig, wie ich selbst weiter oben schon festgestellt habe; ob ich daran glaube oder nicht, ist fuer diese Deine Aussage unerheblich. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Frage der Echtheit der Ueberlieferung, die einen historischen Anspruch hat, heutzutage in einer weitgehend saekularen Gesellschaft sich natuerlich auch fuer Glaeubige immer wieder in den Vordergrund schiebt. Zumindest in unseren Gefilden steht das immer im Raum, und Glaeubige muessen wohl auch einen Weg finden, damit umzugehen.
(30-06-2018, 08:02)aion schrieb: Dein Mitkämpfer gegen das Christentum ist ja intellektuell noch nicht einmal soweit auf der Höhe, dass er Religionswissenschaftliche Klassifikationen kennt, und Du willst bei historischen Inhalten mit Deinen persönlichen Erfahrungswerten kommen.
Das schlaegt jetzt wieder in dieselbe Kerbe wie damals, als Du geforderst hattest, man muesse den Koran auf Arabisch lesen koennen, um irgendetwas darueber sagen zu koennen. Dabei uebersiehst Du aber Deine eigenen Defizite in der Diskussion. Mangelnde Kenntnis von spezifischen fachlichen Details der Religionswissenschaft mag zwar erfordern, dass man in die Erklaerung der eigenen Aussagen etwas mehr Arbeit hineinstecken muss, damit der Gedankenaustausch klappt, aber es ist kein grundsaetzliches Hindernis. Geobacter hat Dir aber wahrscheinlich in psychologischem Background etwas voraus, so dass sich da die Positionen ausgleichen. Und, wie gesagt, um meine persoenlichen Erfahrungswerte geht es hier auch nicht. Jemand mit wenigstens etwas Hintergrund in den entsprechenden Biowissenschaften sollte eigentlich erkennen, auf welche wissenschaftlichen Erkenntnisse ich da anspiele. Aber in dem Feld bist Du es halt, der blank zieht und nicht mitreden kann.
Und hier sieht man letztlich, warum ad hominem Diskussionen so unerquicklich sind. Sie stellen den Versuch dar, eine Diskussion zu "gewinnen", indem man den Gespraechspartner persoenlich demontiert. Das mag vor Publikum funktionieren, fuehrt aber nicht zu fruchtbaren Ergebnissen, da das eigentliche Thema zur Nebensache wird. Fuer eine gute Diskussion ist es viel fruchtbarer, das Gegenueber ernst zu nehmen und sein eigentliches Argument zu verstehen zu versuchen. Das gilt natuerlich fuer beide Seiten. Wer an einen historischen Kern der NT-Geschichte glaubt, ist weder dumm noch verrueckt, aber auch fuer das Anzweifeln dieser Historizitaet bedarf es keines mentalen oder psychischen Defekts, sondern auch dafuer gibt es gute Argumente. Wenn man gegenseitig anerkennt, dass das Gegenueber schluessig argumentiert, auch wenn man die Argumente persoenlich nicht gleich beurteilt, ist schon viel gewonnen fuer eine sinnvollere Diskussion.
Uebrigens ist es nicht unwahrscheinlich, dass keine der Antworten in diesem Thread mit dem, was der urspruengliche Threadstarter wissen wollte, irgendetwas zu tun hat. Dafuer war die Frage einfach zu vage. Es klingt irgendwie nach einer Frage aus dem Religionsunterricht, und da mag, einem uns unbekanntem Kontext entsprechend, irgendetwas ganz anderes gefragt gewesen sein. Unter "Leben und Erleben" des Glaubens wuerde ich mir eher etwas Praktisches aus dem Lebensalltag vorstellen.