(28-06-2020, 14:35)Herbert schrieb: Diese deiner bloßen Behauptung stehen aber folgende Schriftzeugnisse (Zeugenaussagen) aus der Bibel entgegen:..
An dem Punkt scheiden sich halt die Geister. Die NT-Texte dokumentieren keine "Zeugenaussagen". Sie sind literarische Produkte, die nach geltender Auffassung in einem Zeitraum ca. 4 bis 7 Jahrzehnten oder sogar noch spaeter nach den Ereignissen von unbekannten Autoren aufgeschrieben wurden. Da einige dieser Texte jeweils eigentlich wiederum nur das Ergebnis des Editierens des Vorgaengertextes sind, reduziert sich die Laenge der Liste da oben auch gleich erheblich.
Was dazu noch den Schatten der Fragwuerdigkeit auf solche Listen wirft, ist die innere Evidenz der Aussagen. Z.B. ist die Inklusion von Vers Mk 1:11 ausgesprochen wackelig. Aus der inneren Logik der Szene haben wir hier eine Interaktion zwischen Gott und Jesus, von der die Umstehenden nichts mitbekommen. Der Text macht keine Anstalten, uns zu erklaeren, das haette irgendjemand bezeugen koennen, und es ist Jesus (Singular!), der die Szene sieht, wie Gott ihn zu seinem Sohn macht. Was die anderen Evangelisten daraus machen, vor allem Matthaeus, der generell sehr eng an seiner Vorlage klebt, hat dann mit Zeugenaussagen schon gar nichts mehr zu tun.
Bei Markus ist die Tradition noch zu spueren, die in spaeteren Bibeltexten Gott nur als entferntes Wesen beschreibt, der nur zu seinen auserwaehlten Propheten als Mittler zu den Menschen spricht - im Traum selbstverstaendlich - oder halt durch Orakel (wahrscheinlich ein Losorakel, wie im Buch Richter). Aber selbst Markus hat schon Bearbeitungsschichten, so dass da schon gewisse Unterschiede, wie Ereignisse stattfinden, sichtbar werden.