26-06-2020, 15:45
(01-02-2014, 10:39)Ulan schrieb: Das geht von den Idealen der Gemeinschaft (jeder nach seinen Beduerfnissen, aber auch nicht mehr, kein Geld, alle Gueter werden zusammengetan)..... Das "Paradies auf Erden" ist also erst einmal auf dem Muster von Platos "Utopia" aufgebaut, nur eben nicht als Staat, sondern als religioese Gemeinschaft.
Auch wenn Plato's Utopia eher den glücklichen Staat propagiert, liegt hier der pragmatische Ansatz für Jesu (der nie etwas von Plato und Sokrates gehört hat) Lieblingsbegriff. Das "Reich Gottes" taucht nicht weniger als 80 mal in den Evangelien auf. Mitgezählt habe ich dabei das "Himmelreich", das der judenchristliche Matthäus statt dessen verwendet. Seine Scheu, den Namen Gott in den Mund zu nehmen, beeinflußt diese Transkription.
Vor wem hat Jesus diesen seinen Lieblingsbegriff immer wieder repetiert? Es waren einfache und vor allen Dingen bettelarme Landsleute, die unter persönlicher Knechtschaft (jüdische Sklaven), Existenznot (römische Besatzungssteuern) und auch Hunger ("Unser Brot gib uns heute...") litten.
Jesus Worte von der hereinbrechenden Gottesherrschaft waren nicht einmal christlichen Ursprungs. Das alttestamentarische Judentum kannte sie bereits von den Ägyptern (Thronbesteigung Ramses IV z.B. ). Die Messiaserwartung lag förmlich in der Luft. Kein Zweifel: Jesus hat diese urchristliche Enderwartung nicht "erfunden"; nein: nur aufgewärmt hat er sie. Sogar der in einem anderen Thread gefeierte assyrische König Assurbanipal (6.Jh.v.C.) wurde als Gottessohn am Beginn eines neuen Zeitalters gesehen.
Mit dieser noch für seine Generation versprochenen Reich-Gottes-Herrlichkeit ging der Wanderprediger aus Nazareth unverrichteter Dinge ans Kreuz, eine hochgradig verstörte und ratlose Anhängerschar zurücklassend . Man war entsetzt. Der schmähliche Verbrecher-Tod, nur eines von geschätzten 6000 Kreuzigungsurteilen Pilatus', war der Schlußstrich unter eine Reich-Gottes-Illusion. Ein jesuanischer Irrtum, der nicht schön geschrieben werden kann. Gerade heute nicht.
Die dogmatisch ungebundene Theologie vertritt heute die materielle Auffassung vom Gottesreich übereinstimmend. Luthers Übersetzung vom "Reich Gottes inwendig in euch" verwirft man schon deswegen, weil Jesus zu Pharisäern redete, die das Gottesreich schwerlich in sich "fühlten". Blasphemie!
Mit dem "Schön-Schreiben" fingen die Evangelien zwei Generationen später schon an. Es passierte ja immer noch nichts. Die es noch erleben sollten, waren schon gestorben. Das Reich Gottes wurde deshalb in ein geistiges Erleben umgedeutet, vielleicht auch in die Ur-Texte hineingefälscht.
Die Kirchenväter griffen noch später diesen Gedanken auf, machten entweder aus den Warte-Jahren = Warte-Jahrtausende nach göttlichem Zeit-Maßstab - oder zogen sich auf eine geistige Gelehrtendefinition zurück. 'Sogar der Vaterunser-Text mit der Bitte nach dem Reich Gottes wurde umformuliert: "Dein Geist komme". Das setzte sich aber nicht durch.
Das angekündigte nahe Ende, übrigens auch ein Lebensgrundsatz der Essener zu Jesu Zeit, kam einfach nicht. Es bedarf keiner akademischen Klimmzüge, diesen Tatbestand zu deuten. Die dogmatisch ungebundene liberale Theologie bestreitet den fundamentalen Irrtum Jesu heute auch nicht mehr.
MfG