(19-01-2022, 21:51)Schmiede schrieb: Der Begriff Religion entstand erst nach dem Mittelalter, abgeleitet von "religere". Er meinte "die richtige Verehrung des dreifaltigen Gottes". Der Begriff ist daher genuin christlich. Vom Selbstverständnis her entfaltet der Begriff allerdings den Begriff "fides".
Das ist nicht richtig. Das lateinische "Religio" ist als Begriff seit dem ersten Jhdt. v. Chr. belegt. Cicero z.B. benutzt es im Sinne von "gewissenhafte oder strikte Befolgung des traditionellen Kults" oder "der ordentliche Vollzug der Riten in Verehrung der Goetter" . Dabei ging es nicht um Froemmigkeit, sondern um fromme Praxis. Uebertriebene Froemmelei wurde von Cicero dagegen als "superstitio" (also Aberglaube) in Kontrast zur "religio" gesetzt. Oder wie Wikipedia es ausdrueckt:
"Nach Cicero (1. Jh. v. Chr.) geht religio auf relegere zurück, was wörtlich „wieder lesen, wieder auflesen, wieder zusammennehmen“, im übertragenen Sinn „bedenken, beachten“ bedeutet. Cicero dachte dabei an den Tempelkult, den es sorgsam zu beachten galt. Dieser religio (als der gewissenhaften Einhaltung überlieferter Regeln) stellte er die superstitio (nach der ursprünglichen Bedeutung Ekstase) als eine übertriebene Form von Spiritualität mit tagelangem Beten und Opfern gegenüber." (siehe Religion)
Christen wurden von roemischen Autoren gerne der "superstitio" bezichtigt, da sie sich im Aberglaeubischen und der Furcht vor Gott verlieren, im Gegensatz zur roemischen "religio", die den Goettern gab, was ihnen zusteht, und dafuer im Gegenzug soziale Harmonie, Frieden und Wohlstand erzielte. Dazu kam bei Christen oder Juden noch die Anklage des Atheismus, da sie sich der "religio" verweigerten.
Ansonsten hat der Begriff natuerlich zu allen Zeiten Umdeutungen erfahren.