28-02-2022, 14:02
Eine Antwort auf deine Frage bin ich dir noch schuldig.
Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer Sicht
Die jahwistische Urgeschichte in psychoanalytischer Sicht
Die jahwistische Urgeschichte in philosophischer Sicht
Wie man das zu Recht an der Uni lernt, besteht die Urgeschichte aus J und P, was in diesem Fall dazu geführt hat, dass Drewermann die Strukturen des Bösen nur in der jahwistischen Urgeschichte gesucht hat, und bei seiner Analyse all die Texte der Priesterschrift absichtlich und ganz bewusst außen vor gelassen hat. Aber damit nicht genug, denn die Arbeit des Endredaktors kann so auch nicht mehr in die Analyse miteinbezogen werden, obwohl er die größte Verantwortung für die Inhalte hat. Das war ihm wohl eher nicht so bewusst.
Trotzdem, kann man machen, und Drewermann hat viel kluges über die Struktur des Bösen zu sagen. Die Folge dieser selektiven Textanalyse ist aber leider, dass er die biblische Struktur des Bösen nicht wahrnehmen konnte, die sich nur in der Endredaktion des Gesamttextes aufspüren lässt. Die historische Wissenschaft ist seit langer Zeit von ihren richtigen Entdeckungen unterschiedlicher Autoren und Textschichten so begeistert, dass man meinte wenn man die Aussage einzelner Autoren versteht, der Sache an sich am besten gerecht wird. Das halte ich aber aus oben genannten Gründen für einen schweren Irrtum.
Was du oben Knirschen nanntest, die Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten sind kein Makel, sondern der vom Redaktor mitgelieferte hermeneutische Schlüssel zum Verstehen seiner Aussageabsicht. Auf die Sintflutgeschichte bezogen heißt das: Ich kann mich auf die Aussageabsicht J konzentrieren und das, was er zu sagen hat verstehen - desgleichen mit P, und wenn ich J mit P anschließend vergleiche, sehe ich zwar die Ungereimtheiten und Widersprüche, schiebe diese aber auf die unterschiedlichen Autoren aus unterschiedlichen Zeiten. Der eine sagt dies, der andere jenes. "Das lässt sich nicht harmonisieren - aber toll, das beide Ansichten überliefert wurden", mit diesem Ehrfurchtargument, welches sich aus der Datenlage (dem Gesamttext) nicht herleiten lässt. Das war's. Es geht nicht mehr weiter, weil man sich selbst auf diese Weise blockiert hat, und gar nicht mehr versucht Zusammenhänge über die Grenzen der Autorenschaft zu suchen - und deshalb findet man sie dann auch nicht.
Der zweite Fehler ist, dass man sich immer nur auf Einzelerzählungen konzentriert. Was will uns die Paradieserzählung sagen? Was ist der Sinn der Erzählung von Kain und Abel? Was teilt uns der 1. Schöpfungsbericht mit. Was lernen wir aus dem 2. Schöpfungsbericht? Wir versuchen gar nicht mehr, einen Gesamtzusammenhang herauszuarbeiten, weil wir das für einen "Erzählkranz" unterschiedlicher Erzählungen halten, die angeblich nur nebeneinander gestellt wurden. Um da wieder raus zu kommen, halfen mir tatsächlich die mesopotamischen Schöpfungserzählungen, um mal wieder zu deinem Thema Anschluss zu halten. Es ist nämlich nicht nur die Sintflutgeschichte die von diesen außerbiblischen Texten beeinflusst ist. Ein Beispiel dafür aus Gen 1,2 habe oben schon mal gegeben. Marduk und Tiamat, du erinnerst dich? In Gen 2,4 sind die beiden wieder am Start. Wusstest du das? Kannst du da einen mesopotamischen Einfluss erkennen? Würde mich interessieren.
Vermutlich aus ähnlichen Gründen nimmst du an, dass sich meine Interpretation hauptsächlich aus der Priesterschrift ergibt. Nein, weil mir diese widersprüchlichen Zeitangaben keine Ruhe gelassen haben, bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, dass es sich um zwei Ereignisse und nicht bloß um eines, DIE berühmte Sintflut handeln könnte. Und dann muss man halt weiter graben und nach Dingen Ausschau halten, die diese Arbeitshypothese "zwei Ereignisse" stützen oder widerlegen. Beides wäre mir recht gewesen.
Kann mir doch egal sein, ob es ein Ereignis ist oder zwei Ereignisse sind, weil ich kein Dogma begründen, keine Lehre verteidigen muss, und niemandes Glauben erwecken oder zerstören will. Ich will bloß diesen Scheißtext, der mich schon immer fasziniert hat, in seinem historischen Zusammenhang verstehen, und mir ergebnisoffen anhören, was er zu sagen hat, weil mir sämtliche Auslegungen noch widersprüchlicher erscheinen als der Text selbst. Man kennt diese ganzen Diskussionen über "Adam und Eva im Paradies", ob Gott vorher wußte?, logisch - quatsch, ob die Menschen eine Chance hatten? ja sicher - nein, auf keinen Fall, warum die Sintflut? usw. Diese nie zu einem Ende kommenden Diskussionen, die nur zu unsäglichen Streitereien ohne Ergebnis oder zu einem autoritären Basta-Ergebnis von Dritten führen, die sich für Diskussionen selbst zu schade sind, und sich längst in ihren Elfenbeintürmen verschanzt haben. All das ging mir fürchterlich auf den Keks und der miese Tonfall erst recht.
(28-02-2022, 01:17)Ulan schrieb: Die meisten Deiner Interpretationen haengen aber an der Priesterschrift, richtig?Nein, ich wollte die ganze Urgeschichte des masoretischen Textes nach der Endredaktion im Zusammenhang verstehen. Wie soll ich das noch erklären, ohne mich ständig zu wiederholen? Vielleicht an einem Beispiel. Ein sehr ausführlicher Kommentar zu Urgeschichte ist Eugen Drewermanns dreibändiges Werk "Strukturen des Bösen". Man beachte die Untertitel:
Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer Sicht
Die jahwistische Urgeschichte in psychoanalytischer Sicht
Die jahwistische Urgeschichte in philosophischer Sicht
Wie man das zu Recht an der Uni lernt, besteht die Urgeschichte aus J und P, was in diesem Fall dazu geführt hat, dass Drewermann die Strukturen des Bösen nur in der jahwistischen Urgeschichte gesucht hat, und bei seiner Analyse all die Texte der Priesterschrift absichtlich und ganz bewusst außen vor gelassen hat. Aber damit nicht genug, denn die Arbeit des Endredaktors kann so auch nicht mehr in die Analyse miteinbezogen werden, obwohl er die größte Verantwortung für die Inhalte hat. Das war ihm wohl eher nicht so bewusst.
Trotzdem, kann man machen, und Drewermann hat viel kluges über die Struktur des Bösen zu sagen. Die Folge dieser selektiven Textanalyse ist aber leider, dass er die biblische Struktur des Bösen nicht wahrnehmen konnte, die sich nur in der Endredaktion des Gesamttextes aufspüren lässt. Die historische Wissenschaft ist seit langer Zeit von ihren richtigen Entdeckungen unterschiedlicher Autoren und Textschichten so begeistert, dass man meinte wenn man die Aussage einzelner Autoren versteht, der Sache an sich am besten gerecht wird. Das halte ich aber aus oben genannten Gründen für einen schweren Irrtum.
Was du oben Knirschen nanntest, die Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten sind kein Makel, sondern der vom Redaktor mitgelieferte hermeneutische Schlüssel zum Verstehen seiner Aussageabsicht. Auf die Sintflutgeschichte bezogen heißt das: Ich kann mich auf die Aussageabsicht J konzentrieren und das, was er zu sagen hat verstehen - desgleichen mit P, und wenn ich J mit P anschließend vergleiche, sehe ich zwar die Ungereimtheiten und Widersprüche, schiebe diese aber auf die unterschiedlichen Autoren aus unterschiedlichen Zeiten. Der eine sagt dies, der andere jenes. "Das lässt sich nicht harmonisieren - aber toll, das beide Ansichten überliefert wurden", mit diesem Ehrfurchtargument, welches sich aus der Datenlage (dem Gesamttext) nicht herleiten lässt. Das war's. Es geht nicht mehr weiter, weil man sich selbst auf diese Weise blockiert hat, und gar nicht mehr versucht Zusammenhänge über die Grenzen der Autorenschaft zu suchen - und deshalb findet man sie dann auch nicht.
Der zweite Fehler ist, dass man sich immer nur auf Einzelerzählungen konzentriert. Was will uns die Paradieserzählung sagen? Was ist der Sinn der Erzählung von Kain und Abel? Was teilt uns der 1. Schöpfungsbericht mit. Was lernen wir aus dem 2. Schöpfungsbericht? Wir versuchen gar nicht mehr, einen Gesamtzusammenhang herauszuarbeiten, weil wir das für einen "Erzählkranz" unterschiedlicher Erzählungen halten, die angeblich nur nebeneinander gestellt wurden. Um da wieder raus zu kommen, halfen mir tatsächlich die mesopotamischen Schöpfungserzählungen, um mal wieder zu deinem Thema Anschluss zu halten. Es ist nämlich nicht nur die Sintflutgeschichte die von diesen außerbiblischen Texten beeinflusst ist. Ein Beispiel dafür aus Gen 1,2 habe oben schon mal gegeben. Marduk und Tiamat, du erinnerst dich? In Gen 2,4 sind die beiden wieder am Start. Wusstest du das? Kannst du da einen mesopotamischen Einfluss erkennen? Würde mich interessieren.
Vermutlich aus ähnlichen Gründen nimmst du an, dass sich meine Interpretation hauptsächlich aus der Priesterschrift ergibt. Nein, weil mir diese widersprüchlichen Zeitangaben keine Ruhe gelassen haben, bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, dass es sich um zwei Ereignisse und nicht bloß um eines, DIE berühmte Sintflut handeln könnte. Und dann muss man halt weiter graben und nach Dingen Ausschau halten, die diese Arbeitshypothese "zwei Ereignisse" stützen oder widerlegen. Beides wäre mir recht gewesen.
Kann mir doch egal sein, ob es ein Ereignis ist oder zwei Ereignisse sind, weil ich kein Dogma begründen, keine Lehre verteidigen muss, und niemandes Glauben erwecken oder zerstören will. Ich will bloß diesen Scheißtext, der mich schon immer fasziniert hat, in seinem historischen Zusammenhang verstehen, und mir ergebnisoffen anhören, was er zu sagen hat, weil mir sämtliche Auslegungen noch widersprüchlicher erscheinen als der Text selbst. Man kennt diese ganzen Diskussionen über "Adam und Eva im Paradies", ob Gott vorher wußte?, logisch - quatsch, ob die Menschen eine Chance hatten? ja sicher - nein, auf keinen Fall, warum die Sintflut? usw. Diese nie zu einem Ende kommenden Diskussionen, die nur zu unsäglichen Streitereien ohne Ergebnis oder zu einem autoritären Basta-Ergebnis von Dritten führen, die sich für Diskussionen selbst zu schade sind, und sich längst in ihren Elfenbeintürmen verschanzt haben. All das ging mir fürchterlich auf den Keks und der miese Tonfall erst recht.

