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Hat das Christentum das Prophetendenken überwunden?
#39
(24-09-2018, 13:10)konform schrieb: Ich kenne die für die späten Datierungen des zweiten Petrusbriefes  genannten Gründe. Sie sind nicht haltbar. John A.T. Robinson kommt immerhin auf die Jahre 61-62.  Aber auch dies könnte etwas zu spät sein..

Oder halt, wie die meisten Gelehrten meinen, viel zu frueh.

Ich gebe Dir in einem Punkt Recht: Die meisten Datierungen, auch die, die von der Mehrheit vertreten werden, beruhen auf einer Kette von Annahmen, die manchmal nicht einfach nachzuweisen sind. Einige dieser Annahmen sind aber viel zu konservativ, z.B. die implizite Annahme, dass die Evangelien- und Brieftexte, die wir heute kennen, im wesentlichen der Form entsprechen, in der sie geschrieben wurden. Diese Annahme liegt allen Datierungen zugrunde, aber ich glaube nicht, dass diese haltbar ist.

Wir wissen, dass alle Texte des Neuen Testaments mehr oder weniger drastisch umgeschrieben worden sind. Die drei synoptischen Evangelien, die im Prinzip drei verschiedene Bearbeitungen ein und desselben Textes darstellen, sind dafuer lebende Zeugen. Die Texte der Kirchenvaeter sind ein weiterer Beleg. Der erste Kirchenvater, der so gut wie durchweg in den Texten wiederfindbare Zitate liefert, ist Irenaeus. Er ist auch der erste, der den Evangelien Namen gibt. Dies war am Ende des 2. Jahrhunderts.

Davor finden wir zwar viele Zitate von Herrenworten in frueheren Texten, wie denen von Ignatius oder Justin dem Maertyrer, aber diese Zitate sehen in den seltensten Faellen so aus, wie wir sie kennen. Meist erinnern sie bestenfalls an Textstellen aus dem NT, oft sind sie auch nirgendwo auffindbar. Eine gaengige Erklaerung ist, dass alle christlichen Schreiber vor Irenaeus paraphrasiert haben. Das wuerde eine recht nonchalante Haltung gegenueber Jesusworten darstellen. Eine nicht unwahrscheinlich Alternative ist jedoch, dass die Texte, die sie hatten, anders aussahen. Brueche sind in allen uns vorliegenden Texten noch erkennbar.

Was den Petrusbrief angeht, so ist er Teil des "orthodoxen Pakets", einer Publikationseinheit aus der Apostelgeschichte und den Katholischen Briefen, die irgendwann im 2. Jhdt. auftauchte. Die Kanonizitaet des Briefs wurde schon im Altertum angezweifelt, so z.B. durch Origen oder Eusebius. Im syrischen Kanon galt der Brief als falsch und war nicht Teil der Bibel, genau so wie der 2. und der 3. Johannes-Brief, der Judas-Brief und die Offenbarung des Johannes. Sie wurden spaeter gezwungen, die Briefe in den Kanon aufzunehmen.

Ein Problem des 2. Petrusbriefs ist auch, dass Teile fast identisch mit dem Judas-Brief sind. Da hat wohl jemand abgeschrieben.
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RE: Hat das Christentum das Prophetendenken überwunden? - von Ulan - 24-09-2018, 20:11

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