(27-02-2022, 10:50)Balsam schrieb: Warum machst du jetzt aus meinem "auf (s)einer Interpretation der Sintflutgeschichte" dein "auf dem Text der Sintflutgeschichte"? Alle möglichen Interpretationen der Sintflutgeschichte beruhen auf dem Text der Sintflutgeschichte. Das trifft auf seine, deine und meine zu.
Ja sicher ist das Interpretation. Die Interpretation betrifft aber nicht den Kern dessen, was Du als Aussage des Texts ansiehst; wobei ich Dir sicherlich zustimme, dass die Nachricht fuer den Zuhoerer zur Zeit der Abfassung des Bibeltexts eher etwas mit den Themen zu tun hat, die Du angeschnitten hast. Aber um letztere Themen ging es in diesem Thread ja eigentlich auch gar nicht.
(27-02-2022, 10:50)Balsam schrieb:(27-02-2022, 02:03)Ulan schrieb: Der stimmt halt an den besagten Stellen mit dem Ursprungstext ueberein.
Was verstehst du hier unter Ursprungstext, den vom biblischen Redaktor degigierten Text der früheren Autoren oder die mesopotamischen Texte?
(27-02-2022, 02:03)Ulan schrieb: Die Aussagen verschiedener Textteile der Erzaehlung passen deshalb nicht so recht zusammen, sind aber aus ihrem Ursprung erklaerbar, was ja nicht nur die Interpretation von Clines ist.Meinst du hier mit Ursprung die mesopotamischen Sintfluterzählungen, die mit der biblischen auch nicht so recht zusammenpassen, oder die Texte der früheren Autoren, also Jahwist (J) und (P) der alttestamentlichen Textkritik? Mich irritiert, dass du zweimal von Ursprung redest, einmal passt etwas mit dem Ursprung überein und mal nicht.
Mit dem Ursprung ist die mesopotamische Geschichte gemeint, hier die Atrahasis-Version, an der sich der jahwistische Text entlanghangelt. Mit diesem Ursprung stimmt die Kernaussage ueberein, dass Gott hier die Schoepfung wieder rueckgaengig machen wollte; die Erde, die er aus dem Urmeer herausgezogen hatte, sollte wieder darin versinken und die Schoepfung (Menschen und Tiere) vernichtet werden.
(27-02-2022, 10:50)Balsam schrieb: Falls du im zweiten Zitat die Doppelungen und unterschiedliche Dauer der Sintflut bei P und J gemeint hast, widerspreche ich der Pentateuchforschung nicht, was die Entstehung betrifft. Nur, wie macht man dann mit dieser Erkenntnis weiter mit dem Textverständnis? Interpretiert man erst den Sinn der Erzählung der älteren von J für sich, dann die Jüngere von P jeweils für sich? Was bedeuten dann die Widersprüche dieser beiden Erzählungen für die Aussage des redigierten Endtextes? Ist der dann wegen dieser Erkenntnis unbrauchbar geworden, ist wegen dieser Widersprüche keine sinnvolle Interpretation des Gesamtinhalts mehr möglich? Wird das einfach als wissenschaftlich gut begründeter Fehler abgetan, statt nach einem inhaltlichen Zusammenhang dieser Widersprüche zu suchen?
Ja, die Einzelaussagen widersprechen sich. Dass diese Widersprueche nicht getilgt wurden, lag wohl an der Ehrfurcht vor dem Text. Wie gesagt, Deine Interpretation war jetzt gar nicht das Thema, das ich in diesem Thread aufgemacht hatte. Eine Interpretation des Gesamttextes fuer uns heute oder selbst fuer die juedischen Leser der Zeit des 2. Tempels war meinerseits nicht beabsichtigt.
Ich teile Deine Ansicht nicht, dass die Widersprueche beabsichtigt waren; die ergeben sich aus den jeweiligen Quellen, und dass sie immer noch da sind, lag daran, dass das Editieren nur bis zu einem gewissen Punkt getrieben wurde.
(27-02-2022, 10:50)Balsam schrieb: Diese vom Redaktor stehengelassenen "widersprüchlichen" Doppelungen und Zeitangaben sind solch versteckte Hinweise im Dargestellten auf das eigentlich Gemeinte. Es gibt aber noch weitere, denn im biblischen Endtext werden im Unterschied zur mesopotamischen Vorlage zwei Ursachen für die Wassermassen der Sintflut angegeben, nämlich Wasser von oben, sprich Regen (für die assyrische Invasion) und Wasser von unten, aus der Tiefe (für die babylonische Invasion).
Das mit den Wassern von oben und den Wassern von unten ist schlicht eine Wiederholung aus Genesis (die feste Erde wurde aus dem Wasser herausgezogen, die Himmelskuppel haelt das Wasser darueber zurueck). Um die Umkehrung der Schoepfung in Genesis 1 geht's ja schliesslich auch, zumindest in bestimmten Aussagen der Sintflutgeschichte. Dass die Geschichte dann einen anderen Verlauf bekommt, erklaert sich auch aus der mesopotamischen Vorlage.