(01-09-2018, 16:41)Ulan schrieb: Die Lateransynode von 1079 dazu:
„[…] dass das Brot und der Wein, die auf dem Altar liegen, durch das Geheimnis des heiligen Gebetes und durch die Worte unseres Erlösers substanzhaft[7] gewandelt werden (subtantialiter converti) in das wahre, eigene und lebensspendende Fleisch und Blut unseres Herrn Jesus Christus und nach der Konsekration der wahre Leib Christi (verum corpus Christi), […], und das wahre Blut Christi (verum sanguinem Christi), […], nicht nur durch das Zeichen und die Kraft des Sakramentes, sondern in der Eigentlichkeit der Natur und der Wahrheit der Substanz (in proprietate naturae et veritate substantiae) ...“
Im Jahre 1079 hatten manche Wörter eine andere Bedeutung als heute. Wer weiß, was man damals gemeinhin unter "Substanz" und "substanzhaft" verstand?
Heute kennen wir 94 Elemente, im Jahr 1079 kannte man die 4 Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde
Und was sagte im damaligen Naturverständnis der lateinische Satz in proprietate naturae substantiae ? Was verstand man 1079 unter "Natur" ?
Siehe auch den der altgriechischen Begriff psyche
In der Septuaginta und im NT meinte man die unsterbliche Seele damit, heute ist Psyche ein Erkenntnisobjekt der Medizin
Lateinische und altgriechische Begriffe hatten so manchen Bedeutungswandel
Zudem ist zu sagen, daß in der Lateransynode von 1079 Berengar von Tours folgendes Bekenntnis ablegte:
„[…] dass das Brot und der Wein, die auf dem Altar liegen, durch das Geheimnis des heiligen Gebetes und durch die Worte unseres Erlösers substanzhaft gewandelt werden (subtantialiter converti) in das wahre, eigene und lebensspendende Fleisch und Blut unseres Herrn Jesus Christus und nach derKonsekration der wahre Leib Christi (verum corpus Christi), […], und das wahre Blut Christi (verum sanguinem Christi), […], nicht nur durch das Zeichen und die Kraft des Sakramentes, sondern in der Eigentlichkeit der Natur und der Wahrheit der Substanz (in proprietate naturae et veritate substantiae) ...“
Quelle: Abendmahlsstreit - Wikipedia
Berengar von Tours war ein Mann der frühen Scholastik
Damals war theologisch eine heftige Zeit. Seit 1050 gab es laufend Umbrüche in Judentum und Christenheit
Man denke an die Spaltung der Christenheit in Westkirche und Ostkirche 1054, der Islam kochte wieder einmal über und die Kreuzzüge standen vor der Tür, das Judentum war seit 1050 schwer gespalten, worauf dann 100 Jahre später der RaMBaM seine berühmten Responsen schrieb. 1076 begann in Worms der Investiturstreit, der im selben Jahr im Canossagang mündete. Invasion der Normannen ins byzantinisch beherrschte Süditalien, worauf der Papst dem byzantinischen Gouverneur der Provinz Hilfe versprach, unter der Bedingung, dass die bisher östlichen Kirchen dieses Gebiets den westlichen Ritus übernehmen sollten, also ungesäuertes Brot in der Eucharistie (vgl. Morgenländisches Schisma - Wikipedia), 1066 normannische Invasion in England.
Überall Streit und Hader. Es war eine religiös aufgewühlte Zeit
Im Westen hatten die Scholastiker ihre große Stunde
Der erwähnte Berengar von Tours war nicht unumstritten:
"Mehrfach wurde Berengar durch verschiedene Synoden der Irrlehre bezichtigt und zur Rücknahme seiner Ansichten gezwungen, die er jedoch ebenso oft widerrief." Berengar von Tours - Wikipedia
1079 war das Christentum Staatsreligion.
Die Christenverfolgungen von 249-311 waren ein ganz anderes Thema, damals wurden Christen angeklagt, oft mit widersinnigsten Behauptungen.
Aber kehren wir zu Berengar von Tours (1079) zurück. Sein Bekenntnis vor der Lateransynode war vielleicht nicht ganz freiwillig. Vielleicht hatte dieser Scholastiker wieder einmal etwas unpassendes gesagt und wurde der Irrlehre bezichtigt - damals eine gefährliche Sache. Um seinen Kopf zu retten, sein inbrünstiges öffentliches Bekenntnis. Vielleicht hatte man ihm diesen überschwenglichen Text "empfohlen", um sich so der Anklage der Irrlehre zu entziehen. Vielleicht waren es seine eigenen Worte. Wie dem auch sei, der Verfasser des Textes verwendete Begriffe, die damals nicht von jedem gleich verstanden wurden.
Um diesen Text überhaupt verstehen zu können, müßte er erst vom Spätlateinischen ins heutige Deutsch übersetzt werden können. Ich fürchte, daß dies nicht möglich ist. Denn manche spätlateinischen Begriffe waren damals nicht eindeutig - da verstand jeder Theologe etwas ganz anderes darunter
Eine Wiederverlautbarung mit heutiger Sprache durch die katholische Kirche wäre angebracht.
Bei staatlichen Gesetzen macht man das auch.