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Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte
#17
(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb: Das stimmt. Allerdings  beruhen die Aussagen in deinem Zitat von Clines natürlich auf (s)einer Interpretation der Sintflutgeschichte, und seine ethischen Schlussfolgerungen fallen dementsprechend aus.

Ja sicher beruhen die Aussagen von Clines auf dem Text der Sintflutgeschichte. Der stimmt halt an den besagten Stellen mit dem Ursprungstext ueberein. Die Aussagen verschiedener Textteile der Erzaehlung passen deshalb nicht so recht zusammen, sind aber aus ihrem Ursprung erklaerbar, was ja nicht nur die Interpretation von Clines ist.

(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb: Der biblische Gott lernt gar nichts und bereut auch nichts, weil es diese weltweite Sintflut aus Sicht der biblischen Autoren nie gegeben hat. Diese beschreiben im Gegensatz zu den mesopotamischen Autoren keine Naturkatastrophe, sondern historisches, "am eigenen Leib" Erlebtes, traumatische Kriegserfahrungen mit den Assyrern, Babyloniern und Persern.

Eh, nein. Hier vermischst Du verschiedene Ebenen unzulaessigerweise. Natuerlich glaubten die Autoren daran, dass die Geschichte so aehnlich wie sie erzaehlt wird, also mit der weltweiten Flut, tatsaechlich passiert ist. Ihre eigene Interpretationsleistung und das Einbinden aktueller Ereignisse passiert nur durch den spezifischen Spin, den sie der Erzaehlung geben, also die Lehre, die gezogen werden soll, wurde aktualisiert.

Und dass der biblische Gott dauernd irgendwelche Taten bereut, sieht man ja an einem Beispiel schon in diesem Text, wo genau das von ihm gesagt wird. Wie von mir schon zitiert, bereut er die Schoepfung - gleich zweimal in zwei Zeilen.

(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb: Clines geht von Wassermassen biblischen Ausmaßes aus, die über die höchsten Berge (Mount Everest?) "der Erde" reichten. Er nimmt das alles auf Basis falscher Übersetzungen und eines historisch unzutreffenden Weltbildes der biblischen Autoren von "der Erde" wörtlich. Im Grunde kämpft er, möglicherweise ohne etwas davon zu ahnen, gegen einen Strohmann.

Tut mir leid, aber da hast Du Dich komplett verrannt. Dass die Autoren des Bibeltextes soweit ueber der Ezaehlung standen, halte ich fuer beliebig unwahrscheinlich. Und von Mt. Everest wussten die eh nichts. 

(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb:
Zitat:... hier geht es nur um den Zusammenhang der biblischen Erzaehlung mit dem zugrundeliegenden mesopotamischen Mythos.

Abgesehen von den verwendeten Bildern, gibt es keinen inhaltlichen Zusammenhang von mesopotamischer, polytheistischer Naturkatastrophe und frühjüdischer, monotheistischer Kriegsberichterstattung aus der Perspektive des 2. Tempels.

Das ist keineswegs so. Die biblische Sintflutgeschichte hangelt sich Szene fuer Szene, was bis in die Details geht, an der mesopotamischen Vorlage entlang. Die theologische Aussage wird natuerlich an die Theologie des 2. Tempels angepasst, aber die Erzaehlung vermag es letztlich nicht, sich von der Vorlage zu befreien, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie Vorgaengertexte zu Wort kommen laesst.

(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb: Dass man aber Redaktionen nachweisen kann, lässt den logischen Schluss zu, dass es irgendwann zur Zeit des 2. Tempels eine letzte Endredaktion des Pentateuch gegeben haben muss. Ich ziehe nicht die Ergebnisse der Forschung in Zweifel, sondern baue auf ihnen auf. Dabei lege ich aus inhaltlichen Gründen, den Schwerpunkt auf den vorliegenden Endtext, den ausschließlich die Endredaktion nicht aber frühere Autoren zu verantwortet hat - und zwar in ihrem theologisch-dogmatischen Verständnis.

Ja, und dieses theologische Verstaendnis der Endredaktoren blieb in vielerlei Hinsicht hinter dem ihrer Vorgaenger zurueck. Ich bin mir sicher, dass die relativ fortschrittliche Priesterschrift den Vorgaengertext ersetzen sollte. Die Endredaktion hat dann dieses Frankensteinische Monstrum aus dem Text gemacht, der alle moeglichen unterschiedlichen theologischen Ansichten gleichzeitig vertritt. Das sieht irgendwie nach einem Komitee-Beschluss aus, wo dann alles reingestopft werden musste. Fuer uns heute sind all diese Brueche im Text natuerlich ein Gluecksfall.

(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb: Wie das? Aus Sicht des Frühjudentums gibt es kein ethisches Problem.

Das habe ich auch nicht gesagt, bzw., man sieht ja die Versuche der "Schadensbegrenzung" schon im Text.

(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb: Meine Rede. Genau das zeige ich doch auf, dass dieser Mythos erzählte Geschichtsdeutung ist.

Schon, aber er wird immer noch als "wahrer" Mythos gesehen. Biblische Texte galten immer als Steinbruch fuer Interpretationen der jeweiligen Jetztzeit der Editoren.

(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb: Wozu soll das zum Verständnis des Textes beitragen? Herkömmlicherweise werden Mythen als irrelevante Phantastereien abgetan, moderne Sichtweisen aufgrund relevanter Fakten als wahrhaftig verstanden.

Nein, das ist vielleicht eine eher laienhafte Interpretation des Begriffs "Mythos". Mythen moegen zwar keine Geschichte erzaehlen, bzw., die hinter den Mythen oft verborgenen tatsaechlichen Geschehnisse sind nicht mehr rekonstruierbar, aber Mythen sollen immer noch Wahrheiten befoerdern, die, wegen fehlender Unterscheidung zwischen Mythos und Geschichte, auch als wahre Geschichte (im Sinne von "historisch") verstanden wurden. Insofern haben Mythen in Wirkung und Interpretation - aus theologischer Sicht - dieselbe Bedeutung wie Geschichte selbst.

(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb: Erstens beruht die biblische Urerzählung - meiner Meinung nach - auf relevanten historischen Fakten, die nicht bestritten worden sind, und irrelavant sind die phantastischen Komponenten für den Lauf der Geschichte die Gutes und Böses hervorbrachte auch nicht geblieben. So oder so, man kann aus der Geschichte lernen.

Anders herum. Die biblische Urerzaehlung beruht auf einem Mythos - dem einer weltvernichtenden Flut - dessen historischer Hintergrund lange vergessen ist, der aber immer noch als Geschichte begriffen wurde und zur Sinnstiftung (nicht zuletzt wegen des verlorengegangenen oder inakzeptablen Sinnzusammenhanges der Geschichte) aber leicht angepasst wurde, wofuer der Editor auf ihm gelaeufige Geschehnisse zurueckgriff.

(26-02-2022, 22:07)Balsam schrieb: Ebenfalls Zustimmung, nur geht man bei Fortschreibungsliteraturen von Autoren und Redaktoren aus, wobei jedem klar ist, dass die Macht über die Inhalte in Richtung Zeitpfeil zunimmt.

Schon richtig, aber ich denke, der Text wurde nicht von einem Einzelredaktor geschrieben. Wenn wir von der ueblichen Entstehungshypothese zu Beginn der persischen Zeit oder unter Esra ausgehen, so gab es zu der Zeit Bemuehungen, eine allen moeglichen Parteien genehme Textversion zu produzieren. Der Text wurde zwar editiert, scheut aber im allgemeinen davor zurueck, alte Textteile zu ersetzen; es ist ein Trend erkennbar, moeglichst alle Vorgaengertexte zu Wort kommen zu lassen. Die Sintflutgeschichte war in der Hinsicht wohl ein schwierigerer Job, da die wohl nicht mehr als einmal auftauchen sollte, was die Zerstueckelung und inneren Widersprueche erklaert. Die Sintflutgeschichte enthaelt ja viele sich direkt widersprechende Aussagen in oft nur wenigen Versen Abstand voneinander.

Diese Scheu vor durchgreifenden redaktionellen Massnahmen zeigt, dass der Editor nicht so frei war, wie Deine Interpretation das eigentlich voraussetzen wuerde.


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RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - von Ulan - 27-02-2022, 02:03

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