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Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte
#36
(27-02-2022, 20:41)Balsam schrieb: Aber ich verstehe langsam, dass du die Sintflutgeschichte als eine hebräische Edition der mesopotamischen Fluterzählung darstellen willst - also nicht mal als eine schlechte Übersetzung.

Das betrifft nur die jahwistische Version, die in den Text eingeflossen ist, und wohl tatsaechlich noch sehr nahe an einer Uebersetzung der mesopotamischen Geschichte war, nur halt mit ausgetauschten Namen und auch einigen anderen zur israelitischen Situation spezifischen Details. Die priesterschriftliche Version hat sich schon einiger der aus dem Transfer ins monotheistische Milieu geborenen Schwierigkeiten angenommen.

(27-02-2022, 20:41)Balsam schrieb: Findest du dass dein Argument Ehrfurcht gut zu deinem Argument der Schlamperei passt? Immerhin handelte es sich um Heilige Texte. Man möchte annehmen, dass Ehrfurcht eine gute Motivation wäre, möglichst genau und bloß nicht schlampig zu arbeiten. Keine Computer hatte niemand im Altertum, deswegen sind aber nicht alle Texte aus der Zeit schlampig, oder?

Schon, aber es wurde nicht frei mit dem Text umgegangen.

Dass es mehrere Ursprungstexte gab, ist doch unstrittig. Warum nicht einfach Dubletten der Geschichte im Falle der Sintflut geschrieben wurden, anders als bei anderen Beispielen, kann man bestenfalls vermuten. Anscheinend war ein Ereignis wie die Sintflut so einschneidend, dass man das nicht zweimal im Text haben wollte, vor allem, da in diesem Fall die Geschichten wohl immer noch zu aehnlich waren (man koennte sagen, die Schoepfung war noch einschneidender, aber die beiden Schoepfungsgeschichten hatten einen anderen Fokus und diametral gegensaetzliche Aussagen, so dass man sie einfach nebeneinander stellte). Ansonsten haben wir hier aber wohl einen Kopisten, der mal eine Zeile aus einem Text kopiert, dann wieder eine Zeile aus einem anderen, ohne jeweils viel (oder halt ueberhaupt etwas) zu aendern. Die Schlampigkeit des Textes ist hier also aus der Ehrfurcht gegenueber den Ursprungstexten begruendet. Das waere also ein Verfahren, wie man es teilweise noch bei den Evangelienharmonien des NT sieht.

Insofern halte ich mich da halt an bekannte Vorbilder, wie so etwas gemacht wurde. Ich denke nicht, dass Deine Interpretationshypothese die Widersprueche ueberzeugend los wird.

Es ist so ein wenig das Problem der Endredaktion des AT, dass dieser Versuch, alle alten Texte irgendwie zu repraesentieren, viele der im AT enthaltenen Geschichten verunstaltet hat (man schaue nur, was aus der Jakobsgeschichte wird, wenn man all den reingeschobenen Kram einfach rausloescht; da wird's richtig lesbar). Ich hatte angedeutet, dass ich der Ansicht bin, dass die Priesterschrift im Prinzip gedacht war, die Vorgaengertexte zu ersetzen und nicht nur zu ergaenzen. Bei der Endredaktion wurde dem dann ein Riegel vorgeschoben.

Wenn man sich die politische Situation der Perserzeit anschaut, wird das auch anderweitig sichtbar. Man schaue nur auf die relative Toleranz der "Chronik" im Vergleich zu "Koenige". Dass die Samaritaner noch am Text des Pentateuch mitarbeiteten, sollte eigentlich klar sein, da ihr Text sehr aehnlich aussieht. Da mussten dann wohl Kompromisse her. In der "Chronik" gab's Manasse oder Ephraim in der nachexilischen Zeit noch, und sie nahmen auch an der Neugruendung Jerusalems teil. Spaeter wurden sie dann die "verlorenen Staemme".

Und ja, da siehst Du, dass ich durchaus auch allegorisch lese; nur halt nicht alles.


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RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - von Ulan - 27-02-2022, 21:15

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