(11-05-2020, 21:04)Davut schrieb:(11-05-2020, 17:36)Ulan schrieb: Oh, da kann ich nur einen Blick in die Entwicklungen des 2. Jhdts. empfehlen, was Dein Urteil eventuell etwas revidieren wuerde. Da wird's noch mal so richtig spannend.......
Bis zum Beweis des Gegenteil stimmt das einfach nicht.* Das Urchristentum wurde, wie deutlich geschildert, maßgeblich im 1. Jh. durch Paulus' Missionsreisen geprägt. Titus hatte zwar spaeter, 70 n. Chr. mit der Tempelzerstoerung ganze Arbeit geleistet, das junge Christentum wurde davon jedoch kaum tangiert.
Wie gesagt, ich empfehle, sich mal mit den Auseinandersetzungen des 2. Jhdts. zu beschaeftigen. Die Zerstoerung durch Titus war uebrigens, ganz im Gegenteil, gemaess heutiger Neutestamentik der Ausloeser fuer die Niederschrift der Evangelien (lange nach Paulus also), hat also zumindest diese massgeblich gepraegt.
Der Paulus, den Du kennst, ist der katholisierte. Das passierte im 2. Jhdt., als Paul von der Kirche entweder totgeschwiegen wurde (Justin z.B.) oder halt spaeter auch als "Apostel der Haeretiker" tituliert wurde (Tertullian, der Schoepfer der Trinitaet). Wohlgemerkt, diese Charakterisierungen kommen aus der Ecke der Kirche, die "gewonnen" hat.
Nach der Initialzuendung der Schaffung eines Neuen Testaments durch Markion (laut katholischer Kirche die groesste Bedrohung, die die Kirche je erfuhr), kam die Kirche so langsam in die Poette, und ein gewisser Kreis von Leuten, wahrscheinlich in Kleinasien, machte sich daran, die katholische Kirche und ihre Lehre zusammenzuzimmern. Dafuer wurden auch die Evangelien entsprechend "angepasst" (der markionitische Lukas und der protognostische Johannes erfuhren die umfangreichsten Editierungen) , die katholischen Briefe und die Pastoralbriefe geschrieben, die Apostelgeschichte in unsere jetztige Form gebracht, etc. Dieses ideologische Trimmen auf "katholisch" war mit Irenaeus um 180 n.Chr. weitgehend abgeschlossen. Dadurch, dass die heiligen Texte der Gegner in entschaerfter Form in diesen merkwuerdigen "4-Evangelien-Kanon" aufgenommen wurden, wurde eine Ausloeschung durch Umarmung versucht.
(11-05-2020, 21:04)Davut schrieb: Zweiter Einbruch war die jahrzehntelange Diskussion um den Arianismus, die "par ordre du mufti" erst viel spaeter beim hochtrabend so genannten "Konzil" 325 in Nicaea (vorläufig aber nicht endgültig) vom Kaiser entschieden wurde. Konstantin diktierte den damaligen Kirchenvertretern die Trinität quasi in den Block. Und die wiederum trugen ihre "Theologie" samt Gefolge gelegentlich mit Knueppeln aus.
Alles was uns heute weiterhelfen könnte, wurde damals gnadenlos verbrannt.
Ja, die Buecherverbrennungen durch die christlichen Schergen haben viel Unheil angerichtet. Ob das uebrigens die Vernichtung des groessten Teils der antiken Litearatur mit einschloss, ist heftig umstritten. Die ganzen anderen "Christenheiten" gingen damals weitgehend unter. Die Arianer sind da nur ein kleines Spaetphaenomen.
Das hat jetzt aber alles rein gar nichts mit dem Threadthema zu tun. Ich werde das wohl spaeter abtrennen.